Der Kaiser von Elba. Ole R. Börgdahl
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»Ganz recht. Wir werden selbst nach Fontainebleau reisen.«
»Dann brechen wir sofort auf?«
»Nein, das wäre zu auffällig«, erklärte Överste Kungsholm. »Es reicht, wenn wir morgen Abend ankommen.«
*
Es war mir ganz recht, den Tag noch in Paris verbringen zu können, obwohl mich Överste Kungsholm nicht sofort gehenließ, denn zwischen uns fiel zum ersten Mal der Begriff Nachrichtendienst, der nicht so verschwörerisch wie Geheimdienst klang. Der Överste erzählte mir nur, dass er Kontakt zum schwedischen Geheimdienst hatte, dass er auf niedrigster Stufe eingebunden war und ich auf noch niedrigerer Stufe ebenfalls dazugehören sollte. Es ging lediglich um Hilfsdienste und keines Falls um richtige Spionage. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen, schließlich wollten wir uns nach Fontainebleau begeben, dorthin, wo sich auch Napoléon Bonaparte aufhielt. Ich verstand nur, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns lenken sollten, so dass die richtigen Geheimagenten unentdeckt blieben.
Gegen fünf Uhr verließ ich die Stadtvilla. Mein Pferd blieb jedoch bei guter Versorgung in den Stallungen des Quartiers und so schlenderte ich zu Fuß durch den Park. Draußen vor dem Tor mit dem Wachposten suchte ich in meiner Kleidung nach Michas Zettel. Einer der Soldaten warf einen Blick auf die Notiz und erklärte mir sogleich, wie ich die Anschrift finden konnte. Auf den Straßen war nicht viel los und so kam ich gut voran. Ich verlief mich allerdings noch zweimal, wagte es aber nicht, einen Pariser Bürger anzusprechen, da ich ja eine fremde Uniform trug und die Blicke ohnehin auf mich gerichtet schienen.
Als ich fast da war, hörte ich schon ein Rufen. Ich sah mich um, dann nach oben zu einer der Fensterreihen im zweiten Stock des Hauses, und da winkte Micha. Er gab Zeichen und lotste mich zu einem Tor, durch das es in einen Innenhof ging. Ich sollte dort eine Stiege finden und so war es auch. Micha und seine Kameraden bewohnten das ganze Obergeschoss des Hauses. Die Unterbringung war so großzügig, dass immer nur zwei Männer in einem Zimmer logierten. Micha zeigte mir alles und stellte mich seinen Kameraden vor. Und da erkannte ich einige Gesichter wieder, Soldaten, mit denen ich vor ein paar Tagen gegen Paris gezogen war. Ich erfuhr auch, dass die Eskadron keine Verluste erlitten hatte. Es gab ein paar Verletzte und tatsächlich sah ich einige von Michas Kameraden mit Verbänden an Armen, Beinen und Kopf.
»Wir feiern heute ein Fest«, erklärte Micha schließlich, der seinen Arm nicht mehr in der Schlinge trug.
»Das hört sich gut an und wo geht es hin?«
»Nirgends, wir bleiben hier. Wir werden den Hof schmücken, warten noch auf ein paar Gäste und schließen dann das Tor ab.«
Bei dem Wort Gäste zwinkerte er mir zu und ich verstand gleich, was er meinte.
»In Paris gibt es so wunderschöne Frauen. Wir haben ein paar eingeladen, du wirst begeistert sein.« Micha schnalzte mit der Zunge.
Mir war schon klar, von was für Damen er sprach. Während meines Kriegszuges war mir diese Art von Einladung in so mancher kleinen und großen Stadt begegnet. Ich selbst hatte bisher noch nie davon Gebrauch gemacht. Und ich hatte auch diesmal vor, das Trinken, Tanzen und Lachen mit Michas weiblichen Gästen zuzulassen, mehr allerdings nicht. Unwillkürlich musste ich an Bellevie denken, obwohl sie mit dieser Entscheidung nichts zu tun hatte.
Ich bot mich schließlich an, beim Aufbau des Festes zu helfen. Fast das gesamte Mobiliar aus dem oberen Stockwerk wurde nach unten in den Hof gebracht, Stühle, Tische, Bänke und sogar ein paar teure, lederne Sessel. Ich beobachtete, wie eine riesige Feuerstelle mitten auf dem Hof eingerichtet wurde. Ein ganzer Wagen Brennholz kam hereingefahren, wurde von einem Teil der Männer entladen und von zwei weiteren fachmännisch gestapelt. Als es darum ging, ein Metallgestell über der Feuerstelle aufzurichten, half ich wieder mit. Zu meiner großen Überraschung wurde dann ein ganzer Ochse in den Hof gebracht. Das Tier war bereits gehäutet, ausgenommen und kopflos und so wurde es aufgespießt und gleich darauf das Feuer angefacht.
