Walpurgisnackt. Sara Jacob

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Walpurgisnackt - Sara Jacob

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Abend legte sich über das Land. Tim taten die Füße weh und ihm knurrte der Magen. Von Musik alleine, dachte er, kann man eben auch nicht leben.

      Rechts von ihm lag jetzt der Harz, vor ihm ein Hügel, der Berg dahinter musste die Kleine Roßtrappe sein, von der man ihm erzählt hatte. Dazwischen thronte angeblich die Burg Regenstein auf ihrem Sandsteinfelsen.

      Ein Bauer nahm ihn schließlich auf. Dessen ältester Sohn sei vor zwei Jahren mit seiner Laute durchgebrannt, sagte er, und jetzt hoffe er auf einen anderen freundlichen Bauern, der seinem Sohn ebenfalls für eine Nacht oder zwei Unterschlupf gewährte.

      Tim kamen die Tränen vor Rührung, der Bauer heulte mit, wünschte dem Spielmann eine gute Nacht. Als Tim zum Dank und zur Nacht ein Lied anstimmte, stellte er Bauer schließlich doch eine Bedingung: Wollte Tim im Heuschober schlafen, durfte er nicht singen. Er fürchtete, den Kühen würde die Milch im Euter sauer werden.

      Eine der drei Töchter des Bauern zeigte ihm mit einer Laterne den Weg über den dunklen Hof. Ihr runder, sehr weiblicher Körper steckte in einem schlichten braunen Kleid, das über ihren festen Schenkeln endete. Sie hatte sich weder von ihm noch von seiner Musik sehr beeindruckt gezeigt, und das war vermutlich auch der einzige Grund gewesen, warum der Bauer nicht darauf bestanden hatte, den Sohn mitgehen zu lassen.

      »Jubelt man Euch sonst denn zu?«

      »Der Erfolg lässt mir bislang noch Ruh.«

      Sie lachte leise. Unter seinen Füßen knirschte der Sand. Die Luft war frisch aber nicht kühl. In der Ferne heulte ein Wolf. Es machte ihm nichts mehr aus. Wölfe hatten seit dem heutigen Tag ihren Schrecken verloren. Schließlich erreichten sie den Heuschober. Das Mädchen schob den Holzriegel zur Seite und öffnete die knarrende Tür. Die Laterne entriss den nach Heu duftenden Raum nur einige Fuß weit der Dunkelheit. Gleich rechts führte eine Leiter zum Heuboden.

      »Da geht’s hoch«, sagte sie und schwenkte mit der Laterne. »Ich mach Euch Licht. Eine Decke haben wir leider nicht.«

      Sie stutzte. Tim bedankte sich und setzte einen Fuß auf die Leiter. Hoffentlich blieb sie so lange, bis er oben war. Bei seinem Glück trat er im Dunkeln ins Leere und stürzte.

      »Ich spiel auch ein Instrument«, hörte er sie hinter sich sagen. Tim drehte sich um. Sie stand mit großen Kuhaugen im sanften Licht der Laterne. »Die Flöte. Und zwar recht gut. Aber nur mein Bruder will es hören.«

      »Der Glückspilz.«

      »Ich mag auch andere Instrumente. Meine Schwestern spielen mir häufig etwas vor.«

      »Deine Schwestern…«

      »Ja, manchmal, wenn unsere Eltern auf dem Feld sind oder wir gemeinsam zur Stadt gehen. Wir sind ziemlich gut zusammen.«

      Tim brach der Schweiß aus.

      »Ja, aber manchmal wünsche ich mir ein anderes Publikum.«

      »Kann ich verstehen.« Tim räusperte sich. »Also, du kannst mir gerne etwas vorspielen. Auch mit deinen Schwestern.«

      »Seid Ihr nicht zu müde vom Wandern, um zuzuhören?«

      »Ich bin das lange Wandern gewohnt.«

      »Es könnte aber etwas länger dauern. Unsere Eltern müssen erst schlafen.«

      »Ihr könnt mich gerne wecken.«

      Sie wartete, bis Tim von der letzten Sprosse der Leiter gestiegen war und verließ dann die Scheune. Schlagartig wurde es dunkel. Überall knackte und knarrte es in der Scheune. Das Schreien eines Uhus klang verdächtig nahe. Im Stall nebenan schnauften Tiere. Waren die Kühe nicht auf der Weide?

