Ich nannte dich Kate. Nicole Beisel

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Ich nannte dich Kate - Nicole Beisel

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wird schon nichts Ernstes sein, sagte sie sich selbst. Es sind nur ein paar Herzstolperer, mehr nicht. Heutzutage hat doch jeder mal Herzrhythmusstörungen.

      Das letzte vorhandene Marmeladenglas landete im Kühlschrank an seinem festen Platz ehe Betty in ihr dunkelblaues Kleid schlüpfte und sich auf den Weg zur Bushaltestelle machte. Zum Glück war der Weg nicht allzu weit. Dr. Hayes' Praxis war nur wenige Bushaltestellen von ihrem Haus entfernt, und unter normalen Umständen hätte Betty diesen Weg zu Fuß bewältigt. Aber da sie sich körperlich noch immer nicht ganz wohl fühlte und sie zudem deutlich spürte, dass sie an diesem Tag kein Frühstück zu sich genommen hatte, hatte sie beschlossen, den Bus zu nehmen.

      Dr. Hayes war ein netter verheirateter Mann Mitte fünfzig, der alle seine Patienten genauestens kannte und immer den richtigen Ratschlag parat hatte, was die guten alten Hausmittelchen betraf, auch wenn diese selbstverständlich nicht immer die geeignete Lösung für das eigentliche Problem waren. Sein Haar war in den letzten Jahren zunehmend grauer geworden und sein Bauch immer runder, aber der Blick in seinen Augen war gütig und herzlich wie eh und je. Genau das zeichnete sich auch in der Einrichtung seiner Praxis ab. Die Schränke waren neutral und einfach, aber nützlich, während das Wartezimmer mit Stühlen und einem Tisch aus Holz ausgestattet war. Man konnte sich dort beinahe heimisch fühlen. Kaum zu glauben, dass in diesem Raum Menschen saßen, die an manchen Tagen, in manchen Momenten sicher auch Angst empfanden. Genau wie Betty an diesem Morgen, auch wenn sie sonst sehr zuversichtlich ist.

      "Guten Morgen, Mrs. Wellington. Nehmen Sie doch schon einmal im Wartezimmer Platz, Sie werden gleich aufgerufen." Betty war schon immer in dieser Arztpraxis gewesen und hatte nie einen Grund gesehen, den Hausarzt zu wechseln. Auch die Angestellten, die teilweise noch recht jung waren, kannten sie mittlerweile recht gut. Viele Menschen in ihrer näheren Umgebung kannten sie vom Sehen oder hielten nach dem Einkaufen noch einen kurzen Plausch vor dem Supermarkt mit ihr. Betty galt stets als sehr hübsche und gutaussehende Person, sehr höflich und aufmerksam im Umgang mit anderen. Man könnte fast meinen, die Menschen, denen sie hier und da begegnete, hätten einen gewissen Respekt vor ihr gehabt. Betty hatte nie die Absicht gehabt, arrogant zu wirken oder auf andere den Eindruck zu machen, als hielte sie sich für etwas Besseres. Betty war schlicht und einfach eine liebenswerte Person, und als solche wurde sie auch angesehen.

      Kaum hatte Betty auf einem der alten Holzstühle Platz genommen, wurde sie auch schon wieder aufgerufen. Das Wartezimmer war spärlich besetzt; lediglich zwei weitere Patienten warteten auf ihren Termin bei Dr. Hayes und obwohl Betty gerade erst in die Praxis gekommen war, wurde sie gleich drangenommen. Betty hatte beinahe ein schlechtes Gewissen den anderen Patienten gegenüber, aber schließlich lag die Reihenfolge der Patienten, die Dr. Hayes zu sich hineinbat, nicht in ihrer Hand. Betty ärgerte sich beinahe darüber, dass sie sich nicht mal für eine Minute hatte setzen können, war jedoch andererseits auch froh darüber, dass sie scheinbar bald erfahren würde, was ihr fehlte, sofern dies tatsächlich der Fall war. Betty war sehr gespannt auf das, was der Arzt ihr zu ihren Beschwerden sagen würde und erkannte zum ersten Mal, soweit sie sich erinnern konnte, dass sie Angst davor hatte, das Behandlungszimmer zu betreten.

      In diesem Moment wünschte sie sich, Linda wäre bei ihr. Dabei soll gerade sie vorerst nichts von diesem Arztbesuch erfahren, schließlich hat sie gerade eigene Sorgen.

      Sorgen, die zugleich auch Bettys Sorgen waren, verborgen im Herzen einer jungen blonden Frau, die sie nicht kannte.

      Der Notizzettel

      Während Dr. Hayes Betty herzlich in Empfang nahm und sie nach ihrem Befinden fragte, ging Linda ihrer Arbeit in der Bank nach. Sie machte ihre Arbeit gut und professionell, wie immer, und doch war sie mit ihren Gedanken ganz woanders, wenngleich sich ihre Gedanken ebenfalls mit ihr im Bankgebäude befanden. Aber ihre Gedanken kreisten nicht um ihre Arbeit oder um die Kunden, die heute an ihrem Schalter in der Schlange standen, um Geld auf ein Konto einzubezahlen, eine Überweisung zu tätigen oder um zahlreiche Geldscheine in eine andere – aufgrund der kurzen Entfernung zu Calais meist in die französische – Währung umtauschen zu lassen. Die Gedanken in ihrem Kopf kreisten um den vorangegangenen Tag, um eine Frau, die ihr nicht mehr aus dem Sinn wollte, obwohl sie sie nicht kannte und es auch sonst keinen Grund gab, warum Linda so viele Gedanken an eine einfache Kundin verschwenden sollte. Und doch tat sie es, ungewollt, und sie wusste nicht, was sie dagegen tun konnte. Linda verstand noch immer nicht, wie diese Frau sie so sehr faszinieren konnte.