Eine halbe Stunde später durchzog ein herrlicher Duft den Hof und nicht nur mir lief das Wasser im Munde zusammen. Die Vorbereitungen zum Fest gingen weiter und da das Mobiliar aus der Unterkunft nicht reichte, wurden noch zwei Wagenladungen mit Tischen und Bänken hinein in den Hof gefahren. Dann kamen weitere Speisen, Brot, gekochte Kartoffeln, sogar mehrere Töpfe Reis, je zwei Säcke Rote Bete und Kartoffeln und reichlich anderes Gemüse wie Zwiebeln, Weißkohl, Karotten und Tomaten. Auf einer zweiten Feuerstelle wurde ein Wasserkessel angeheizt und ich ließ mir die Zubereitung von Borschtsch erklären, bei dem Schmand oder saure Sahne nicht fehlen durfte.
Ich merkte nicht, wie die Zeit verging. Es dämmerte bereits, als einige von Michas Kameraden zu ihren Instrumenten griffen. Trommeln, Gitarren und vor allem Fiedeln. Die ersten Lieder wurden angestimmt, als vom bereits geschlossenen Tor ein Raunen zu mir drang. Die weiblichen Gäste waren eingetroffen. Die Musik spielte kurz lauter auf, die Männer gruppierten sich auf der einen Seite des Hofs, die etwa dreißig bis vierzig Damen auf der anderen Seite. Jemand sprach eine Begrüßung aus, dann Jubel und Lachen und die Gruppen vermischten sich. Die Damen wurden an die Tische geführt, es wurden ihnen Teller gereicht, aufgetragen und das Essen begann, begleitet von Musik.
Micha und ich schauten uns noch um. Es waren überwiegend junge Frauen gekommen, nicht zu leger aber auch nicht zu zugeknöpft gekleidet. Es waren durchaus recht hübsche Damen darunter und zwei von ihnen entdeckten Micha und mich. Sie lächelten uns an, fanden durch die Menge den Weg zu uns und blieben zögerlich vor uns stehen.
»Die wollen tanzen«, sagte Micha zu mir und schon hatte er die hübschere von beiden an den Händen gepackt und führte sie in Richtung Musik.
Ich zögerte noch, was mein Fehler war, denn ein schlanker Kavallerist kam mir zuvor. Er grinste mich an, machte eine entschuldigende Geste und war schon mit der Dame verschwunden. Ich grollte ihm nicht, denn, wenn ich gewollt hätte, wäre später auch ein Tanz für mich dabei gewesen. Die Tanzpaare wechselten häufig, bis die Musik eine Pause machte. Der Ochse verlor immer mehr an Gewicht und ich labte mich ebenfalls kräftig an dem gut gerösteten Fleisch. Der Borschtsch schmeckte mir anfangs nicht so gut, was sich änderte, nachdem ich von Bier auf einen russischen Kartoffelschnaps umgestiegen war, den mir Micha immer reichlich nachschenkte.
Zum Glück konnte ich ihn noch rechtzeitig aufhalten, mich vollends betrunken zu machen. Ich genoss das Fest, die ausgelassene Freude der Soldaten, das gute und reichliche Essen. Und zu später Stunde hatten sich immer mehr Pärchen gebildet, die sich dezent zurückzogen. Mehr will ich darüber nicht berichten, nur das sich Micha und ich und eine kleine Gruppe der Übriggebliebenen bei Klampenmusik Geschichten erzählten. Es ging natürlich um den Krieg, um die Verteidigung der russischen Heimat. Ich erfuhr mehr über die Schlachten und über den Triumph, den der Zar letztendlich über den großen Napoléon errungen hatte. Ich selbst erzählte von meiner Gefangenschaft in Erfurt und von meiner Flucht. Die Kameraden stießen daraufhin immer wieder mit mir an, allerdings mit Bierhumpen und nicht mit dem teuflischen Schnaps.
Mit der Zeit ebbte das Fest ab. Gegen Mitternacht zogen sich immer mehr von Michas Kameraden zurück. Und auch mir wurde eine Lagerstatt im Haus angeboten, doch ich erklärte, ins schwedische Hauptquartier zurückkehren zu müssen. Micha wollte mich unbedingt begleiten und schon schloss sich ein Dutzend der noch verbliebenen Männer an. Wir hatten zwar kräftig getrunken, aber waren während der Erzählungen unserer Kriegserlebnisse wieder weitgehend nüchtern geworden. Unser kleiner Tross marschierte durch die Pariser Gassen und Straßen und ich kann behaupten, dass wir nicht allzu laut waren, was dennoch nicht angemessen für die späte oder vielmehr frühe Stunde schien.
Erst als wir in die Nähe einer noch geöffneten Kneipe kamen, wurden unsere