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Blumenstiel ähnlich: „Schon die Tatsache, dass er sich nicht nur auf seinem Briefkasten als von Blumenstiel tituliert, beweist mir nicht den abgebrühten Hochstapler, der sich gesellschaftliche und finanzielle Vorteile durch seinen Selbstadel verspricht, sondern eher einen alten Mann, der akzeptiert und geachtet sein möchte.“

      Eine nicht so wohlwollende Meinung über Niels Blumenstiel vertrat der Küchenmeister Hubert Nagel und begründete dies mit der Unterstellung, dass er, Nagel, sich tagtäglich abarbeiten müsse, während Parasit Blumenstiel nur sporadisch für den eigenen Lebensunterhalt sorge. Ganz von der Hand konnte man das nicht weisen, es war aber doch stark übertrieben.

      Laut Bruder Holger hatte Blumenstiel bis zu seinem Abgang sogar ein Girokonto unterhalten, auf dessen vorgefundenen Kontoauszügen das Bemühen abzulesen war, genügend Guthaben vorzuhalten, um die laufenden Kosten bestreiten zu können. Niels Blumenstiel betätigte sich als Gelegenheitsarbeiter mit ständig wechselnden Arbeitsstellen. Beispielsweise konnte man ihn als Mitarbeiter eines Hausmeisterservice einen Rasen mähen, in der Garderobe des Theaters die Mäntel in Empfang nehmen oder auch schon mal im Advent einen Weihnachtsbaum verkaufen sehen.

      Ein Auto besaß Niels Blumenstiel, der sich so gerne ganz ernsthaft von Blumenstiel nannte, nicht. Er legte in der Regel auch längere Strecken zu Fuß zurück. Den Stadtbus nutzte er lediglich, wenn er ausnahmsweise eine sperrige oder schwere Last zu transportieren hatte.

      Rosa Nagel pflegte zu Blumenstiel ein gutnachbarschaftliches Verhältnis und hatte von ihm eine wesentlich bessere Meinung als ihr Gatte Hubert. „Herr von Blumenstiel hat so etwas Visionäres“, versuchte sie ihre Einschätzung zu erläutern.

      Und Stefanie Bogert machte keinen Hehl daraus, dass sie Blumenstiel mochte. „Der alte Knabe wird früher sicher die Mädchen angezogen haben, wie das Gute und Schöne einen Ästheten“, vermutete sie und machte dabei ein Kussmündchen.

      Feindselige Missachtung trifft als Beschreibung die gegenseitigen Abneigungen Niels Blumenstiels versus Frau Doktor Mona Lisa Pechstein-Schwefels wohl am besten. Das kam nicht von ungefähr, man kannte sich aus der Jugendzeit.

      Als Frau Doktor Mona Lisa Pechstein-Schwefel in Goldmanns Haus eingezogen war, hoffte Niels Blumenstiel, dass sie ihn nicht wiedererkannte. Doch sie sprach ihn direkt auf ihre eher flüchtige Bekanntschaft an und bemerkte abschließend: „Ich bin außerordentlich erleichtert, dass Sie sich nicht auch noch übermütig Doktor von Blumenstiel nennen.“

      Blumenstiel hatte geantwortet: „In Ihren Kreisen kennt man sich ja auch diesbezüglich bestens aus; wohl die wenigsten von euch dürften so wirklich lauter sein.“

      Frau Doktor Mona Lisa Pechstein-Schwefel war eine renommierte Konfliktforscherin und wusste mit der Situation umzugehen, indem sie süffisant lächelnd Niels Blumenstiel stehen ließ und ihn fortan ignorierte.

      Blumenstiels Bruder Holger war Frau Doktor Mona Lisa Pechstein-Schwefel zwar persönlich nicht bekannt, er erinnerte sich aber, dass vor Jahrzehnten sein jugendlicher Bruder Niels berichtete, dass ihm Leonardo da Vincis Mona Lisa Leid täte, weil die Eltern einer Revolutionärin vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund keine größere Geschmacklosigkeit unter Beweis hätten stellen können, als ihre hässliche Tochter auf den Namen Mona Lisa taufen zu lassen.

      „Mein Bruder Niels trieb sich damals mit seinen sechzehn, siebzehn Jahren unter den Studenten herum“, berichtete Bruder Holger und fuhr in der maschinenschriftlichen Biographie ausführlich fort:

      „Wir, mein Bruder und ich, kamen zwar nicht aus der Gosse, aber nicht weit davon entfernt. Wir hungerten auch nicht, wurden aber lediglich kostengünstig und obendrein falsch ernährt. Naja, wir entstammten unterstem Proletariat. Unser Vater leitete seine schier endlosen politischen Reden stets klassenbewusst mit den Worten ein: ‚Ich als Prolet sage …‘.

