Walpurgisnackt. Sara Jacob

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Walpurgisnackt - Sara Jacob

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du Huhn, wirst du alt?«

      Kolafanta stieß Tsabitta in die Seite. »Ist nicht mehr so wie früher, ne?«

      Tsabitta stieß Kolafanta in die Seite. »Früher war alles anders.«

      Sie brachen in meckerndes Lachen aus, Tsabitta hingegen konnte nicht lachen. »Einfallsreicher? Willst du motzen, du? Mach einen besseren Vorschlag.«

      Dihomma seufzte. Schlug Tsabitta diesen Ton an, war Vorsicht angesagt. Gerade für lähmende Blitze war sie bekannt, deren Wirkung Tage anhielt.

      »Ganz ruhig Tsabitta, ich will meine Kräfte für die Nacht der Nächte sammeln, die Nacht wird lang und wir können so viele Kühe verzaubern und ganz Blankenburg tyrannisieren. Es ist alles vorbereitet. Das Kind kommt rechtzeitig, ich habe Informationen aus erster Hand.«

      Tsabitta blieb vor Dihomma stehen. Die anderen drei Gestalten blieben im Hintergrund und sagten nichts. Tsabitta entblößte beim Grinsen schlechte Zähne. Mixa kreischte und fiel vorneüber ins feuchte Gras, wo sie keuchend liegen blieb.

      »Gut, Dihomma, also sehen wir uns in drei Tagen.« Dihomma entspannte sich. Tsabitta klopfte ihr auf die Schulter. »Das wird ein Fest, was?«

      Jubelnd schwangen sich Tsabitta und Kolafanta auf die Besen, Dihomma blieb zurück, Mixa war noch nicht wieder zu Bewusstsein gekommen. Armes Mädchen, dachte Dihomma, wenn sie der Baum schon so beeindruckte, hatte sie lange keinen Inkubus mehr gehabt.

      In diesem Moment fuhr Wind ins Feuer und Funken stoben. Aus dem Wald trat eine Gestalt.

      »Wartet«, sagte sie, die Stimme fest und laut. Dihomma trat einen Schritt zurück, Tsabitta stemmte die Hände in die Hüften, noch immer auf dem Besen.

      Obamakka war gekommen. Eine hässliche Gestalt, nicht Mann nicht Frau. Mit den Jahren war sie zu einem Überwesen geworden, einer Gestalt, die jede Hexe kannte, mit der aber niemand wirklich Kontakt hatte. Ein lebender Mythos.

      Die einen sagten, sie sei 120 Jahre alt, die anderen sagten, sie sei unsterblich. Niemand wusste sicher, wo sie lebte und mit welchem Gesicht sie sich tarnte. Aber alle wussten, dass Obamakka über Einfluss verfügte. Sie hatte sich im Hexenzirkel hochgedient, hatte Seilschaften geknüpft und Mehrheiten gebildet.

      »Obamakka. Hast dich ja lange nicht blicken lassen. Was machste denn jetzt? Bist du in Blankenburg?«

      Obamakka blieb die Antwort schuldig. Kolafanta, und Köstritza wichen aus dem Schein des Feuers nach hinten zum Waldrand, die Besen fest umklammert.

      »Keine von euch war auf der letzten Versammlung.«

      »Versammlungen interessieren uns nicht«, erwiderte Dihomma.

      »Wisst Ihr von den Beschlüssen?«, fragte Obamakka ruhig. Tsabitta grinste wieder breit, selbstsicher.

      »Ach, davon habe ich schon gehört, jaja. Ihr wollt da was ändern.«

      »Wir wollen uns schützen, uns alle, und dazu gehört auch ihr«, entgegnete Obamakka. »Deswegen wäre eure Beteiligung so wichtig gewesen.« Die Art und Weise, mit der sie um das Feuer herumging, war fast ein Schlendern. Beiläufig und desinteressiert. Sie sah die anderen Hexen der Reihe nach an, jede wandte den Blick ab, Tsabitta nicht, und Mixa lag noch schwer atmend im Gras.

