Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

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Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

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gebracht, nicht nur durch die Karawanen, die durch die Lande zogen. Auch Schiffe überquerten jetzt das Meer und kehrten zurück mit Gold, Fellen, bunten Federn und Elfenbein aus den jenseitigen Ländern der schwarzen Menschen. Mehr noch, erfahrene Kapitäne studierten die regelmäßige Wiederkehr der Winde und fanden heraus, wie sie, zur rechten Zeit die Segel gesetzt, vor ihnen hertreiben konnten bis an die fernen Küsten des Landes Hind, und auf die gleiche Weise einige Monde später zurück. Manche gelangten noch weiter bis ins Reich der tausend Inseln. Exotische Gewürze, Gewebe, die so fein waren, dass sich ein ganzes Gewand durch einen Fingerring ziehen ließ und andere Wunderdinge brachten sie mit. Ungeheure Geschäfte mit den Ländern des Nordens taten sich auf, und auch die Duftharze wurden unvermindert begehrt. Seit jenen Tagen wähnten die Anderen Südarabien nicht nur als das Herkunftsland von Weihrauch und Myrrhe, Gold, Zimt und Seide, sondern auch als den Ursprung so mancher Wunder und Geheimnisse des Orients. In der Tat gelangte an seine Küsten aus Asien noch ganz anderes als nur Handelswaren.

      Heimkehrend aus dem Norden brachten die Kaufleute große Mengen kleiner, runder Metallscheiben mit. Ihr Tauschwert war allgemein anerkannt und erleichterte den Handel erheblich, sodass auch auf den Märkten der eigenen Städte man rasch Gefallen daran fand. Bevor man jedoch anfing eigene Münzen zu schlagen mit dem Bildnis des Mondgottes Illumqu, benutzte man geraume Zeit jene mit dem Abbild einer Eule und auf der anderen Seite dem Namen einer Stadt jenseits des nördlichen Meeres. Deren Bewohner argwöhnten schon des längeren, dass Südarabien doch nicht das Ende der Welt war. Auch gingen ihnen die Augen auf über die wahre Herkunft von Seide, Zimt und anderem begehrten Luxus, als Agatharchides die Kunde verbreitete über ein Land Hind und die sabäischen Handelsniederlassungen an dessen westlicher Küste.

      In den fruchtbaren Tälern und entlang der Weihrauchstraße reihten sich wie an einer Perlenschnur immer neue Städte auf. Die prächtigste unter ihnen war Marib, wo der König der Sabäer residierte. Schon lange waren diese kein Stamm mehr, sondern ein Volk, das andere in sich aufgesogen hatte, und statt wie zuvor von Raubüberfällen zu leben, den eigenen Handel betrieb. Seit sie sich aufs Verhandeln verlegt hatten, sahen sich die Minäer genötigt immer höhere Schutzgelder an sie zu zahlen für den unbehelligten Durchzug ihrer Karawanen. Den Sabäern gefiel es, immer näher in die Nachbarschaft der Minäer zu ziehen und ständig höhere Forderungen, die sie jetzt Zölle nannten, zu stellen. Eines Tages nahmen sie sich alles, die Karawanen, die Stadt Qarnaw, das Reich.

      Unweit der Stadttore Maribs hatte König Summu-Alaja einen gewaltigen Staudamm erbauen lassen, mit einem verwirrenden System von Kanälen und Schleusen. Weit über die Landesgrenzen hinaus gerühmt als eines der Wunderwerke der Welt, verwandelte er die Umgebung der Stadt in eine riesige Oase. Nur wenige Tagesreisen östlich hatte das Königreich Hadramaut seine Hauptstadt Schabwa errichtet. Noch immer kontrollierte es den Anbau des Weihrauchs im entferntesten Winkel seines Landes. Wenige nur bekamen ihn zu Gesicht. Tödliche Düfte, hieß es, strömten die Gewächse aus, und nur Verdammte arbeiteten in den Plantagen. So gefährlich wären diese Ausdünstungen, dass selbst ein zu nahes Vorbeisegeln an der Küste elendiges Siechtum bescherte. Darüber hinaus gehörten dem Hadramaut die Häfen am südlichen Meer, in denen die aus Hind zurückkehrenden Schiffe anlegten.

