Walpurgisnackt. Sara Jacob
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Tim stutzte. Aus der Pluderhose des Mannes ragte eine mächtige Erektion. Ein Lächeln zauberte sich auf Tims Gesicht. Ob Botho oder Ernst war ihm einerlei. Nur der steife Schwanz kam ihm seltsam vor. Tim beschloss, ihn zu ignorieren.
»Wunderbar, zu Euch wollte ich, was soll ich sagen. Ich habe gehört, Ihr könntet ein paar fröhliche Melodeien vertragen«, sagte der Spielmann. Unwillen gegen diesen Eindringling keimte im Grafen auf. Respekt wurde ihm von den Bewohnern Blankenburgs schon lange nicht mehr entgegengebracht, aber wenigstens von Fremden erwartete er ein wenig mehr Höflichkeit.
Fröhliche Musik hatte ihm noch gefehlt. Nicht einmal auf seiner Burg ließ man ihn zufrieden. Botho versuchte sich zu erinnern, was er mit dem letzten Spielmann gemacht hatte, der mit dem Versuch, den Grafen aufzuheitern, nach Regenstein gekommen war. Wer schickte ihm bloß immer wieder diese erbärmlichen Sänger auf den Hals? Hätte Botho seine Keule, würde er diesem Lackel seine lächerliche Feder vom Hut holen. Allein, wo war die Keule, wenn man sie brauchte?
»Wer sagt das denn?«
»Die Leute in der Umgebung.« Tim zückte seine Gitarre. »Ich gebe Euch mal eine Kostprobe meines Könnens.« Mit viel Gefühl griff er in die Saiten, verspielte sich, setzte erneut an und ignorierte das Offensichtliche. »Was wollen wir siingeeeen, sieben Taaage laaaang, was wollen wir singeeeen, ein Motett...«
Bothos Augen weiteten sich. In seinen Ohren läutete es, als hätte Pfarrer Binsfeld zum Gebet gerufen. An seiner Nasenspitze hatte sich ein Tropfen gebildet, der ihm zuvor kitzelnd die Stirn hinuntergelaufen war. So etwas Schlimmes hatte er noch nie gehört. Der Spielmann hatte nicht einfach nur falsch gesungen, er hatte mit einer Stimme gesungen, die ihm die Fußnägel hochrollte.
Das war wieder eine Teufelei, die sich die Bauern ausgedacht hatten, um ihn zu schikanieren, weil er ihrer Bettelei um Senkung der Abgaben nicht nachgekommen war. Tritt auf den Mann, der am Boden liegt, dachte Botho, der kann sich nicht wehren. Doch die hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Tim setzte ab und ging selbstbewusst einen Schritt in den Hof hinein. Die Erektion hielt. Tim zwang sich, anderswo hinzusehen. Melodie und Rhythmus hatten sich noch nicht gefunden, jedoch der Ansatz war da, die Schwächen glich sein guter Wille aus. »Gar nicht schlecht. Eins hab ich noch: Weinät nücht wänn där Regään fällt, tam tam, tam tam, es gübt ainnen der zu Euch hälllt, tam tam.«
Botho drehte sich um und zischte Zerreiß’n ein strenges »Fass!« zu. Dieser jaulte in seiner Ecke des Burghofes unter dem Efeu, Brich Stahl und Eisen kratzte hektisch an der Tür zum Bergfried, Bring Speisen war bereits verschwunden. »Los, Zerreiß’n, mach ihn fertig«, zischte Botho ein letztes Mal und gab es danach seufzend auf.
Hinter ihm stand der Spielmann mit einem blöden Grinsen auf dem Gesicht, in das Botho so liebend gerne seine Faust geschleudert hätte, aber das wäre unter Stand gewesen. Wieder dachte der Graf an eine Keule, dann fiel ihm etwas Anderes ein.
»Interessant und mich dünkt«, sagte Botho, »ich habe da etwas für dich.« Botho eilte über den Burghof, kämpfte sich den Turm hinauf und nahm auf halbem Weg aus einem Schrank die Hakenbüchse, die er vor Jahren, da war er beweglicher und kräftiger gewesen, einem holländischen Kaufmann abgenommen hatte. Die Stufen wanden sich schier endlos in die Höhe, Botho erreichte schnaufend den Rittersaal. Unter seinem raschen Schritt knarrten die Dielen. Er riss eine Balkontür auf und trat ins Freie. Die Büchse baumelte an seiner linken Seite. Von unten hallte das grässliche Geräusch herauf.
