Was wird morgen sein?. Herr Thönder

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Was wird morgen sein? - Herr Thönder

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      Bis meine Schwester mich umschubste und zum Spielen aufforderte: „Los, Grrk, wer stärker ist“. Schon bald tollten wir zwei immer mutiger umher. Alles, was wir sahen, gehörte jetzt uns. Wir blieben in Mutters Nähe, so wie sie es uns befahl. Wenn wir still sein sollten, blieben wir still. Der Respekt vor unserer Mutter war groß.

      Sie war groß.

      Manchmal entfernte sie sich ein wenig, erlaubte uns Kindern aber, ruhig weiterzuspielen. Nur nicht zu weit weggehen. Rufen, wenn jemand kam.

      Jemand.

      Was sollte das denn heißen? Ich verstand nicht, was sie damit meinte. Was sollte jemand sein? Es gab nichts außer uns dreien. Das Licht konnte Mutter nicht meinen, das war meistens da. Ich war total verwirrt, traute mich aber nicht, nachzufragen. So schwieg ich und wartete.

      Auch damals konnte ich das schon. Ich bin der geborene Jäger.

      Eines Tages rief meine Schwester ganz aufgeregt: „Ich glaube, das ist jemand!“

      Sie blickte in eine Richtung. Ich tat es ihr nach und konnte in weiter Ferne jemand erkennen. Zwischen all dem Weiß bewegte sich etwas, oder besser jemand. Da war jemand. Jemand, der war wie wir. Jemand, der aussah, wie wir, und sich bewegte, wie wir. Jemand wurde immer größer. Ich wurde unruhig. Meine Schwester auch.

      Deshalb riefen wir: „Mama, da ist jemand!“

      Mutter war schnell da und befahl uns, still zu sein, uns möglichst nicht zu bewegen. Langsam ging sie ein paar Schritte auf jemand zu, machte sich groß und schnüffelte. Nach kurzer Zeit entspannte sie sich, drehte sich um und sagte: „Kommt, lasst uns Hörrr begrüßen.“

      Wir waren verwirrt. Was sollten wir tun? Und was war Hörrr?

      Also taten wir, was wir immer taten: Wir folgten unserer Mutter. Immer wieder lugten wir an ihr vorbei und erhaschten einen Blick auf jemand, oder besser: Hörrr. Hörrr sah aus wie Mutter. Hörrr bewegte sich wie Mutter. Wir entspannten uns, denn so jemand konnte nicht böse sein.

      Und als wir ganz nah waren, sahen wir, dass auch Hörrr ein Kind dabeihatte. Während sich meine Schwester sofort ins Spiel mit dem Kind warf, hatte ich ein komisches Gefühl dabei. Ich mochte das Kind nicht.

      Später erklärte mir Mutter, dass das ganz normal und völlig ok war. Ich beruhigte mich, denn ich hatte ein schlechtes Gewissen. Immerhin schienen Mutter und Schwester die beiden zu mögen.

      „Das war ein Junge – kein Wunder, dass Du ihn nicht mochtest“, erklärte Mutter. „Es kann sein, dass ihr später so richtig Stress miteinander bekommt…“

      Auch wenn ich nicht verstand, was sie mir erklärte, spürte ich doch instinktiv, dass sie recht hatte.

      Als ich den Jungen eine Weile später wiedersah, endete es tatsächlich in einer wüsten Schlägerei. Durch die Spaßkämpfe mit meiner Schwester hatte ich damals noch Trainingsvorteile, sodass ich ihn besiegen und verjagen konnte.

      Im Laufe meines Lebens kam es immer wieder zu Konfrontationen. Jede hatte einen anderen Ausgang, doch letztlich habe ich überlebt.

      Mutter nicht.

      Sie hatte uns das Töten beigebracht. Wir waren mittlerweile recht gut darin, uns selbst zu versorgen. Trotzdem suchten meine Schwester und ich weiterhin die mütterliche Nähe. Nur zum Spielen entfernten wir uns manchmal, weil Mutter auch zwischenzeitlich ihre Ruhe wollte. Unsere Spiele endeten immer häufiger tödlich. Nur nicht für uns.

