Anno 2100 - Moderne Kurzgeschichten und Gedichte über das 21. Jahrhundert. Gino Aliji

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Anno 2100 - Moderne Kurzgeschichten und Gedichte über das 21. Jahrhundert - Gino Aliji

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did we oversleep again?“, fragte ich sie mit einem piesackenden Ton, der mich sehr an meinen Vater erinnerte. Wie gewöhnlich fällt der Apfel nie weit vom Stamm.

      „No, no, I just wanted to close my eyes a bit longer before getting out of bed and then suddenly it was almost eight o’clock! I don’t know what happened“, sagte sie und schaute mich dabei mit einem teils entschuldigenden, teils humorvollen Blick an. Als Antwort bekam sie von mir ein Lächeln und dann eilten wir zusammen den üblichen Weg zur Schule entlang. Manchmal braucht es eben keine Worte, um sich zu verstehen.

      In unserem Klassenraum angekommen, begaben wir uns zügig an unsere Sitzplätze und packten unsere Schreibdisplays aus. Mrs. Kabahli hatte bereits mit dem Unterricht angefangen, aber sie tat so, als hätte sie uns nicht bemerkt und rollte nur leicht genervt die Augen.

      „Okay kids, listen up! As you all very well know, part of this term’s final exam will be to write an essay about this ark. Just write about what exactly we do here, and how you feel living on the Dou-nau.“

      Im Klassenraum war aus einigen Ecken ein leichtes Kichern zu hören. Mrs. Kabahli schaffte es nie, den Namen unserer Arche richtig auszusprechen. Aber sie war diese Reaktion von uns schon gewöhnt und ignorierte sie einfach. Als das Kichern aufgehört hatte, fuhr sie fort.

      „Your texts will not only be graded but we will also send them to other students on the Mississippi, the Yangtze, the Nile, the Amazon and even to students living on the continents as part of the ongoing exchange project. Of course, we will also receive their essays so we get to learn a bit more about what their lives are like.“

      Mrs. Kabahli machte eine kleine Kunstpause, um sicher zu gehen, dass auch alle Schüler die Aufgabe verstanden hatten. Das letzte Stückchen Information kam von ihr wie gewöhnlich zum Schluss.

      „One more thing. Because you are also supposed to write about your personal experiences on this ark, I would like you to write your essays in your native language. This will give your texts a nice personal touch.“

      Die Reaktion der Klasse darauf war gemischt. Aus einigen Ecken des Raums kam leises Jubeln, während andere Mitschüler nur ein genervtes Stöhnen übrig hatten. Obwohl wir alle genau wie unsere Eltern gewandte Sprecher der englischen Sprachen waren, wuchsen viele von uns mit anderen Muttersprachen auf. Da die Donau ein internationales Projekt war und Englisch somit die offizielle Verkehrssprache darstellte, gab uns dieses Schreibprojekt die Möglichkeit, unsere Muttersprachenkenntnisse etwas aufzupolieren.

      Ein Teil von mir freute sich über dieses Projekt, aber bei dem Wort „exam“ fühlte ich, wie sich eine gewisse Unlust in mir breit machte. Trisha neben mir schien plötzlich wenig begeistert von der Idee und beschwerte sich.

      „I don’t want some other people I have never met to read my texts! You can’t do that!“

      Mrs. Kabahli war anscheinend auf so eine Situation vorbereitet und entgegnete nur kalt: „If you don’t want to, you don’t have to. But I can promise that you’ll be missing out on something.“

      Dagegen hatte Trisha nichts mehr zu sagen und ich sah, wie ein Feuer in ihren Augen entfachte. Ich kannte sie nur zu gut und wusste, dass sie sich auf diese indirekte Herausforderung stürzen würde wie ein hungriger Hai.

      Nun hieß es also, wir sollten einen Aufsatz schreiben. Dieses Projekt war auf jeden Fall viel spannender, als die Schulbank zu drücken, und vor allem konnte ich hier meiner Kreativität freien Lauf lassen. Aber vor allem konnte ich es kaum erwarten zu lesen, wie es den Schülern auf den anderen Archen oder gar auf den Kontinenten erging. Bevor es allerdings so weit kommen konnte, musste ich zuerst mit meinem eigenen Text beginnen. Der Anfang eines Textes ist immer der schwerste Teil, aber ich hatte bereits eine gute Idee, wie ich dieses Problem umgehen konnte.

