Walpurgisnackt. Sara Jacob

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Walpurgisnackt - Sara Jacob страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Walpurgisnackt - Sara Jacob

Скачать книгу

und ein gutes Geschäft verspreche. Tim schrubbte über die Saiten und sang, und die dralle Marketenderin trieb mit schnalzender Zunge die beiden Pferde an. Kurz hinter Wernigerode bremste sie die Pferde.

      »Wenn du deine Zunge so gerne gebrauchst, solltest du es vielleicht zwischen meinen Schenkeln tun«, sagte sie und lüpfte den Rock. Zwischen Pfannen und Töpfen, Säcken voll Mehl, Grieß und Rüben, zwischen Kräutern und Krügen spreizte sie die Beine und ließ Tim, nachdem er sie nicht weniger als zweimal mit der Zunge zum Höhepunkt gebracht hatte, mit drei, vier und fünf Fingern ihre Möse untersuchen.

      »Landsknechte«, keuchte sie, als ihr Tim seine Hand bis weit über das Handgelenk hinein schob, »haben immer so große Musketen. Das schafft Platz in meiner Möse.«

      Tim, dessen Magen lauter knurrte als die Pferde wieherten, griff sich mit der freien Hand einen Apfel aus einem Korb und massierte der lustvoll Zeter und Mordio rufenden Marketenderin die heißen Tiefen ihrer erfahrenen Möse. Zuckend kam sie ein drittes und viertes Mal, und der Spielmann schwor sich, darüber ein Lied zu verfassen, das noch Generationen später allen Zuhörern die Augen feucht werden lassen sollte.

      Als sie sich anschließend hinkniete und Tim seine Flöte in ihren mit einem großzügigen Stück Butter gefetteten Hintereingang schob, stopfte er sich ein herzhaften Stück Brot hinterher und dazu noch ein Stück kalten Schweinebraten. So hatte er sich das Leben als Spielmann vorgestellt. Sex, Dauerwurst und Motetten.

      »Dieses Instrument beherrschst du wirklich meisterhaft«, grölte die Marketenderin bei jedem Stoß, den Tim zwischen ihren drallen Backen ausführte. Dabei schob sie sich einen strammen Rettich tief in die Möse. So viel Unersättlichkeit hatte Tim noch nie erlebt. Lustvoll biss er in eine Karotte und spritzte ihr in den Arsch.

      Bei einer ausgedehnten Mahlzeit erzählte ihm die Marketenderin vom letzten Grafen der Blankenburger, der wieder auf Regenstein thronte, seit Gräfin Margarethe zusammen mit ihren Kindern an der Pest gestorben war. Sie berichtete Tim, der Graf sei schwermütig geworden, weil das Geschlecht auszusterben drohte.

      Seit Jahren habe er nicht mehr gelacht, Unterhaltung sei ihm ein Fremdwort geworden, er hocke trübsinnig in seiner Felsenburg und warte angeblich auf den Tod. Das wisse sie, weil sie dem Grafen vergeblich ihre Dienste angeboten habe.

      Die Gelegenheit, sich ein paar Taler zu verdienen, dachte Tim. Am nächsten Morgen trennten sie sich. Die Marketenderin hatte ihren Wagen zurück auf die Straße gen Nordosten gelenkt, und Tim hatte sich auf den Weg nach Südwesten, in Richtung Blankenburg gemacht.

      Die Erinnerung an die letzten drei Tage tat gut. Tim hüpfte wieder vor Vergnügen und stapfte mit seinen Stulpenschuhen von Pfütze zu Pfütze, bis die Feder an seinem Hut wippte. Eine solche Gitarre war von Anfang an sein Wunsch gewesen.

      Tim nahm das Instrument vom Rücken und zupfte die Saiten. »Und nun eine Hymne«, sagte er zu sich selbst. »Auf mich.«

      Also griff er in die Saiten und spielte, bewegte selbstvergessen seine Finger.

      »Dreeeeh dich nicht uuuuuum, ohohohoooo, der Spieeeelmann, der geht uuuuum, ohohohooo

      Kurz darauf brach von der Seite her aus ein Wolf aus dem Unterholz. Keuchendes Knurren und asthmatisches Rasseln begleiteten das Tier, das langsam auf den Weg trottete. Müde Augen waren in Wahrheit ein taxierender Blick, der Blick vor dem Sprung, der Sprung vor dem Knurren, das Knurren vor dem Aufreißen des Mauls voller spitzer Zähne.