      Eines Tages waren wir zu zweit etwas entfernt ins Spiel vertieft, als wir viele komische Geräusche hörten. Alles zusammen klang wie eines der Gewitter, die wir schon kennengelernt hatten. Der Himmel war aber klar und wolkenlos, trotzdem hielt das Geräusch eine Weile an. Nach dem lauten und plötzlichen Beginn ebbte es dann immer mehr ab. Meine Schwester und ich beruhigten uns, waren jedoch neugierig geworden.

      „Lass uns Mama fragen, was das war“, schlug ich vor und so rannten wir in die Richtung, wo wir unsere Mutter verlassen hatten.

      Sie war nicht da.

      Zumindest nicht ganz.

      Alles, was wir sahen, als wir den letzten Hügel erklommen hatten, war ein Teil ihres Körpers. Sie hatte weder Hände noch Füße noch einen Kopf. Wir erkannten sie nur an einer Narbe am Rücken, die sie schon lange hatte.

      Um sie herum war alles rot. Ihre Reste bewegten sich nicht mehr.

      Meiner Schwester und mir war klar, dass wir nun auf uns allein gestellt waren.

      Für eine Weile, denn irgendwann spürten wir es: Meine Schwester und ich mussten getrennte Wege gehen. Wir sprachen nie darüber. Wir stritten aber immer öfter. Und eines Tages ging sie nach links und ich nach rechts. Seitdem haben wir uns höchstens von weitem gesehen.

      Selbst das war nicht sonderlich friedlich, aber wir ließen uns gegenseitig am Leben.

      Getötet habe ich nur, um zu leben. Schnell, leise, effektiv, schmerzlos.

      Nicht so, wie die komischen Figuren, die immer häufiger in unserer Gegend auftauchen. Komisches Fell, riesige Augen, langsam und unbeweglich. Mit seltsamen Hilfsmitteln, auf denen sie sich sitzend durch die Gegend bewegten. Dann waren sie schnell. Schnell und laut.

      So beschrieb ich sie am Anfang.

      In einer Phase des Friedens hörte ich die Geschichten anderer. Sie sagten, dass diese Wesen Menschen hießen. Dass sie nicht von hier waren. Dass sie hier nicht hingehörten.

      Und dass sie gefährlich waren.

      Aus allen Geschichten konnte ich heraushören: Es waren Menschen, die Mutter getötet hatten.

      Menschen töten. Schnell. Laut. Brutal.

      Sinnlos.

      Ich hatte Angst vor ihnen. Ich wich ihnen aus, sobald ich sie roch oder hörte. Ich zog mich weiter in die ruhigen Gegenden zurück, wenn ich ahnte, dass sie kamen.

      Eines Tages wurde ich überrascht. Ich war nach einer Mahlzeit müde und unaufmerksam geworden. Plötzlich spürte ich einen Stich im Nacken. Ich schrie auf, blickte mich rasend vor Schmerz um – und sah im letzten Moment Menschen. Schon wurde mir schwarz vor Augen.

      Als ich erwachte und meine Sinne langsam wieder zu mir kamen, bekam ich wieder Panik. Menschen, ich muss schnell weg. Überall stank es nach ihnen, sie mussten noch ganz in der Nähe sein.

      Und tatsächlich konnte ich sie noch sehen. Aber sie waren weiter weg, als ich dachte. Wo kam nur dieser Gestank her?

      Egal, erstmal weg von ihnen. Auf ihren komischen Gefährten können sie nicht ins Wasser. Sie bewegten sich weg von mir, meine Panik wurde trotzdem nicht geringer. Es konnte eine Falle sein, sie konnten mir weiterhin auflauern. Ich war noch immer in Lebensgefahr. Ich wollte nur weg.

      Ich rannte zum Wasser, um mich zu verstecken und zu reinigen. Auf dem Weg fiel mir dann aber auf, warum der Gestank einfach nicht weniger werden wollte: etwas hing um meinen Hals. Ich machte eine Vollbremsung und versuchte, es abzustreifen.

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