Walpurgisnackt. Sara Jacob

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Walpurgisnackt - Sara Jacob

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Tisch. Wie sich die beiden Öffnungen seinen Blicken preisgaben, wie die Feuchtigkeit zwischen den dunklen Haaren glitzerte, wie sich das enge Futteral um seine eindringenden Finger geschlossen hatte.

      Das weiße Haar des Grafen wippte beim Rupfen auf und ab. Schneller und schneller, dann hielt er die Schale vor sich, spritzte einmal ab, zweimal, dreimal, und fing jeden Tropfen auf mit dem Geschick eines Mannes, der das bereits seit einigen Monaten machte.

      Botho stellte die gefüllte Schale auf einem Tisch in der Mitte der Küche ab. Berge von Geschirr türmten sich darauf, Pfannen und Töpfe, dreckverkrustet. Er zog die Schale zum Rand, damit sie nicht übersehen werden konnte, nahm gedankenversunken die breite Treppe nach unten. Das Material der Wände änderte sich von Granit zu Sandstein, und irgendwann stand der Graf vor dem Einstieg zum tiefsten Kerker seiner Burg.

      In der Felsenburg Regenstein, die damals von einer Seitenlinie seines Geschlechts bewohnt gewesen war, hatte man unter Graf Poppo einen Brunnen ausgeschachtet. Den tiefsten Brunnen neben dem tiefsten Kerker. Damals. Botho nahm eine Fackel, bückte sich und ging durch einen schmalen Durchgang. Die Flammen leckten über das Gestein. Der Atem des alten Grafen hallte kalt von den Wänden wider, die Schnallenschuhe scharrten im losen Geröll auf dem Boden.

      Der Gang wand sich in die Tiefe und endete an einem offenen Schacht, über den an einem dünnen Holzpfahl eine grobe Schöpfvorrichtung mit einer Kette und zwei Eimern hing. Botho zündete eine weitere Fackel in einem eisernen Halter an und stieg an der inneren Schachtseite grob aus dem Sandstein gehauene Stufen hinab.

      In das Rauschen der Flamme mischte sich bald lautes Plätschern, dann hatte Botho den Boden des Brunnens erreicht. Die Stufen endeten an einem kleinen Podest. Graf von Blankenburg blieb schnaufend stehen. Mit seinen siebzig Jahren konnte er sich nicht mehr viele Ausflüge hier herunter erlauben. Feuchtigkeit und Kälte waren Gift für seinen Rücken.

      Er stand sekundenlang nach Atem ringend auf dem Absatz. Die Kette mit dem Eimer führte noch zwei Ellen in die Tiefe und endete kurz über dem Wasserspiegel, dessen Oberfläche von einer kleinen unterirdischen Quelle stetig aufgewühlt wurde.

      Botho räusperte sich. Vor ein paar Jahren schon hatte der Brunnen begonnen zu reden. Das erste Mal war es im Anschluss an eine rhetorisch hervorgepresste Frage nach dem Grund für die schwere Arbeit gewesen. Eine Stimme hatte geantwortet, es läge am spezifischen Gewicht des Wassers und dem randvollen Eimer. Beim nächsten Besuch hatte Botho Rat zum Wetter und den Vorkommnissen des bevorstehenden Tages eingeholt, und immer wieder hatte eine dumpfe, etwas heisere Stimme geantwortet.

      Vor einigen Monaten hatte er wie geraten angefangen, jeden Morgen das Schälchen zu füllen, um wieder besser sehen zu können, den besten Tipp hatte Botho jedoch letztes Jahr zu Himmelfahrt bekommen. Er hatte Theodor auf den Rat der Stimme hin alle seine Hemden unverzüglich stopfen und flicken lassen, seitdem war ihm am Rücken nicht mehr so kalt. In der alten Familienchronik war Botho eines Tages auf die Geschichte des Urahns Konrad gestoßen, der im Brunnen einer Intrige zum Opfer gefallen war und dessen Geist vermutlich seitdem ruhelos herumspukte. Botho räusperte sich erneut.

      »Ich beschwöre Euch, Konrad von Regenstein, warum muss mein Geschlecht aussterben?«

      Wasser tropfte, ein leises Kichern ertönte. Botho drehte sich im Kreis und sah den Schacht hinauf, wo die andere Fackel flackernd brannte.

      »Was kann man mir zur Last legen?«, fragte der Graf erneut.

