Was wird morgen sein?. Herr Thönder

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Was wird morgen sein? - Herr Thönder

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wurde. Nicht, was ihre Gefühle für Maria anging. Sie war aber noch nicht bereit, sich zu outen. Das verletzte Maria. Sie stritten immer häufiger. Jana war so fertig mit sich und der Welt, dass sie sogar die Schulpsychologin in Anspruch nahm. Hier konnte sie auch die Probleme mit den Mitschülern ansprechen. Diese sahen sie schon immer als Sonderling, als komisch und als Freak. „Mit Mobbing ist nicht zu spaßen“, sagte die Psychologin immer.

      Die Gespräche halfen Jana ein wenig, doch sie konnte den Gedanken, mit ihren Eltern wegzufahren, Maria im Unfrieden zurückzulassen, kaum ertragen.

      Und dann die Nachricht.

      Jana war so außer sich, dass sie zur Ponte 25 de Abril ging. Sie setzte sich auf die Brüstung und schaute sich den Sonnenuntergang an.

      Ob sie springen wollte, wusste sie selbst nicht.

      Jedenfalls kam plötzlich ein deutscher Junge. Einer, den sie zuvor schon am Strand kurz gesehen hatte. Er stellte sich als Lewis vor. Ihre Eltern hatten sich kennengelernt und als alle in Aufruhr waren hatte Lewis als einziger eine echte Idee, wo Jana sein könnte. Kurzerhand ging er auf eigene Faust los und traf Jana tatsächlich auf der Brücke an. Es war der einzige Ort, an dem er suchen wollte.

      „Hier sieht man den Sonnenuntergang am besten“, sagte er lapidar.

      Zu dem Zeitpunkt wusste Jana schon, dass Maria nur sagen wollte, dass sie jetzt auch im Urlaub sei. Sie wollte sich kurz bei Jana verabschieden – aber nur für die Zeit, in der sie mit ihren Eltern weg wäre. Jana war bereits erleichtert, als Lewis sie traf.

      Er war auch ein Außenseiter in seiner Familie, sie verstanden sich schnell. Seitdem schrieben die beiden sich relativ regelmäßig. Einfach mal erzählen.

      Lewis war der erste, dem Jana ihre Gefühle für Maria offenbarte. Die lockere Art, wie er damit umging, freute Jana.

      Ob ihre Eltern auch so locker damit umgehen könnten?

      Überraschenderweise konnten sie das. Zumindest nach einem ersten Zögern.

      „Klar,“ dachte Jana wieder, „sie mussten ja erstmal ihre Vorstellung von Schwiegersohn und Enkeln begraben.“ Ein kurzer Trauerprozess.

      Denn Jana und Maria hatten auch kurzen Prozess gemacht.

      Nach ihren Urlaubsreisen hatten sich Jana und Maria sehr bald wiedergesehen. Maria hatte bei Jana vor der Tür gestanden und sie waren sich um den Hals gefallen. Kurzentschlossen hatte Jana Maria in die Augen geschaut, kurz: „Bereit?“ gefragt, den erfreut-verdatterten Blick von Maria als „ja“ gewertet, sie an der Hand genommen und war mit ihr ins Wohnzimmer zu ihren Eltern gegangen.

      „Mama, Papa, Maria ist meine Freundin, wir lieben uns!“

      Janas Eltern waren still, suchten nach der Ernsthaftigkeit in Janas Blick. Als Jana es schon fast nicht mehr aushielt, sagten ihre Eltern fast gleichzeitig: „Ok. Isst Du heute Abend mit uns, Maria?“

      Die beiden Mädchen waren komplett überrumpelt. Maria stotterte nur: „J-ja, gerne“, und verschwanden in Janas Zimmer – wo sie erst einmal ein heftiger Lachkrampf schüttelte. Die Erleichterung war unermesslich, ihre jeweilige Angst war wie weggeblasen.

      Immer, wenn Jana sich an diesen Moment erinnerte, musste sie unweigerlich lächeln. Kurz darauf wurde ihr immer heiß, denn sie musste auch daran denken, was dann geschah.

      Als sie nicht mehr lachten, nahm Maria Janas Gesicht zärtlich zwischen ihre Hände, hauchte ein: „Danke!“ und küsste sie sanft. Ihre Küsse wurden immer leidenschaftlicher und sie begannen, sich gegenseitig zu erkunden.