»Dsching, dsching, sing Spielmaaan, he Leute, ho, Leute, he Leute, immer weiter, sing...«
Der Spielmann machte eine Pause und schien zu überlegen, wie welchen Weg dieses akustische Äquivalent einer Daumenschraube einschlagen sollte. Botho fragte sich, ob die Büchse geladen war. Theodor hatte sie immer geladen, nach jedem Schuss. Der letzte lag ein halbes Jahr zurück. Da hatte er auf einen singenden Wolf geschossen, der sich an die Hühner im Stall heranmachen wollte. Hatte Theodor wirklich wieder nachgeladen, während er hinunter zu den Hühnern geeilt war, die er statt des Wolfs erschossen hatte?
»Der Wahnsinn fährt mir ins Hirn, Spielmann«, knirschte Botho trocken zwischen den Zähnen hervor. Seine linke Hand krallte sich in die Brüstung, die andere zog die Waffe heran. »Seit einem halben Jahr hört es nicht mehr auf zu regnen, und jetzt weiß ich warum.« Bei den letzten Worten war er laut geworden.
»Nicht aufregen, Graf von Regenstein.«
»Blankenburg.«
»Nun gut. Wo ein Tropfen fällt, fällt kein zweiter. Was also kümmert es Euch, wenn Regen fällt, wo ich singe, wenn es sowieso regnet, wo Ihr steht.«
»Weil da wenigstens nicht der Blitz einschlägt.«
Botho schielte unauffällig nach unten. Wenn er erst auf die Feder zielte und die Waffe dann ein wenig mehr nach links schwenkte, musste er eigentlich treffen.
Tim schüttelte missmutig Wasser aus der Gitarre.
»Es ist mein Gesang, sagt es mir ins Gesicht, seid nicht bang, er gefällt Euch nicht.«
»Spielmann, du kannst nicht singen, und es würde mich wirklich stören, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, mir dein Geheule anzu...« Botho stutzte, fuhr fort. »...hören.«
Der Reim war ansteckend, und das fürchtete Botho mehr als Weitsichtigkeit. Etwas, das ansteckend war wie die Mal Franzos konnte nur schlecht sein. Er zielte kurz auf die Feder im Barett, schwenkte die Waffe nach links und drückte ab. Der Zündhahn klickte trocken, der Schuss blieb aus.
»Verdammt«, fluchte Botho. Er ließ die Büchse sinken, denn der Spielmann hatte bereits den Rückzug angetreten und lief über die Zugbrücke zurück in den Wald. Graf von Blankenburg ballte die Faust. »Lass dich hier nicht mehr blicken, du atonaler Motettentöter!«
Der Regen wurde schwächer, die Wolken verzogen sich, zurück blieb das leichte Nieseln über der Burg. Seufzend schlich Botho durch den Rittersaal zu seinem Lehnstuhl und ließ sich hinein fallen. Sofort landete seine rechte Hand wieder im Schritt seiner der weiten Pluderhose, aus der noch immer seine letzte Erektion ragte. Die hatte er ja ganz vergessen. Egal, sollte der Spielmann doch denken, was er wollte.
Das Leben hätte so einfach sein können mit einer Frau, ein paar Kindern, Enkeln und Urenkeln und gelegentlichem Sonnenschein, doch seine Frau, die Helene, war bei der letzten Pestepidemie gestorben und sein Sohn Heinrich hatte sich vor zehn Jahren im Alter von vierzehn einfach in Luft aufgelöst. Er war bei einer Jagd verschwunden, nie wieder aufgetaucht, vom Erdboden verschluckt. Sein Sohn Heinrich. Seine Frau Helene. Sein Leben. Seine Tragödie.
Eine Weile blieb der alte Mann in seinem Stuhl sitzen, die Hand einer beeindruckenden Erektion, starrte wieder grübelnd in den trüben Morgen und stand schließlich auf, um die Waffe mit einer besonders großen Ladung Schrot zu stopfen, für den Fall, dass noch einmal jemand auf die Idee kommen sollte, in seinem Burghof Musik zu machen.
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