      Eine Kommilitonin und Genossin der Studentin Mona Lisa Pechstein hieß Lorena und war von der Natur mit ganz besonderer Schönheit bedacht worden. Mit ihren Genossinnen und Genossen hatten sie gemeinsam gegen den Vietnamkrieg demonstriert, Häuser besetzt, die Polizei mit Steinen beworfen, Schaufensterscheiben demoliert, die Meinungen anderer niedergeschrien, gegen das Establishment randaliert und sonstige revolutionäre Gedanken in die Tat umgesetzt.

      Lorena und Niels hatten etwas Gemeinsames, nämlich ihren Geburtstag am gleichen Tag, wobei Lorena wohl vier bis fünf Jahre älter gewesen sein dürfte. Mein Bruder Niels sagte damals, dass Lorena in zweierlei Hinsicht Interesse an ihm gehabt habe.

      Erstens sei er ihr Studienobjekt aus sozial schwachem Umfeld gewesen, das es galt radikal im sozialistischen Geiste zu revolutionieren. Niels gab zwar zu, dass er von der klugen Lorena viel Brauchbares gelernt hätte, aber er fragte sich auch ungläubig, warum er, wie Che Guevara im afrikanischen und bolivianischen Urwald, eine Arbeiterklasse befreien sollte, die sich weder für den Sozialismus begeistern wollte, noch besonders unfrei wähnte.

      Und zweitens gab es in der revolutionären Epoche natürlich auch eine sexuelle Revolution. Niels gestand auch diesbezüglich ein, dass er von der schönen Lorena viel Brauchbares gelernt hätte. Gerne erinnerte er sich später an die gemütliche Matratzenecke in der Wohngemeinschaft. Allerdings hatte er stets das ungute Gefühl, zusammen mit Lorena von mehr oder weniger zugekifften Kommunardinnen und Kommunarden überrascht zu werden. Deren hemmungsloser Begierde nach Gruppensex stand Lorena zum Glück ablehnend gegenüber.

      So jung Niels auch war, erkannte er aber doch, dass seine verliebte Beziehung zu Lorena nicht von Dauer sein würde. Spätestens dann, wenn Lorena ihren Langen Marsch durch die Instanzen angetreten hatte, bei dem etappenweise der große Vorsitzende Mao im Geiste mitmarschieren würde, trennten sich ihre Wege in voneinander sehr verschiedene Welten.

      So lange wollte er aber nicht warten. Noch einmal traf er sich mit Lorena in der Matratzenecke und wohnte anschließend ein letztes Mal an der Formulierung einer Grußadresse bei; die war an die bewaffneten Werktätigen einer Betriebskampfgruppe der DDR als Glückwunsch für Planerfüllung und als Dank für die Kampfbereitschaft zur Verteidigung der Errungenschaften des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaats gerichtet.

      Danach setzte er sich in die Bahnhofsgaststätte und versoff seine letzten Kopeken, fiel vom Stuhl und schlief ein. Anderntags musste ich Niels aus der Ausnüchterungszelle der Bahnpolizei abholen. Ab jetzt bemühte er sich, Lorena erfolgreich aus dem Wege zu gehen.“

      Der weitere Lebensweg von Niels Blumenstiel ist schnell erzählt und - besser noch - schneller zusammengefasst: Er schaffte es nicht, erfolgreich zu sein. Vielleicht wollte er es auch nicht.

      Der verschollene Blumenstiel brachte sich zwei Jahre nach seinem Verschwinden spontan bei Heinz Goldmann in Erinnerung, als der während des Frühstücks in der Tageszeitung las, dass die Leiche eines älteren Mannes bei Lauenburg aus der Elbe geborgen werden musste.

      Goldmann behielt seine unerklärlichen Befürchtungen nicht für sich. Als er sie Rosa Nagel offenbarte, war diese sehr erschrocken. „O Gott, der arme Herr von Blumenstiel“, ängstigte sie sich.

      Die Ahnungen der beiden sollten sich bestätigen. Und die Leiche wurde von Holger Blumenstiel als sein Bruder Niels identifiziert. Ein Fremdverschulden wurde kriminaltechnisch ausgeschlossen.

      Das Treffen mit Hildchen

      Es ist mir unangenehm und ich bedauere, dass ich als Einstieg in diese kleine Geschichte meine Bankgeschäfte thematisieren muss. Aber es geht kein Weg daran vorbei, weil ich von einer Überraschung erzählen will, die ich in meiner Bank erlebte.

      Seit ich mich am Onlinebanking beteilige,

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