      »Schützen, hä?« Das Wort war ein heiseres Krächzen. »Ihr wollt uns den Dings, den Spaß verbieten. Jaja, ich weiß genau, in welche Richtung das läuft. Ihr wollt alles regeln. Wir sollen keine Wölfe mehr verzaubern und keine Kühe, nicht mehr auf dem Besen reiten und...«

      »... vor allem aufhören, Menschen aufmerksam zu machen.«, unterbrach Obamakka sie. Ihr Tonfall hatte von beiläufig zu hart gewechselt.

      Tsabittas Augen funkelten trotzig. »Wir sollen die Art und Weise aufgeben, nach der wir schon Jahrhunderte leben, das ist es. Wir erkennen eure Autorität nicht an. Was kommt danach? Ein Ministerium für Hexerei oder eine Zauberschule?«

      Obamakka winkte ab. »Ruhig, Mädchen, lass den Kinderkram. Sachlich bleiben. Wir bitten euch lediglich um Diskretion. Frauen werden verbrannt, hoffnungsvolle Talente, die nie Zeit hatten, ihre Kräfte zu entwickeln. Wir schaden so nur uns.«

      »Ach was. Die Menschen verbrennen allein sich selber. Ich wüsste nicht, wie wir uns schaden könnten. Bislang sind wir aus jeder brenzligen Situation entkommen.«

      »Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis sie auch euch erwischen.«

      Tsabitta spuckte verächtlich ins Feuer. »Panikmache.«

      Obamakka legte die runzligen Hände aneinander und senkte den Kopf.

      »Ich sage es euch noch im Guten. Verzichtet auf die Walpurgisnacht. Es wird sonst ein schlimmes Ende nehmen.«

      Dihomma schielte zu Tsabitta herüber. Was würde sie jetzt sagen? ‚Du drohst uns?‘ Oder ‚Wie willst du uns daran hindern?‘ Doch Tsabitta sagte nichts mehr. Sie drehte sich um, schwang sich auf ihren Besen und gab den anderen drei Hexen, die sich ebenfalls zum Abflug bereit machten, ein Zeichen. Heulend sausten sie davon.

      »Hier werden keine Kinder mehr geopfert«, sagte Obamakka und trat zurück, aus dem Lichtkreis des Feuers. Ihre letzten Worte schienen kaum noch an Dihomma sondern mehr an sich selbst gerichtet zu sein. »Wir haben Wichtigeres vor.«

      Dann verschwand die alte Hexe wieder in der Düsternis des Waldes, Dihomma blieb nachdenklich auf ihrem Stamm am Feuer sitzen, bis sich Mixa regte und erschöpft den Kopf unter dem spitzen Hut hob.

      »Hilfst du mir, den Baum zu mir nach Hause zu tragen?«

      Dihomma schüttelte nur den Kopf. Armes Mädchen, dachte sie wieder.

      Trauerspiel

      II

       Sonntag, 28. April 1599

      Lang war der Schlaf, tief und ruhig. Eine Katze weckte den Spielmann sanft, strich schnurrend durch das Stroh, rollte sich auf seiner Brust zusammen. Tim gähnte. In der Nacht zuvor war noch Moos unter einer Tanne sein Lager gewesen und hatte die Kälte ihn geweckt. Ein solch gemütliches Plätzchen hatte er lange nicht gehabt.

      Tim streckte sich, warf die Katze herunter, suchte seine Sachen zusammen und wollte gerade die Leiter vom Heuboden hinabsteigen, als er hörte, wie das Scheunentor geöffnet wurde.

      Leise Schritte ertönten. Wie spät es wohl sein mochte? Die Erinnerung an die vergangene Nacht kam wieder, an das gemeinsame Musizieren und die vielen Hände.

      Tim dachte, so könne es jedes Mal sein. Erst das Spiel auf großer Bühne und im Anschluss in der Scheune vor ausgewähltem Publikum eine Zugabe. Das Leben als Musikant gefiel ihm wieder. Jetzt noch mehr Geld in der Tasche, oder, da musste er sich korrigieren, überhaupt etwas Geld in der Tasche, und das Leben wäre wie erträumt.

      Jemand stieg die Leiter hinauf, leichtfüßig. Gleich darauf tauchte ein dunkler Haarschopf auf, zwei wache Augen blinzelten ihn an. Die Tochter des Bauern, die ihn gestern in die Scheune geführt hatte.

      »Aufwachen. Es ist schon spät am Morgen.«

      Tim streckte

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