      Der frühe Feierabend nahte, und Linda beschloss, Mr. Watts rechtzeitig abzufangen, bevor er zur Tür hinausging. Es war Freitagmittag und wenn sie ihn jetzt nicht auf diese Kundin ansprach, würde sie ein ganzes Wochenende lang warten müssen, bis sie möglicherweise mehr oder weniger hilfreiche Informationen in Erfahrung bringen konnte. Schnell eilte sie hinter dem Schalter hervor und lief auf sein Büro zu, das er gerade verlassen wollte. Ein wenig überrascht schreckte der Finanzberater zurück, als er Linda schnellen Schrittes auf ihn zukommen sah.

      "Linda! Ist etwas passiert?" Er sah den unsicheren Blick in ihren Augen, der ihn ein wenig stutzen ließ. Schnell versuchte sie ihn diesbezüglich zu beruhigen, obwohl sie noch immer sehr unsicher war. Einerseits kam sie sich fast ein wenig dumm vor, weil sie einen ihrer Kollegen über eine Kundin ausfragen wollte, aber andererseits hatte sie das tiefe Bedürfnis, mehr über diese Frau herauszufinden, auch wenn sie nicht genau wusste, wozu das führen sollte.

      "Nein, nein. Alles in Ordnung. Aber vielleicht könntest du mir trotzdem helfen, Tony." In dieser Bankfiliale war es nicht unüblich, dass die Mitarbeiter, die keinen allzu großen Altersunterschied hatten, sich beim Vornamen nannten. "Gerne. Worum geht's?" Linda musste schlucken, ehe sie sich endlich traute, ihre Fragen laut auszusprechen. Sie wusste nicht, welche Informationen Tony ihr geben konnte und sie wusste genauso wenig, welche Antworten auf ihre Fragen sie sich erhoffte, aber es gab ihr ein gutes Gefühl, überhaupt jemanden fragen zu können.

      "Erinnerst du dich an die Frau, die gestern Abend bei dir war? Ich hatte sie in dein Büro geführt. Wie hieß sie doch gleich? Jones…?" Verwundert sah Tony seine junge Kollegin an. "Ja, Fiona Jones. Was ist mir ihr?" Oh Gott, gleich werde ich mich blamieren, dachte Linda. Wie sollte sie ihm denn nur erklären, dass sie immer und immer wieder an diese Frau denken musste, obwohl es offensichtlich keinen Grund hierfür gab? Linda gab sich einen Ruck und fuhr fort. "Das würde ich dich gerne fragen. Es ist mir wirklich unangenehm, aber sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf." Tonys Blick verwandelte sich von Verwunderung in Ratlosigkeit, ehe er sie mit einem schmunzelnden und zugleich beinahe enttäuschten Gesichtsausdruck ansah. Linda konnte nicht glauben, dass ihr Kollege so etwas von ihr dachte und stellte seine erste Vermutung schnell richtig. "Oh, nein, Tony. Nein, es ist nicht das, was du jetzt denkst. Ich kann es mir ja selbst nicht erklären. Ich habe nur wenige Worte mit ihr gewechselt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie nicht kenne und auch noch nie gesehen habe, aber trotzdem fühlt es sich so an, als gäbe es eine Verbindung zwischen uns. Ich weiß auch nicht… sie zieht mich in eine Art Bann. Anders kann ich es dir auch nicht erklären…" Hilflos rang Linda nach weiteren Worten, die einer Erklärung gleich kamen, aber ihr fiel nichts weiter dazu ein. "Oh, verstehe." Tony glaubte selbst nicht an seine eigenen Worte, aber er wollte Linda nicht noch weiter in Verlegenheit bringen indem er ihr Fragen stellte, die sie sich selbst kaum beantworten konnte.

      "Und was genau möchtest du wissen?" Linda überlegte. Es gab so vieles, das sie wissen wollte über diese Person, die seit beinahe 24 Stunden in ihrem Kopf herumschwirrte. "Nun ja, wo kommt sie her? Ist sie von hier? Wo arbeitet sie? Hat sie eine Familie? Möchte sie ein Haus kaufen? Wie alt ist sie? Ach, bitte sag mir alles, was du über sie weißt und was du mir sagen kannst." Flehend blickte sie ihrem Kollegen in die Augen. Es schien Linda wirklich sehr wichtig zu sein, mehr über seine Kundin zu erfahren, aus welchem Grund auch immer. Seufzend stellte er seine Aktentasche wieder ab und bot Linda einen Platz an, ehe er selbst sich in seinen schweren ledernen Bürosessel fallen ließ und

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