Eine Frau schon in den Jahren und andere Mördergeschichten. Beate Morgenstern

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Eine Frau schon in den Jahren und andere Mördergeschichten - Beate Morgenstern

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was ist daran so komisch?, erkundigte er sich. Ich sorge mich um dich. Was ist daran komisch!

      Eigentlich nichts, gab sie zu. Es ist nur, es ist nur ...

      Ja?

      Es passiert so oft.

      Aha.

      Es ist doch auch schön, sagte sie. Und es war ja auch schön. Wollte sie einen Mann, den es nicht bekümmerte, wie es ihr ging? Gewiss nicht.

      Sie kehrten um. Das Gehen wurde ihr immer schwerer, sie schleppte ihre Füße, die sie sonst so flinken, gefälligen, fast flog sie mit ihnen. Nun wollten sie ihren Dienst aufsagen. Er verlangsamte das Tempo.

      Du hast dich überschätzt, sagte er. Ich hätte meinen Gedanken umzukehren, vor dir haben sollen!

      Er hatte es gut heraus, durch eine ironische Wendung sein Gesicht zu wahren. Sie nahm das Friedensangebot dankbar an. Sie war jetzt so schwach. Im Treppenhaus wollte sie sich auf einer Stufe ausruhen. Geh schon mal vor, sagte sie. Er drängte sie nicht, wie sie es sonst gewohnt war, ihr beizustehen, sie zu stützen, ja die Treppe hochzutragen, wozu er in der Lage war. Er hatte Bärenkräfte. Sie hangelte sich am Geländer von Stufe zu Stufe. Das Treppenhaus nahm nicht viel Platz ein, was den Wohnungen zugutekam. Die Wände, die Treppenstufen auf gemeinsamen Beschluss der Eigentümer in einem Orangeocker gestrichen, die Kokosläufer grün, die schön geschnitzten Türen und Türrahmen ebenfalls grün. Das Ganze etwas dunkel, aber anheimelnd. Dass sie zu Hause war, half ihr. Er könnte schon mal nach mir schauen, dachte sie. Gleichzeitig gefiel es ihr, dass er sie auf ihr Geheiß hin im Stich ließ. Sie setzte sich nun noch öfter hin. Es wurde eine Probe, wann er nach ihr sah.

      Sie ahnte nicht, dass er hinter der Tür stand und sich bezwang, nicht nachzuschauen, wo sie blieb, dass ihr Lachen vorhin ihn tief getroffen, ja erschüttert hatte.

      Die Wohnungstür stand offen. Sie trat ein. Er offenbar in seinem Atelier. Etwas merkwürdig schon, dass er sich nicht um sie kümmerte. Die Wohnung quadratisch geschnitten. Durch zwei der hohen Räume hatten sie einen Durchbruch gemacht. Sie waren nun wie ein einziger Saal und dienten ihm als Atelier. Auf der anderen Seite ihr gemeinsames Schlafzimmer, das Vierte war ihres. Von der Diele in der Mitte der Wohnung ging übereck übergangslos die Küche ab. Ein langer Tisch, lange Bänke. Luden sie Gäste ein, wurde hier in der Küche gefeiert.

      Sie ging in ihr Zimmer, legte sich auf die Couch, schaute in den Nussbaum. Bald würde er so gewachsen sein, dass er ihr alle Aussicht nahm. Sie hasste den Nussbaum. Den Bewohnern unter ihnen nahm er schon die Sicht in den Hof. Er würde ihren winzigen Balkon bedrängen. Vielleicht half irgend so ein Fungizid oder wie das Teufelszeug sich nannte. Sie sollte Bäume ja lieben, setzte sich für den Erhalt der natürlichen Umwelt ein. Aber wenn ihr eigener Lebensraum eingeschränkt wurde, hörte die Toleranz auf. Sein Atelier der Straße zu. Da störte kein Baum. Er brauchte Licht seiner Arbeit wegen und hatte welches. Sie war von Sonne abhängig, ging auch im Winter ins Bräunungsstudio, um ihre bleiche Gesichtsfarbe aufzubessern, wurde dennoch nicht besonders braun. (Er hingegen sah nach den ersten Sonnenstrahlen wie ein Südländer aus.) Matt war sie. Aber das war ja normal. Sie schaltete wie üblich den Klassiksender an. Ein Konzert wurde übertragen. Sie nahm sich eine Decke, schlief ein. In der Nacht wurde sie wach. Immer noch lief das Radio. Sie holte sich aus dem Kühlschrank ein Glas Saft, bekam darüber Hunger, schnitt sich vom Käse ab und ging dann ins Schlafzimmer. Er hatte es offenbar vorgezogen, in seinem Atelier zu schlafen, was er sonst nie tat. Aber sie wollte sich keine Gedanken machen. Sie brauchte ihren Schlaf.