      Wieder zuhause angekommen, weckte ich zuerst KAI aus seinem Standby-Schlaf auf und bereitete mir ein leckeres Sandwich zu.

      „KAI, was kannst du mir über die Arche Donau erzählen?“

      KAI piepte einen Moment lang und gab mir dann eine Antwort, die ich überhaupt nicht hören wollte.

      „Der Leistungsgrad der Arche Donau beträgt 97%. Ihre Geschwindigkeit beträgt 24,2 Kilometer pro Stunde. Die Eigenrotation liegt bei 25,6 Zentimeter pro Sekunde. Die Kapazität ihrer Energiespeicher beträgt 93%. Die momentane Energiegewinnungsrate beträgt 79%. Die heute bereits eingesammelte Menge an Müll beträgt 1300,86 Kilogramm. Die Menge an—„

      „KAI, stopp. Das meine ich nicht.“ Ich schüttelte den Kopf und ärgerte mich innerlich darüber wie schwer von Begriff die modernen künstlichen Intelligenzen immer noch waren.

      „Ich meine, was kannst du mir über die Geschichte dieser Arche erzählen?“

      KAI piepte wieder einen Moment lang.

      „Passe Spracherkennungsalgorithmus an … Analysiere Anfrage erneut. Neue Antwort: Die Arche Donau ist eine von insgesamt fünf marinen Reinigungs- und Forschungsstationen, die zwischen 2043 und 2046 im Zuge des Eden-Projekts von der globalen Staatengemeinschaft konstruiert wurden, um als Antwort auf die globale Umweltkrise die Weltmeere von sämtlichem Kunststoffmüll und Verunreinigungen durch Erdöl zu befreien. Ihr Einsatz begann 2046 und ihre Funktionsdauer ist für einen Zeitraum von 50 Jahren ausgelegt. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie aufgrund ihrer enormen Größe zwischen 800 und 1000 Quadratkilometern auch Archen genannt. Sie fungieren ähnlich wie Generationsschiffe und sind nahezu autark, denn sie produzieren ihre eigene Energie aus erneuerbaren Ressourcen und werden von der fortschrittlichen Künstlichen Archenintelligenz – kurz KAI – gesteuert. Nach der Ausführung ihrer Reinigungsfunktion sollen die Archen weiter als marine Forschungsstationen genutzt und dadurch gleichzeitig zu den allerersten auf dem Meer befindlichen Forschungsmetropolen der Welt werden.“

      KAI gab einen kurzen Piepton von sich.

      „Sind noch mehr Informationen erforderlich?“

      „Nein, danke. Das genügt fürs Erste“, sagte ich und war schon tief in Gedanken versunken. Ich begab mich an mein Schreibdisplay und begann, die ersten Zeilen meines Aufsatzes zu tippen …

      ***

      Die Donau, mein Zuhause

      Im Jahr 2039 hatte die Menschheit einen ihrer schlimmsten Tiefpunkte der Geschichte erreicht. Erst ein Jahr zuvor war das Klima so warm geworden, dass die Temperatur an den Polen eine neue Rekordhöhe erreichte. Die Eiskappen an den Polen begannen nach und nach zu schmelzen und der Meeresspiegel weltweit stieg immer weiter an. Viele Menschen mussten ihr Zuhause an den Küsten verlassen, weil es in den Wellen der Ozeane versank.

      Zugleich hatte die globale Umweltverschmutzung in den Weltmeeren ihren absoluten Höchstpunkt erreicht. Über die vorangegangenen Jahrzehnte hatte sich so viel Erdöl und Plastikmüll in den Ozeanen angesammelt, dass man fast von einem Meer aus Plastik als von einem Meer aus blauen Wellen sprechen konnte.

      All das hatte natürlich auch Konsequenzen. Durch die zunehmende Erwärmung und Verschmutzung der Weltmeere kam es zu einem Artensterben, wie es die Menschheit bis dahin noch nie gesehen hatte. Zahlreiche Fisch- sowie Wal- und Delphinarten, aber auch ganze Korallenriffe und Seevogelarten waren innerhalb weniger Jahre vollkommen ausgestorben.

      Das gewaltige Massensterben in den Ozeanen betraf natürlich auch uns Menschen. Die Fischereien fingen kaum noch ausreichende Massen an Meerestieren ein und die kleinen Mengen, die sie noch einfangen konnten, waren schwer mit giftigen Fremdstoffen belastet.

      Kurz vor Weihnachten

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