Walpurgisnackt. Sara Jacob

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Walpurgisnackt - Sara Jacob

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das sein? Wenn sie sich niederließen...«

      »Wir haben doch das Recht, hört Ihr, zu bleiben wie wir sind und was wir sind«, fauchte Malfoss und, als habe er sein Pulver verschossen, schwieg anschließend. Viel Trotz lag in den Augen des Sippenführers, plötzlich blitzte eine Idee auf. »Wir haben den Brief immer bei uns, werde ihn holen, sofort gehe ich.« Er sprang auf, verschwand in einem roten Wagen, von dem schon die Farbe abblätterte, der schäbig aussah, geflickt, repariert und heruntergekommen.

      Vielleicht, dachte sich Faust, kommt Zigeuner wirklich von den Türken, von den Türken, die den Kriegssklaven den Namen Tschigan gaben - arme Leute.

      Sein Gesicht glühte, sein Rücken war kalt. Zu dicht saß er am Feuer, zu kalt wurde die Nacht. Grillen zirpten, in der Nähe musste sich ein Tümpel befinden, Frösche quakten aufgeregt. Jetzt einen schönen Zug aus der Pfeife, und die Nacht wäre endlich wieder lustig. Dieses Gerede über Verfolgung und Hass brachte ihn in schlechte Stimmung.

      Der Alchemist sah sich um. Die Angehörigen der Sippe ignorierten ihn. Sie saßen dicht gedrängt auf der anderen Seite des Feuers, rückten vom Alchemisten weg. Auch die spielenden Kinder trauten sich kaum in seine Nähe. Kurz bevor Malfoss wieder aus seinem Wagen stürzte, ein vergilbtes Stück Papier in der Hand, begann ein junger, ernst dreinblickender Mann leidenschaftlich und traurig zugleich auf seiner Geige zu spielen, eine ältere Frau tanzte selbstvergessen dazu, dicht behängt mit Ketten und Ohrringen. Auf ihrem Rock aus grünem Tuch rankten sich silberne Stickereien.

      Der alte Rom setzte sich atemlos neben den Alchemisten. »Hier steht es, steht es geschrieben, hier. Wir, Sigismund, König von Ungarn, Böhmen, Dalmatien und anderer Länder, erklären, dass unser getreuer Ladislaus, Woiwode der Zigeuner, und die anderen, die von ihm abhängen, Uns untertänigst gebeten haben, ihnen unser besonderes Wohlwollen zu bezeugen. Es hat uns gefallen...«

      Alles in Fausts Reaktion drückte Widerspruch aus: seine Handbewegung, sein Gesicht, seine Körperhaltung und seine Worte. »Moment, bitte, soweit ich weiß sind diese Briefe schon vor langer Zeit für ungültig erklärt worden. Die helfen euch überhaupt nicht weiter.«

      Malfoss hielt inne, wollte weiterlesen, besann sich eines Besseren, seufzte und faltete den Brief wieder zusammen.

      »Vielleicht ändert sich das wieder, vielleicht lässt man uns irgendwann in Ruhe leben, so wie die.«

      »Wollt ihr das denn? Wollt ihr euch den Menschen hier anpassen?«

      »Um Himmelswillen, nein, wollen wir nicht.«

      Faust zuckte mit den Schultern.

      »Also haben sie das Recht uns aufzuhängen, wollt Ihr das damit sagen? Schert Euch weg, so einen wie Euch brauchen wir nicht.«

      »Ganz ruhig, Herr Malfoss, ganz ruhig. Das habe ich nicht gemeint. Die Menschen fürchten das Fremde. Das war immer so und das wird so bleiben. Doch es kommen wirklich andere Zeiten, da bin ich sicher, und ihr werdet auf eure Art leben können. In der Zwischenzeit...«

      »In der Zwischenzeit verstecken wir uns in den Wäldern, ja, tief in den Wäldern. Vorsichtig sein müssen wir, nicht? Müssen auf der Hut sein vor Neid und Missgunst. Die Teufel sind überall, sind weit verbreitet, o del und o bengh sind immer im Menschen gewesen, überall auf der Welt. Und mal ist der Teufel stärker und mal Gott. Wir müssen auf die richtige Zeit warten. Unsere Frauen werden einen Stern geschickt bekommen, einen tchalai, und die Zeichen der Zeit zu lesen wissen, werden sie, genau.«

      »Ich glaube, Ihr Zigeuner, pardon Roma solltet euch nicht verschließen. Kommt mit mir nach Blankenburg, dort weht ein freier Wind. Die Menschen, so hörte ich schon in Goslar, sind viel friedlicher und aufgeschlossener.«

