Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz
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Читать онлайн книгу Das Ende der Clara - Helmut H. Schulz страница 6
"Wie heißt denn das Kerlchen da?", fragte er die Mutter.
"Jürgen heiß ich", sagte das Steuermännchen fröhlich.
"Bisschen abfallen", bemerkte Rinkales beiläufig, "wäre jetzt nicht schlecht. Sie will nicht hoch, will lieber mehr hoch und bei."
"In Ordnung", sagte der Junge.
Der Junge tat es so feinfühlig, dass ihm die »LOUISA« aufs Wort gehorchte. Beim Holeschlag brachte der Junge wieder ein, was er im Strecken verloren hatte; dies alles zu erleben, machte dem Alten ziemlich viel Freude. Das kann dir mal ein Taktiker werden, dachte er bei sich. Er bemerkte nach einer Weile, er werde in die Kajüte gehen und ihnen einen Grog machen. Der Herbst nahe, man spüre es schon sehr auf dem Wasser. Ein Getränk wie heißer Grog diene hingegen im Sommer wie im Winter dem Wohlbefinden der Skipper, Eigner und Steuerleute.
Er sah nachdenklich zu, wie das Wasser im Kessel zu summen anfing, und er dachte sich, das ist nun klar, die »LOUISA« hatte ihn sattgehabt, sie hatte mal auf den Strich gehen wollen, wie eine Hafennutte. Darauf soll mal einer kommen. Die wollte einen Jungen wie diesen Bengel, diesen Jürgen. Er sah den Schwertkasten an, hob sogar die Bodenbretter, sein Schiff war staubtrocken. Dann stellte er den Grog her und reichte jedem Mitglied seiner neuen Crew einen Becher.
"Schon viel gesegelt?", fragte er den Jungen.
"Immer bloß mitgefahren, wer von den Alten lässt einen denn schon ans Ruder."
"Sein Vater hat immer ein Gewese gemacht", sagte die Mutter, "wenn er ihn an Bord hatte."
Ja, das hörte sich gut an, nicht großmäulig.
"Ganz falsch", erklärte Rinkales mit Wärme. Das Tief seines Lebens schien überstanden, es ging nun wieder aufwärts.
"Man muss die Jungens machen lassen", sagte er überzeugt.
"Mein Mann war Fischer", sagte die Mutter von diesem Jürgen, eine rundliche tüchtige Person. Das nahm der Alte erst jetzt richtig wahr.
"So, Kuh und Kalb von einer Fischersfamilie", sagte Rinkales.
"Er ist draußen geblieben", sagte sie. "Na, das ist auch schon eine Weile her. Was ich sagen wollte, nimm das Namensbrett ab, so was bringt kein Glück, ich heiße Hilde."
"Wieso?", fragte der Alte.
"Zwei Weiber an Bord, das bringt kein Glück."
"Also Hilde? »HILDA«. Meine Verstorbene hieß natürlich Luise, wir haben man immer bloß Lieschen gesagt."
"Na, das ist klar", sagte Hilde. "Und mach nicht zu viel Rum in den Grog, das verdirbt den Geschmack. Man muss den Bogen raushaben ... "Sie verloren sich in der Erörterung dieser wichtigen Frage und fuhren die lange Tonnenreihe ab, ohne dass sich etwas Besonderes ereignete.
Von nun an hörten die Kapriolen der »LOUISA« auf, aber die Yacht hieß fortan »HILDA«. Die Familie Rinkales missbilligte merkwürdigerweise diesen Schritt des Alten, ihres Vaters. Es ist eben schwer, es allen recht zu machen. Und noch vor Sommerausgang kam ein Schreiben von der Stadtverwaltung. In Anbetracht seines Alters, dem Gewohnheitsrecht und in Anerkennung seines Ausharrens bei redlicher Tätigkeit habe sich ein Beschluss ergeben, ihm bei seinen Lebzeiten den Liegeplatz am Fluss zu Nutzung zu überlassen.
Dies ist das einzig Unwahre an der Geschichte.
DAS SECOND-HAND-SHIP
Kreuzen heißt, der doppelte Weg, die dreifache Zeit und die vierfache Wut.
S e glerweish e it .
Den ganzen kochend heißen Tag lang hatten wir abwechselnd entweder am Strand oder auf den Steinen der Hafenmole gelegen, bei einem frischen Ost, kein Wölkchen am Himmel. Im Strand-Café, einem Holzkasten auf Stelzen mit abblätternder weißer Farbe, hockten die durstigen Trinker und gossen ein Zeug in sich rein, das die Kellner »Baccardi« nannten, süßliche Cola mit Rumverschnitt und Eiswürfeln und einer Zitronenscheibe auf einem Zuckerrand geklemmt. Wir fragten, mit welchem Recht sie diese Mixtur für »Baccardi« ausgaben, und boykottierten aus Protest das Lokal. Und da kam die »CANBERRA« herein!
Wir hoben uns aus unserer Liegestellung wie ein Mann. Ganz leicht lässt sich bei Ost in dieser Stärke überhaupt keine Yacht in unseren Hafen bringen, ein viereckiges Becken mit einer schmalen Einfahrt und einer aus lauter kantigen Steinen aufgeschütteten Mole, eine künstliche Anlage, überwacht von Heinrich Prinz, Prinz Heinrich. Der Skipper hätte seine Yacht leicht an die Kaimauer setzen können. Er hätte halsen müssen, das ganze Schiff auf kleinstem Raum im Stern um sich selber drehen, als wollte es sich über die Schulter blicken, die »CANBERRA« mit dem Bug in den Wind stellen. Ferner hätten ganz fix die Segel weggemusst. Aber wir kannten nur wenige, uns ausgenommen, die es bei diesem Steam gewagt hätten, die Einfahrt zu forcieren und auf der Stelle zu drehen, ohne eine Schramme abzukriegen. Jedenfalls hätte der Wind ausgereicht, um ein Boot aufzuschießen und sachte an einen freien Liegeplatz zu bugsieren, falls es, wie gesagt, dem Maker gelang, rasch genug die Segel zu streichen. Sonst gab es Kleinholz. So ungefähr machten wir es, wenn wir einen guten Tag hatten. Hatten wir keinen, dann blieben wir lieber im Strand-Café und suchten mit einem der Fremden einen Streit, bloß so, zur Unterhaltung.
Aber vielleicht hätte es an diesem Tage auch mit dem schönsten Manöver überhaupt keiner geschafft, und im Hafenbecken lagen die Yachten in dichter Reihe, es war Hochbetrieb, segelnder Amüsiermob, wenig Seefahrer. Der Skipper von der »CANBERRA« hätte sich neben zwei oder drei andere Boote legen müssen, im Päckchen, was auch nicht jedermanns Freude ist. Es gibt solche Leute, die einem ständig übers Boot steigen, sei es, um zu pinkeln oder um nachzuschütten, dass sie wieder pinkeln können, meistens