      Total natürlich fühlte es sich an, die Haut der jeweils anderen zu streicheln und zu küssen, noch natürlicher, die Nacktheit der anderen zu bewundern. Langsam, still und beinahe ohne Worte leiteten sie sich gegenseitig an. Sie lernten, was der anderen, aber auch was jeder selbst gefiel. Sie wuchsen gemeinsam und ihre Beziehung wurde stetig fester.

      So sahen sie sich den Rest der Ferien so häufig wie möglich. Trotzdem ließen sie sich auch Zeit für ihre alten, zum Teil nicht geteilten Hobbys. Während Maria ein Pferd besaß und regelmäßig ritt, ging Jana zweimal in der Woche zum Hip-Hop-Tanzen. An diesen Tagen hatten sie manchmal nur kurz Zeit für ein Telefonat. Aber auch das fühlte sich gut an.

      Janas Eltern verloren kaum ein Wort darüber, dass ihre Tochter ihnen aller Voraussicht nach niemals Enkelkinder schenken würde. Sie sagten aber auch nicht, dass sie das schrecklich finden und Jana enterben oder sie aus dem Haus jagen würden. Im Gegenteil war ihr Umgang beinahe locker. Sie wirkten erleichtert, endlich zu wissen, was an ihrer Tochter anders war.

      Auch sie hatten die Entfremdung zwischen ihnen und Jana gespürt, wussten aber nicht, woran es lag. Dass es nur war, weil Jana sich zu Frauen hingezogen fühlte, machte es ihnen leichter.

      So erzählte es Janas Vater ihr zumindest, als er sie am letzten Dienstag vom Tanzen abgeholt hatte. Die beiden hatten länger an einem defekten Bahnübergang im Auto gestanden und völlig unvermittelt hatte ein intensives Gespräch begonnen. Janas Vater hatte ihr seine Sicht vom Lissabon-Urlaub erzählt („Ich wäre fast ohnmächtig geworden vor Angst“) und dann hatten sie über Maria und Janas Beziehung zu ihr gesprochen.

      Das Gespräch war so entspannt, dass Jana fast auch ihre Ängste erzählt hätte. Da kam aber die Öffnung des Bahnübergangs dazwischen und Jana verschluckte es.

      Wie immer. Sie schluckte alle Demütigung, alles Mobbing, alle Ängste – bis sie kotzen musste.

      So auch vorhin. Ihre Angst vor dem Schulbeginn war übermächtig.

      Schon vor den Ferien war sie geärgert worden. Alles hatte mit ihren herausragenden Leistungen angefangen. Obwohl ihr diese mehr oder weniger zufielen, wurde sie als Streberin und Schleimerin beschimpft. Das ging jedem so, der in der Schule gut war.

      Im Laufe der Zeit wurde es aber persönlicher. Ihr Eigentum verschwand oder wurde beschmutzt. Sie wurde angerempelt. Manchmal, wenn jemand ganz mutig war, bekam sie Briefchen mit Schimpfworten und Beleidigungen („Freak“, „Du bist häslich“, „Du stingst“) – Jana konnte nach einer Weile nicht einmal mehr über die Rechtschreibfehler lachen.

      Am schlimmsten waren aber die Blicke. Ihre Mitschüler und Mitschülerinnen guckten sie entweder gar nicht an, oder es lag eine so tiefe Abscheu in ihrem Blick, dass Jana oft nur noch weggucken konnte. Die Blicke verfolgten sie bis in ihre Träume, aus denen sie oftmals hochgeschreckt war.

      Durch den Schlafmangel wurde sie unkonzentriert, was ihr diverse Lacher eingebracht hat. Leider keine freundlichen.

      Vor allem die Blicke waren es, vor denen sich Jana jetzt fürchtete.

      Diesmal vor ihren eigenen Blicken.

      Mit Maria hatte sie sich darauf geeinigt, dass sie in der Schule behutsam vorgingen, was ihre Beziehung anging. Sie wollten sich nicht sofort um den Hals fallen und küssen, sondern sich normal, wie normale Freundinnen begegnen.

      Doch Jana wusste, dass sie ihre eigenen Blicke, mit denen sie Maria anschaute, nicht kontrollieren konnte. Sie würde sie verliebt anschauen. Sie würde mehr lächeln. Die würde rot werden.

      Und das würden die anderen sehen. Und darüber reden.

      Und

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