      »Höre Botho!«, tönte es ihm plötzlich dumpf entgegen. Die Stimme war geschlechtslos, ein heiseres Flüstern. »Es gibt einen einfachen Grund: du hast keine Kinder.« Was folgte ähnelte einem unterdrückten Kichern. Botho verzog das Gesicht. Nichtssagender war nur Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist. Da war ihm keine Antwort lieber, was häufig genug vorkam.

      »Und warum nicht?«

      »Die Zeit für Ritter und Helden ist vorbei. Die Welt dreht sich weiter, andere regieren jetzt«, krächzte die Stimme. Botho sah zu Boden. Genau das hatte er erwartet. Seine Zeit war vorüber. Wenn er starb, würde sein Lehen zurück an die Wolfenbüttler fallen. Vielleicht war das sein Schicksal, vielleicht sollte es so sein.

      Er seufzte müde.

      Sein Rücken schmerzte wieder. So stand er einen Moment lang unten auf dem Podest und sah nicht die schattenhafte Bewegung oben am Ende des Schachts, sah nicht die dunkle Gestalt, die den Gang zurück zum Kerker huschte, die Treppen hinauf zum Burghof nahm und dort mit dem Wind verschwand.

      Er nahm das leere Schälchen in der Küche zur Kenntnis, hielt sich die Hand vor die Augen, versuchte sie zu fixieren, hielt sie ein Stück weiter weg, bis er sie scharf sehen konnte, fragte sich, ob der Abstand kleiner oder größer geworden war, und machte sich auf den Weg nach oben.

      Schwerenöter

      Das Badehaus lag versteckt in einem hinteren Winkel der Stadt Blankenburg. Baden, das hatte seit ein paar Jahren wieder einen bösen Ruf bekommen. Pest und Syphilis, die Mal Franzos, waren mit der Körperreinigung in Verbindung gebracht worden

      Bürgermeister Richard Dülmen legte seinen Kopf zurück und atmete aus. Neben ihm plätscherte Wasser. Er öffnete die Augen und beobachtete, wie der dicke Solberg in die Badebütt stieg. Es dampfte, auf seiner Stirn perlte Schweiß. Die Luft in der Badestube war rauchgeschwängert, der große Kessel in einer dunklen Ecke des Raumes dampfte.

      »Wo sind die anderen?«

      »Claus überprüft die Sauberkeit und Burkhard organisiert uns etwas zu essen.«

      Claus, das war Claus Nowak, Ratsherr und Vorsitzender der Handwerkerinnung, dessen größter Kummer sein Haupthaar war, das sich schon seit einigen Jahren auf dem Rückzug befand. Seine Familie war das älteste Geschlecht der Stadt. Schon Nowaks Großvater hatte im Stadtrat gesessen und mit dem Import und Verkauf von Waidpulver ein Vermögen verdient, das er in Grundbesitz rund um die Stadt angelegt hatte. Von den Rentenzahlungen alleine hätte Nowak ein zweites Rathaus bauen können.

      Solberg, der zweite Vorsitzende sog die Luft zischend zwischen den Zähnen ein, ließ sich ins Wasser gleiten. »Mensch, ist das heiß.«

      Neben einem zweiten Zuber stand der Bader, legte Holz nach, überprüfte die Zuleitung zum Kessel und pfiff dabei. Messer und Schnepper steckten in seinem Vortüchel.

      »Eine Rasur oder Schröpfen gefällig, die Herren?« Der Bader schwankte leicht angetrunken. Dülmen und Solberg schüttelten die Köpfe. Bei Peter Solberg, dem dicke, bärtigen Kaufmann und Stadtschreiber aus der Münzgasse, ging Dülmens Sohn Johannes in die Lehre. Als Teilhaber der Augsburger Welser hatte Solbergs Vater einst die Silberminen im Mansfelder Revier aufgekauft und am Bergsegen gut verdient, denn rechtzeitig vor Versiegen der Silberadern war er mit mehreren tausend Gulden Rücklage ausgestiegen.

      »Übrigens, der Krug mit Lauge ist leer.«

      »Ich werde sofort nachsehen und bitte um Verzeihung. Es reagieren übrigens immer weniger Blankenburger, wenn ich zum Bade blase. Ich fürchte Schlimmes, falls die Hygiene nachlässt, Herr Bürgermeister.«

      »Vielleicht«, meldete sich Solberg aus der Badebütt, »liegt das nicht nur an Pfarrer Binsfeld, sondern gleichermaßen an der Gesundheit Eurer Gäste. Achtet etwas mehr auf Sauberkeit, dann können wir uns wieder unbesorgt für das Bad einsetzen. Die Syphilis ist kein gutes Aushängeschild für Euch, so wahr mir die Nase abfällt.«

      Der Dicke lachte, Wasser

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