Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

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Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

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niemandem zuvor gestattet, so ohne Beschränkungen durch den Jemen zu reisen. Es sieht so aus, als wäre das Glück der Stunde mit uns. Übrigens, auch für den anderen Teil des antiken Südarabien haben wir eine vorläufige Zusage der Protektoratsverwaltung in Aden.“

      „Dann wären wir die ersten, die sich da unbehelligt umsehen könnten?“

      „Noch sind wir nicht da. Das Land hieß nicht umsonst über Jahrhunderte "das Verbotene". Alle Reisenden trafen bislang auf merkwürdige Hindernisse schon bei dem Versuch dort hinzugelangen. Wir sind ja auch gerade dabei, das erste zu überwinden.“

      Es war der Morgen des vierten Tages nach Marsa Alam. Wir studierten wieder einmal Karte und Tachometer mit dem Entschluss, ein weiteres, großzügiges Umfahrmanöver zu beginnen, da Halaib nicht mehr weit sein konnte. Gerade eben hatten wir damit begonnen, als aus den Sandverwehungen Männer auf schnellen Reitkamelen auftauchten. Das Gasgeben hätte Bernd sich sparen können. Es entsprach wohl auch mehr einem unwillkürlichen Fluchtreflex, denn dass da nichts Gutes auf uns zukam, war gar zu deutlich.

      Die Stadt der Dschinns

      Dschinns, das sind, wie hinlänglich aus den einschlägigen Geschichten bekannt, Geister und zwar keine guten. In den Tausend und einen Nächten wimmelt es nur so von ihnen. Sie sind jedoch nicht so fürchterlich wie Devs, vor denen man — wie ebenfalls dort nachzulesen — besser gleich auf Knie und Angesicht fällt, um sie respektvoll mit Dev-Effendi oder Dev-Hadratak je nach örtlichen Gepflogenheiten anzureden. Diese ausgewachsenen Dämonen scheinen, wie alle sonstigen unreinen Geister, besonders eitel zu sein und großen Wert zu legen auf bei jeder Gelegenheit entgegengebrachte Ehrfurchtsbezeugungen. An weiteren Fürchterlichkeiten gibt es da noch Ifrits, denen man teilweise nachsagt, sie wären auf Jungfrauen fixiert, oder Ghuls, die so abartig veranlagt sind, dass man besser gar nicht erst von ihnen redet. Wenn es einmal hart auf hart kommen sollte, so ist derjenige fein heraus, der in solch einem Augenblick das "Mu'auwidatan" zitieren kann. Aus glaubhaften Quellen wird versichert, wie daraufhin solchen Kreaturen ganz anders werde.

      Von besagten Dschinns ist bekannt, dass sie nicht derart beängstigend übermächtig sind, sehr wohl aber in der Lage arglosen Reisenden einen fürchterlichen Schrecken einzujagen. Ja von Haus aus scheinen sie sich geradezu an allerlei Schabernack gegenüber Menschen zu ergötzen.

      Über Suakin wussten wir bislang nur, dass es eine Geisterstadt war, nicht aber, dass dort auch Geister wohnten.

      In den letzten Tagen hatte es starke Regenfälle gegeben, was in diesen Gegenden sehr selten war, und so wurde unsere Fahrt durch die nicht endenden Pfützen des ungepflasterten Weges auf beiden Seiten des Wagens von erhabenen Wasserspielen begleitet. Wir gelangten an eine Bucht, in der sich das Bleigrau des Himmels wiederholte, und mitten darin lag kalkig weiß Suakin. Auf der anderen Seite angelangt hielt der Weg direkt auf die Stadt zu, der wir jetzt schnell näher kamen. Nun sahen wir auch, was es war, das der Ferne auf uns so anders und befremdlich erschien. Die meisten Gebäude, besonders die an der Wasserseite gelegenen, waren teilweise eingefallen. Einzelne Mauern oder Reste davon standen herum wie Zahnstümpfe in unregelmäßigem Rhythmus und mit ausgefressenen Kanten. Die ganze Stadt schien auf einer Insel zu liegen. Ein paar Männer kamen hervor und begrüßten uns. Sie wohnten hier auf dem Festland gegenüber Suakin. Wahrscheinlich Fischer, waren sie gerade mit Instandsetzungsarbeiten an umgedrehten Booten beschäftigt. Von ihnen hörten wir zum ersten Mal, dass in der alten Stadt Dschinns wohnten. Niemandem in diesen Breiten braucht man zu erläutern, was Dschinns sind. Wird doch schon kindliches Wohlverhalten mit dem Hinweis auf diese reguliert. Sie warnten uns, dort hinüber zu gehen. Um uns zu vergewissern, dass es nicht nur Gerede sei, machten wir die Probe und boten ein verlockendes Backschisch für eine Führung. Nicht dass sie unwillig oder gar unfreundlich waren. Es war nur so, dass die Furcht vor irgendetwas größer zu sein schien.