      »Was sollen wir dort, sagt mir, in Blankenburg, Herr Faust? Verjagt werden?«

      »Den ersten Mai begehen die Blankenburger traditionell mit ihrer großen Maifeier, der größten der Region. Wir werden dort willkommen sein mit unseren Künsten. Scherenschleifer und Kesselflicker, Tänzer, Sänger und Jongleure sind immer eine Bereicherung des Festes. Ich werde Gold herstellen und Elixiere verkaufen, ihr werdet aus der Hand lesen, es wird ein großes Fest. Kaum einer, so wurde mir erzählt, kann es mit der Toleranz der Blankenburger aufnehmen.«

      »Und der Augsburger Erlass, was ist mit dem, Herr Faust, Erlass. Passt es ihnen, können sie uns aufhängen, erschießen, erstechen, ungestraft uns die Habe wegnehmen, sagt mir, wisst Ihr das, seid Ihr Euch dessen bewusst, seid Ihr es?«

      Faust wandte den Blick ab, sah hinüber zur Sippe, die Musik machte und Essen, tanzte und mit Lederkugeln jonglierte, sang und Kessel flickte, und im Inneren vor Kummer verging.

      Misstrauen und Melancholie, dachte Faust, sind Male, die die Verfolgung in die Seele gebrannt hat.

      An diesem Abend jedoch lernte Faust noch eine Menge mehr, und was er sah, ließ ihn an seinem Können zweifeln. Spät, als die kleinen Kinder bereits eingeschlafen waren, holte ein junger Mann mit viel Feuer in den Augen und schwarzen, prächtigen Locken ein seltsames Instrument hervor, das Faust an eine kleine Gitarre erinnerte, eine Gitarre mit sechs Saiten.

      Der junge Mann flüsterte Malfoss etwas ins Ohr, der ungehalten reagierte. In einer Sprache, die Faust nicht verstand, folgte ein Wortwechsel, den der junge Mann offensicht für sich entschied. Er stellte sich vor Faust und sah ihn provokant an.

      »Ihr habt gesagt, Eure Tinkturen können Wunder bewirken. Aber wisst Ihr auch um den Zauber der Musik?«

      »Musik hat einen Zauber?« Faust zuckte mit den Schultern. Magie und Scharlatanerie waren Zwillingsbrüder.

      Ihm wurde bewusst, dass außer Malfoss, dem jungen Mann mit dem seltsamen Instrument, und zwei anderen kräftigen, sehr gesund aussehenden Männern nur noch eine Frau um das Feuer herum saß. Sie war wunderschön, mit einem spöttischen Blitzen um die Mundwinkel.

      »Ihr werdet noch Augen machen …«, sagte die Frau, leise, bevor sie vom Geiger mit einer Kopfbewegung und einem Zischen zum Schweigen brachte. Sie senkte den Kopf, aber nicht erschrocken sondern lächelnd, schmunzelnd. Der junge Rom machte eine provozierende Kopfbewegung.

      »Lasst euch von der Musik verzaubern.«

      »Was ist das?«

      »Eine Geige. Und sie hat ihre ganz eigene Magie. Hört einfach zu«, sagte der Zigeuner. Er schloss seine dunklen Augen, legte den Kopf schief und spielte.

      Schon nach den ersten Klängen fühlte der Alchemist, wie sich die Anspannung in ihm löste. Die Sippe musste lange in Ungarn gewesen sein, denn er spielte anfangs sehr getragen und halbtonlos, dann wurde das Spiel tänzerischer, lebhafter, aber gleichermaßen trauriger.

      In Faust tauchten Bilder auf, von ganz tief unten, verschüttete Erinnerungen, verdrängte Gefühle. Er sah den Zigeuner geigen, sein schwarzes Haar wippte, der Oberkörper steuerte jeder Bewegung der Arme entgegen. Die Violine jaulte, sprach, sang.

      Sein Bogen tanzte über die Saiten und es geschah etwas, mit dem Faust nicht gerechnet hatte. Die Frau stellte sich vor das Feuer und griff sich in den Schritt. Sie seufzte, bewegte die Hüften, die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken. Der Bogen tanzte über die Saiten, die Bilder verstärkten sich. Faust sah nackte Körper vor sich, vor Lust erregtes Fleisch, hart und fest, spürte in den Lenden ein Ziehen und Spannen und rutschte unruhig auf seinem Platz am Feuer.

      Die Frau vor ihm presste die Hand fester gegen ihren Schritt. Die ersten Laute kamen über ihre

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