      In den nächsten Tagen kam er nur, um sich etwas zu essen zu holen. Er offenbar in einer guten Phase, redete allerdings mit ihr nur das Notwendigste, erkundigte sich nicht, ob es ihr wieder besser gehe. Nichts. Auch sie fragte nicht nach seiner Arbeit, wie sie es sonst tat. Mal zeichnete er sie in der Küche. Bleib so sitzen, sagte er. Seine Augen glitten beim Zeichnen über sie weg, als sei sie irgendein Gegenstand. Was ist?, fragte sie schließlich. Bist du mir böse?

      Er schüttelte den Kopf, sah sie jetzt aber voll an. Der Ausdruck in seinen Augen vielleicht schwermütig. Dieses Gesicht mit dem dunklen Stoppelbart, der Nase, die sich der linken Gesichtshälfte zuneigte, dem höher stehenden, größeren Auge. Es war ihr vertraut. Sie meinte immer, sie könne alle Stimmungen herauslesen. Doch er hatte es abgeschlossen, so dass sie zu seinen Gedanken keinen Zugang hatte. Ich wüsste auch nicht, weshalb. Ich bin dir ja auch nicht böse, fügte sie hinzu.

      Schön, sagte er.

      Aber irgendetwas stimmt nicht. Nicht reden!, ermahnte er.

      Sie gehorchte. Wenn er arbeitete, durfte man nicht den Mund aufmachen. Dann sagte sie sich, dass sie aus der Tatsache, dass er sie zeichnete, schließen konnte, er wandte sich ihr zu. Eigentümlich aber war schon, mit welcher Distanz er sie plötzlich behandelte.

      Als er eines der Blätter weglegte, wagte sie, wieder zu reden: Ich werde mich für die nächste Woche gesundschreiben lassen.

      Ja.

      Eingekauft müsste werden, das Übliche. Wenn du das übernehmen könntest. So gut fühle ich mich noch nicht.

      Ja.

      Ja, du machst es oder ja, du hast es gehört?

      Ja. Nichts weiter.

      Mein Gott, er ist beleidigt, aber wieso? dachte sie. Bisher hatte eine Verstimmung kaum Stunden angehalten. Noch dazu konnte sie keinen Grund erkennen, warum er sich abkapselte. Mit einem Mal wurde sie wütend. Sie hatte den ersten Schritt auf ihn zugemacht. Warum er ihr auch immer böse war, sie hatte genügend positive Signale gegeben. Sie behielt ihr freundliches Gesicht. In solchen Situationen hatte sie ihr sonst so bewegliches Gesicht vollkommen unter Kontrolle. Sie machte sich eine Freude daraus, zu lächeln und gute Laune zur Schau zu stellen. Das wirkte bei ihren Schülern. Da war es geradezu eine Waffe.

      Schon wollte sie ihm sagen, sie werde sich für ein Schuljahr beurlauben lassen und in die Staaten fahren für eine Arbeit, die sie schon seit Langem vorgehabt hatte. So würde sie ihn ganz sicher aus der Reserve locken. Dann fiel ihr ein, dass er, wie er jetzt gestimmt war, ihr kalt lächelnd entgegenhalten würde, die finanziellen Mittel für die Reise, seinen Unterhalt und den der Wohnung würden nicht ausreichen. Warum muss immer ich zurückstecken! dachte sie. Warum? Dass er so an mir hängt, hat nur mit seiner Abhängigkeit zu tun. Ich bin es so leid! Ihre Wut nahm zu, wurde die beständige Wut, die sie auch schon an sich kannte.

      Sie würde ihn nicht so einfach loswerden. Aber eine Lösung würde es geben. Wenn sie es wollte, würde sie eine Lösung finden. Sie hatte noch immer erreicht, was sie wollte.

      Du magst mich nicht mehr!, sagte er.

      Ja, antwortete sie.

      Aber ich mag dich sehr.

      Ja? Die Aussage zum jetzigen Zeitpunkt erstaunte sie. Ihr ganzer Hass löste sich in nichts auf. Manchmal könnte ich dich umbringen, sagte sie. Aber du mich sicher auch.

      Ja.

      Wir halten trotzdem noch einige Jährchen aus.

      Er schüttelte den Kopf. Corvina, ich habe solche Angst, dich zu verlieren.

      Deine Gedanken immer. Ich bin doch da.

      Ich halte es nicht mehr aus, Corvina. Ich muss dem ein Ende machen, verstehst du.

      Nein, verstehe ich nicht.

      Er ging an eine der Küchenschubladen,

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