Eine Frau schon in den Jahren und andere Mördergeschichten. Beate Morgenstern

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tu mir nichts an, sagte er. Was solltest du ohne mich anfangen, Corvina.

      Sie wollte schon loslachen darüber, wie grandios er die Tatsachen verdrehte. Doch sie unterließ es. Sie waren nun auf dieser Ebene von Beziehung angekommen. Auf einer theatralischen. Noch mehr reizen sollte sie ihn nicht.

      Er legte das Messer auf den Tisch, zog sie mit einem Griff um ihre Taille von der Sitzbank zu sich heran und in die Höhe. Selbst als er das Messer aufnahm und an ihre Kehle setzte, hielt sie es noch für einen Scherz. Sie war doch seine Lebensversicherung.

      Lass es gut sein, sagte sie. Du würdest dich sehr unglücklich machen.

      Erst, als er den Schnitt setzte, begriff sie. Mit einem Mal war ihr, als wäre ihr ganzes Leben auf diesen Punkt hinausgelaufen.

      Die Polizei, die er selbst benachrichtigt hatte, traf ihn malend an. Er war an einer riesigen Leinwand beschäftigt, die auf den ersten Blick nur aus roter Farbe zu bestehen schien. Doch dann sah man Strukturen, kleine Textilstücke, aus weiblicher Kleidung bestehend, eine lange rote Haarlocke darin und wenn man genau hinsah, einen weiblichen Torso. Die Farbe, mit der er malte, stellte sich als Blut heraus. Corvina!, erklärte er den Polizeibeamten sein Bild. Ich war die letzten Tage wie im Fieber.

      Er schien nicht wahnsinnig. Aber offenbar war er es. Er hatte, um sein Bild fertigzustellen, sein Objekt getötet. Er selbst gab ein ganz anderes Motiv an. Er sagte, er habe seine Frau zu sehr geliebt und sei mit der Vorstellung ihres Verlusts nicht mehr fertig geworden, so dass er sie schließlich getötet habe.

      Warum er die Polizei gerufen und sich nicht selbst umgebracht habe, wollte man wissen, worauf er erwiderte, dass er doch sein Werk beschützen müsse.

      Er wurde in eine geschlossene Anstalt überwiesen. Seine Bilder erzielten Höchstpreise. Er selbst zeichnete, malte nicht mehr, bat lediglich um einige Federzeichnungen, die ganz gegen seine Art einen konventionellen Stil aufwiesen und eine Frau mit langem, lockigem Haar, großen Augen, einer Hakennase und einem schmalen vorspringenden Kinn darstellten. Schön war sie nicht zu nennen. Aber wer zeichnete heute noch schöne Frauen.

      Zehn Jahre nach dem Tod Corvinas wurde dem inzwischen reichen, wenn auch weiter in einer Anstalt befindlichen Maler der Wunsch einer großen Ausstellung erfüllt. Obwohl er als völlig ungefährlich galt, ging er mit zwei Beamten in Zivil in diese Ausstellung, der eine hatte sich mit Handschellen an seine linke Hand angeschlossen, ohne dass die Gäste es bemerkten. Man befürchtete für ihn einen großen Erregungszustand. Als er vor dem »Corvina« betitelten Bild stand, liefen ihm aber nur die Tränen. Ich liebe dich noch immer!, flüsterte er. Du bist jetzt berühmt und wirst nie vergessen. So sagte er, als ob auf dem Bild, das nichts weiter als verschieden strukturierte rote Farbe, eine leichte Kontur, einige Textilschnipsel und eine Haarlocke aufwies, tatsächlich seine jahrzehntelange Lebensgefährtin abgebildet und gegenwärtig sei.

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