      Andere alte Königreiche wie Kataban und Ausan waren schon Saba untertan. Auch über das Meer im Westen hinaus ragte seine Macht bis tief in das Goldland Punt. Zuerst den Hafen Adulis, sodann etliche andere Städte in den Bergen hatte es errichtet. Viele waren dort geblieben, wie der Stamm der Habascha aus dem äußersten Osten Hadramauts, nahe den heiligen Weihrauchhainen. Nach ihnen wurde das ganze Land benannt. Andere Stützpunkte und Kolonien zogen sich bis weit nach Süden an der Küste des dunklen Kontinents entlang. Am nördlichen Ende der Weihrauchstraße, dem Umschlagplatz Gaza, im einstigen Reich Solimans, herrschten eines Tages die Rumi. Das ganze Land hatten sie nach dem kleinen Volk der Philister "Palästina" benannt, nicht zuletzt, um damit die aufsässigen Israeliten und Judäer zu demütigen. Der Handel florierte davon unvermindert, obwohl die Rumi neugierig geworden auf den legendären Reichtum der Südaraber ein Heer aussandten. Mit einiger Gelassenheit konnte man dessen Tun beobachten, wohl wissend, dass Entfernung und Logistikprobleme in dem endlosen Ödland für eine Invasion entschieden zu groß waren. Wie erwartet endete dieses Abenteuer in einem Fiasko, und die Rumi verzichteten auf ein weiteres solcher Art, trotz der verlockenden Schilderungen ihres Schreibers Strabo, die den tatsächlichen Reichtum und Luxus des "Arabia felix", wie er sich ausdrückte, noch übertrafen. Weit gefährlicher wurden die ehemaligen Brüder im Lande Habascha. Eines Tages kamen sie über das Meer, besiegten nach und nach ganz Südarabien. Vor ihren Heeren trugen sie silberne, in der Sonne glitzernde Kreuze. In den Stein der eroberten Tempel schlugen sie immer wieder die Worte „Im Namen des Erbarmers und seines Sohnes Krestos, des Siegers". Da waren viele, die ihren neuen Glauben annahmen, nur nicht jene, die nach den Lehren des Musa lebten. Auch das waren nicht wenige, denn seit den Zeiten des weisen Königs Soliman, der nicht nur über die Menschen, sondern in seinem Reich auch über die Tiere, Dschinns und Dämonen herrschte, und der so mächtig war, dass er Geister in Flaschen verbannen konnte, die er mit seinem Siegel verschloss, gab es zahlreiche Verbindungen zwischen Saba und dem Land der Judäer.

      Das goldene Zeitalter hatte erstaunlich lange gewährt. Es ging zu Ende, als die Junan, die Kaiser des neuen östlichen Rum und Verbündete der Habascha, weil sie schon lange die Zusammenhänge ahnten, auch hinter das Geheimnis der Monsunwinde und des Seeweges nach Hind kamen. Ein Unglück erscheint bekanntlich selten allein: Der Weihrauch war auf einmal weit weniger gefragt, und die Perser besetzten die alten Reiche Südarabiens. Zumindest sollten sie nicht lange Freude daran haben. Im Norden auf halber Strecke der Weihrauchstraße, in der einst von den Minäern gegründeten Niederlassung Jathrib, die sich jetzt nur noch Medina - die Stadt nannte, sammelte der Prophet Muhammad seine Scharen. Sie trugen das Feuer der Gewissheit in sich, niemand sah sich in der Lage ihnen zu widerstehen. Die alten Götter, aber auch die alten Tempel, Städte, Inschriften und Überlieferungen verdammten sie als kufi, Machwerk des Unglaubens aus den Zeiten der Unwissenheit. Was davon nicht zerstört wurde, zerfiel oder wurde als Baumaterial verwandt. Der Welthandel ging nun andere Wege, auf Straßen, die weitab durch nördliche Länder führten. Auch die Zentren der Macht lagen Tausende von Kilometern entfernt und jenseits der Wüste in Damaskus und Baghdad. Südarabien war zur abgelegenen, bedeutungslosen Provinz geworden. Der neue Name für das ganze Land drückte genau dieses aus: Jemen, was hieß "rechts", rechts von Mekka, wovon sonst?

      Es wurde jetzt zu einem sonderbaren Land am Rande der Welt. Jahrtausende von Kultur und Geschichte ließen sich nicht einfach in die Verbannung schicken. Heimliche Kultstätten, Relikte alter Riten und Bräuche hielten sich weit länger als irgendwo sonst. Große jüdische Gemeinden konservierten ihr Eigenleben, abgeschnitten von ihren Glaubensbrüdern in der übrigen Welt, bis sie getreu der Verheißung auf Adlerschwingen nach Israel heimgeflogen wurden. Unangefochten lebten christliche Minderheiten, bis sie auf noch ungeklärte Weise verschwanden. Der Reste alter Städte, Staudämme, Bergwerke, Opfersteine und Burgen waren weit mehr, als selbst Generationen abtragen konnten. Manche bedeckte der Wind mit dem Sand der Wüste. Die Bewohner hegten den Glauben an Geister oder an märchenhafte Schätze darin, und argwöhnten allen Fremden, die sich ihnen auch nur näherten. Überhaupt Fremde, besser sie blieben fern, brachten sie doch nur Probleme. Wie sollte man gemäß dem Gastrecht für ihre Sicherheit bürgen, wo man doch des eigenen Lebens nicht mehr sicher war? Das Land war zerrissen und in den Händen von unzähligen kleinen Herren, deren Macht meist nicht weiter reichte als der Blick von den Zinnen ihres Husn. Gar zu viele suchten ihren Lebensunterhalt im Raub. Die Geschichte war im Lande „Rechts von Mekka“ stehen geblieben. Den Imamen der Zaiditen, einer schiitischen Sekte, war es gelungen, für sich eine Erbmonarchie zu etablieren. Mit jenem religiösen Eifer, der sich stets so gern mit dem Abscheu gegen alles Fremde und Neue verbindet, bewahrten sie im Jemen nahezu unverändertes orientalisches Mittelalter.

      Der Nimbus des mysteriösen, verbotenen Landes hatte die Vorstellung fremder Autoren und Leser mit diversen Geheimnissen bestückt. Von den tatsächlichen wurden einige durch Berichte bekannt, nur wenige näher besehen. Die meisten Fundorte waren nur nach dem Hörensagen in Karten eingetragen, bestenfalls flüchtig besehen, oft unter Lebensgefahr in Eile notiert und skizziert.

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