      Interessiert äugten wir hinüber. Drüben regte sich noch immer nichts. Nur eine Wasserstrasse trennte uns von der alten Stadt. Ein einziger Erddamm führte hinüber. Stumm und bewegungslos starrte uns ein Labyrinth von kalkweißen Mauerresten und Gebäudeteilen mit ihren leeren Fensterhöhlungen an, und spiegelte sich ebenso unbewegt im Wasser darunter. Nichts war daran, was an unsere Zeit erinnerte.

      „Was sollte schon sein?“,

      ermutigte O-Chang uns.

      „Es ist helllichter Tag, wir zu viert, und Geister, die haben sich bei genauerer Betrachtung, noch allemal als Projektionen erwiesen.“

      „Aber für alle Fälle“,

      fügte ich bei,

      „und falls die Natur der sogenannten Geister eine sehr diesseitige Erklärung haben sollte, bitten wir die Männer, wenn wir nicht bis zum Sonnenuntergangsgebet zurück sind, die Polizei zu rufen.“

      Reglos schauten sie uns nach, bis wir auf der anderen Seite in die Strasse hineingingen und die erste Biegung uns ihren Augen entzog. Ohne dass es darüber einer Absprache bedurfte, blieben wir eng zusammen. Schweigend und angespannt wachsam bewegten wir uns nach allen Seiten äugend in der Straßenmitte.

      Sobald wir von der Wasserfront fort waren, bemerkten wir mehr intakte Häuser. Alle jedoch hatten sie verschlossene Türen und Fenster. Außen an den Türen hingen große Vorhängeschlösser. Folglich mussten diese Häuser noch irgendwelche Besitzer haben, die aber nicht hier wohnten. Nirgends war auch nur ein lebendes Wesen auszumachen. Wir klopften an einige der Türen und riefen durch die Spalten im Holz hinein. Die einzige Antwort war manchmal der Widerhall unserer eigenen Stimmen von den nackten Wänden.

      „Eigentlich ist es eine sehr schöne Stadt von eigenartigem Reiz und verdiente als ganzes erhalten zu werden“,

      sinnierte ich. Unbeachtet blätterte der Putz von den Mauern, Risse bildeten sich und Teile der Wände stürzten ein. Manche mit Steinhaufen angefüllten Lücken zeigten, dass hier der Verfall schon vollendet war. Einstiger Reichtum war unverkennbar an den prächtigen, manchmal palastartigen Häusern. Die meisten besaßen schöne Ornamentverzierungen. Erlesene Muschrabien, von denen die schützende Farbe herabgerieselt war, überragten die Strassen, und die Sonne ätzte das Holz trocken und rissig. Die Strasse mündete in einen Platz.

      „Hier waren ja wohl die Machthabenden zu Hause“,

      deutete Bernd auf zwei kleine, dicke Eisenmörser auf Holzlafetten zu beiden Seiten eines Portals. Die gegenüberliegende Seite des Platzes nahm die Hauptsmoschee ein mit einem achteckigen Minarett. Dazwischen ragten an den Wänden Stangen ins Leere, die wohl einmal einen Balkon trugen und immer wieder Haufen von Bausteinen. Beißende Sonne, salzige Luft und der stete Wind vom Meer trieben ihr unaufhaltsames Zerstörungswerk. Nur die Moschee wirkte wie unberührt davon. War sie soviel solider gebaut, oder kümmerte sich doch noch irgendwer um ihre Erhaltung? Auch sie erwies sich als abgeschlossen und von allen Seiten unzugänglich.

      Der große Reisende Ibn Batuta kam um 1350 mit dem Boot vom gegenüberliegenden Mekka hierher. Er schilderte die Gegend als ziemlich heiß und öde, in der nur Strauße, Gazellen und Wildesel hausten. Die Stadt Suakin hatte in ihrer Umgebung weder Wasser noch Getreideanbau, nicht einmal Bäume. Wenn die Wasservorräte in den Zisternen aufgebraucht waren, musste Nachschub von weit her auf Schiffen herbeigeholt werden. Dafür hatte die Stadt viele Ziegen und trieb Handel nach Mekka mit Fleisch, Milch, Gazellenfellen und Straußeneiern.

      In manchen Gassen mussten wir über Berge von Mauersteinen steigen um weiter zu kommen. Sie waren dicker als die bei uns üblichen Ziegel und nahezu quadratisch. Einige Muschrabien lagen dadurch jetzt in Augenhöhe. Einst sehr fein gearbeitet waren sie eine kostbare Miniaturarchitektur in Holz, die sich nun langsam und unbesehen auflöste. Ihre zierlichen Gitter für sehnsüchtige

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