      Tim strich über die Saiten seiner Gitarre, die langsam wieder trocken wurde, zugedeckt mit seinem Mantel, fragte sich, was das Mädchen wirklich gemeint hatte, als es vom Musizieren gesprochen hatte. Vielleicht standen die drei Schwestern gleich mit Flöten und Trommeln in der Scheune. Und nicht den Kühen, sondern ihm würde dann die Milch im Euter sauer. Das Heu stach, die Luft war stickig, und doch überraschte Tim bald ein flacher Schlummer. Rascheln und Kichern weckte ihn. Dann trippelten Füße auf der Leiter.

      »Wo seid Ihr«, flüsterte eine Stimme ganz nah.

      »Hier«, antwortete Tim leise, kurz bevor ihn die ersten Hände am Bein berührten.

      »Wir dürfen kein Licht machen. Das Stroh ist zu trocken. Aber zum Musizieren braucht man ja kein Licht, oder?«

      Tim brummte verschlafen. Wie spät es wohl sein mochte? Eigentlich war ihm jetzt mehr nach Schlafen zumute als nach Musik.

      »Meine Schwestern sind auch da.«

      Kichern. Rascheln. Die Hände blieben, obwohl sie ihn gefunden hatten, an Ort und Stelle, wanderten über das Knie noch höher. Wieder Kichern und Flüstern. War da nicht auch eine tiefe Stimme dabei?

      »Wir sind ganz aufgeregt, dass wir für Euch spielen sollen.«

      Tim rieb sich die Augen. Die Dunkelheit blieb vollkommen. Jemand band sein Hemd auf. Andere Finger zappelten am Bund seiner Hose. Sein Herz pochte aufgeregt. Wieder raschelte es im Stroh, und diesmal mischte sich das trockene Rascheln von Leinen darunter. Dreistimmiges Kichern. Oder sogar vierstimmiges? Wie viele Personen waren auf dem Heuboden?

      »Soll ich Euch zeigen, wie gut ich Flöte spielen kann?«

      »Ja«, sagte Tim nur, und dann wurde ihm ein Konzert geboten, das dem Hofe des Herzogs würdig gewesen wäre. Auf sein Gesicht presste sich ein weibliches Instrument, das er mit seiner geübten Zunge zum Klingen brachte, und seine Hände spielten in feuchten Spalten das Lied der Lust. Noch bevor das Flötenspiel seinen Abschluss fand, kam es zu einem Duett, und bald keuchten und stöhnten die Musikanten auf dem dunklen Heuschober in allen Stimmlagen.

      »Nimm das Öl«, hörte er es bald flüstern, obwohl ihm zwei feste Schenkel auf die Ohren drückten und im vor lauter Schmatzen und Schlecken die Sinne vergangen. Gleich darauf spürte Tim dort, wo die Tochter des Bauern auf ihm saß, Hände und Finger und Öl und Bewegung, und es wurde im Bass gebrummt und Sopran gesungen und er wusste, dass sie im nicht nur im Quartett sondern im Quintett Musik machten.

      Die ganze Nacht wurde mehrstimmig gespielt, und als der Morgen graute und die Geschwister den Heuboden verließen, hatte Tim längst erfahren, wie gut auch der Sohn des Bauern sein Instrument beherrschte.

      Erschöpft und glücklich schlief Tim mit seiner spanischen Gitarre im Arm im weichen Heu ein, um davon zu träumen, am Hofe des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel alle Frauen des Schlosses mit dem Spiel auf seiner Gitarre und seinem Gesang an seine Lippen zu fesseln.

      In der Herberge

      Bei Anbruch der Dunkelheit erreichten Professor Bechstein und Haribald die Stadt Blankenburg.

      Der Wächter hatte bereits Fackeln angezündet und wollte gerade das Tor schließen, wies ihnen mürrisch den Weg, nachdem Bechstein den Passierschein bezahlt hatte. Haribald brachte die Kutsche vor dem Gasthaus Goldener Gockel in der Poststraße zum Stehen, ließ Bechstein absteigen und folgte ihm mit dem Gepäck. Die Tür war niedrig, der Schankraum düster. Bechstein musste sich bücken und auf der Schwelle warten, bis sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt

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