      Tim stellte das Singen ein, blieb stehen und hielt die Luft an in einem kurzen Moment des Schocks. Wie ist das, wenn man stirbt, dachte Tim. Spürt man die Krallen im Rücken, den heißen Atem der Bestie im Nacken, bevor sich die Zähne in den Hals bohren? Oder verliert man das Bewusstsein, ist der Körper so gnädig und erspart einem die Qual?

      Mit einem leisen Ping-Kling sank die Gitarre herab, Tims Hand zitterte. Der Wolf schlich näher, knurrte und ließ die lange Zunge aus dem Maul fahren. Die Worte trafen Tim wie ein Schlag mit der Schalmei.

      »He du, Spielmann, wart mal.«

      Aus dem Nichts kamen diese Worte. Nun, korrigierte sich der Spielmann, aus der Richtung des Wolfs. Doch Wölfe konnten nicht sprechen. Normalerweise.

      »Wer, ich?«, fragte Tim zurück und sah genauer hin. Seine Stimme vibrierte unmerklich. Kein Mensch weit und breit, im Unterholz kein Versteck, das dicht genug war, um von dort einem dressierten Wolf Worte in den Mund zu legen, wie es Tim in Schwerin bei Zigeunern mit Tanzbären gesehen hatte.

      »Ja, du«, erwiderte der Wolf. Obwohl das Tier keine Lippen hatte und sich die beiden Kiefer nur wenig auseinander bewegten, hörte Tim ganz klar die Worte aus der Schnauze kommen. In den Geschichten seiner Großmutter hatte er von sprechenden Wölfen gehört, das hingegen nie für möglich gehalten. Schließlich gab es auch keine sprechenden Kühe, Gänse oder Hasen. Aber Großmutter hatte immer die Wahrheit gesprochen, es gab sie, sprechende Wölfe, hier im Wald, im Harz. Und sie hatten eine tiefe Stimme.

      Das Tier umschlich den Spielmann und setzte sich auf den kühlen Waldboden.

      »Dich schickt der Himmel.« Der Wolf hob ein Bein über den Kopf und putzte sich. Tim sah sich um. Kein weiterer Wolf zu sehen. Trotzdem war Misstrauen angesagt. Schlief Tim nicht, stand vor ihm noch immer ein Wolf, ein heimtückisches Biest, das Menschen fraß, Schafe riss und Füchse terrorisierte.

      »Au«, sagte Tim, der sich unauffällig in den Arm kniff, um einen Traum auszuschließen. »Mich?«

      »Du spielst so, so herzzerreißend, du musst mir das beibringen.«

      »Was?«

      »Das schlechte Spielen.«

      Tims Stimme nahm über die Angst hinweg eine Spur Empörung an. »Schlechtes Spielen? Hör mal«, erwiderte er. Wahrlich, er war auf alles vorbereitet gewesen, auf eine kurze Flucht, einen aussichtslosen Kampf und den Tod, jedoch nicht auf eine Diskussion über die hohe Kunst des Musizierens mit einem Tier, das nicht einmal Hände hatte. »In Halberstadt haben mir die Leute sogar Geld gegeben. Die Gitarre ist nämlich neu, musst du wissen, ich habe sie gerade erst bekommen.«

      Der Wolf stand auf und hechelte vertraulich.

      »Komm, bring’s mir bei.«

      »Im Ernst? Du willst von mir das Spielen lernen?«

      Tim war verblüfft, die Angst weg. Ein Wolf, der nicht bloß sprach, sondern zugleich noch lernen wollte, wie man Gitarre spielte. Besser als ein Wolf, der noch nicht gefrühstückt hatte.

      »Ehrlich, ein so schlechter Musikant wie du ist meine Rettung.«

      »Die Rettung? Aus welcher Lage?« Seine Stimme verriet wachsende Empörung. Wenn der Wolf nicht langsam aufhörte, über die Qualität seines Spiels zu lästern, würde er ausprobieren, ob die Klampfe gleichermaßen als Schlaginstrument zu benutzen war.

      »Ich bin ein verzauberter Königssohn und lebte immer auf einer Burg oder einem Schloss, ganz sicher weiß ich’s nimmer. Denn eines Tages wachte ich auf und war ein Wolf, und neben mir stand eine alte Frau, die sagte, auf mir läge ein Fluch, und erst wenn mir der untalentierteste Spielmann der Welt das Gitarrespiel beibrächte, würde ich wieder zu einem Menschen und mich erinnern, wo ich hingehöre.«

      Der Wolf stand auf und umkreiste den Spielmann wieder. Dessen Augen folgten ihm misstrauisch. »Komm. Bring mir das Spielen bei, genau so schlecht.«

      Einen

Скачать книгу