Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens. Helmut Lauschke

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens - Helmut Lauschke страница 21

Автор:
Серия:
Издательство:
Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens - Helmut Lauschke

Скачать книгу

die „PLAN-fighter“ der SWAPO bekämpfe. Es gehörte zu ihrer Strategie, die friedliche Seite der Okkupationsmünze so sichtbar wie nur irgend möglich zu machen. „Das ist also die Politik mit Zuckerbrot und Peitsche“, meinte Dr. Ferdinand, „die Uniformen der Besatzungsmacht ins Hospital zu tragen.“ „Natürlich ist das Politik“, bejahte Dr. Witthuhn, „die Menschen haben das durchschaut, die sind doch nicht dumm. Sie haben ein feines Gespür für das, was abläuft, und misstrauen dem Militär wie den Weißen generell.“ Ernüchtert stellte Dr. Ferdinand fest: „Dann kann ein Teamgeist, wie ihn die Matrone beschwor, nie entstehen.“ „Das ist es eben“, sagte Dr. Witthuhn. „In einem Apartheidsystem ist ein solcher Geist von vornherein ausgeschlossen. Die Buren sind eine geschlossene Gesellschaft für sich, die in Zeiten wie dieser besonders eng zusammenhalten. Wenn es um die Einbeziehung der Schwarzen geht, lehnen sie sofort ab. Das ist die Burenmentalität, dass nur der Weiße herrschen kann, dem sich die Schwarzen zu fügen haben. So haben es die Buren von ihren Hugenotten-Vorvätern gelehrt bekommen, und genauso behalten sie es ohne Wenn und Aber bei. Es ist ein Dilemma, was die Politik, die in Pretoria gemacht wird, anrichtet.“ „Dabei ist hier wirklich Not am Mann“, sagte Dr. Ferdinand. So dokumentierte das Militär die Abhängigkeit der Bevölkerung von den weißen Ärzten in Uniform. Den Menschen sollte klar gemacht werden, dass ohne die weißen Südafrikaner im Lande nichts geht, auch nicht in der ärztlichen Versorgung. Dr. Ferdinand erkannte die Teufelsspirale mit der Ausweglosigkeit der Menschen hier. Diese Spirale wurde über Generationen sisyphusartig ausgearbeitet und war mit friedlichen Mitteln nicht aufzubrechen. Das Aufbrechen wurde versucht, aber es scheiterte an der Ohnmacht der Schwarzen, die es dann jedes Mal schlimmer zu spüren bekamen. In der Politik zählte die Macht, und die Macht war bei den Weißen. „Glaubst du“, fragte ihn Dr. Witthuhn, „die Bothas und wie sie alle heißen würden den Schwarzen jemals die gleichen Rechte zugestehen? Ich sage dir, sie werden es nie tun, solange sie an der Macht sind und die Schalthebel unter ihrer Kontrolle haben. Die Schwarzen sollen auf immer und ewig abhängig bleiben, sie sollen auf den Knien vor ihrem ,Baas’, dem Herrn und Meister, rutschen, zu ihm aufsehen, als wäre er der liebe Gott persönlich. Sie sollen die Hiebe und das Peitschen weiter hinnehmen und ihm danken, dass er ihnen Brot und Arbeit gibt. Das ist es, warum die Schwarzen den Weißen abgrundtief misstrauen.“

      „Und was ist mit der Resolution 435?“, fragte Dr. Ferdinand. „Das nehmen die in Pretoria erst gar nicht ernst und machen sicherlich ihre Späße darüber“, antwortete Dr. Witthuhn. „Der Bure ist einfach so erzogen worden. Er nimmt es als selbstverständlich hin, dass er einem auserwählten Volk angehört mit dem Auftrag, über die Schwarzen zu herrschen, sie in die weiße ,Zivilisation’ zu führen und dort einzugliedern, wo sie in der weißen Gesellschaft hingehören, nämlich ganz unten.“ Dr. Ferdinand erwiderte: „Das hat aber mit Zivilisation nichts zu tun, wenn sie die Schwarzen wie Sklaven behandeln und sie nach Strich und Faden ausbeuten.“ Dr. Witthuhn, Sohn eines Missionars und in der Kap-Provinz geboren, referierte nun ausführlicher aus der Geschichte der Buren: „Als es den protestantischen Weißen im Frankreich des vierzehnten Ludwigs schlecht ging, da ihnen wegen ihres reformierten Glaubens die Menschenrechte aberkannt wurden, verließen sie das Land und kamen als Hugenotten, was so viel heißt wie ,Menschen in Not’, ans Kap. Andere emigrierten nach Preußen, denen der Preußenkönig zum reformierten Glauben auch das Wohnrecht einräumte. Diese Menschen in ihrer Glaubens- und Rechtsnot kamen mit Frauen, Kindern und wenig Habe ans Kap. Dort siedelten sie sich an, versuchten das Glück des Lebens mit ihrem reformierten Glauben noch einmal, bauten die Kirche zum Beten und strichen sie innen und außen weiß an, damit es auch mit dem Beten stimmte. Ihnen sagte das milde Klima zu, das sie noch aus Frankreich kannten. So entschieden sie sich für das fruchtbare Land, das sie den ,Khoi-khois’ (Hottentotten) buchstäblich wegnahmen, als sie die eigentlichen Landbesitzer aus ihren Hütten und von ihren Feldern und Weidegebieten vertrieben, wobei sie außer dem Beten auch von Knüppeln, Stöcken, Peitschen und französischen Karabinern Gebrauch machten, um bei der Landbesetzung keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, was sprachlich wie zeichensprachlich durchaus möglich war. So gruben sich die Menschen aus der französischen Not im fruchtbaren Boden am Kap ein, brachten mit ihrem Eintreffen gleich die Ureinwohner und vorherigen Landbesitzer in afrikanische Not und hielten seitdem am guten Boden fest. Der Boden war so fruchtbar und weit, dass die eingewanderten Weißen aus Frankreich dem Kap den Namen ,Kap der Guten Hoffnung’ gaben, was später mit dem Aufkommen der Sprache des Afrikaans ,Kaap van die Goeie Hoop’ hieß. Die Ureinwohner konnten es nicht glauben. Dafür glaubten die Buren fester an das gute Land. Erzbischof Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger 1984, brachte die Landsituation auf den historisch-religiösen Punkt: ,Als die Weißen kamen, hatten sie die Bibel in der Hand, und wir hatten das Land. Danach hatten sie das Land und wir die Bibel. Vielleicht haben wir das bessere Los gezogen.’ So war das Erste die weiß gestrichene Kirche mit dem calvinistischen Glauben. Doch das Zweite kam sogleich mit dem fruchtbaren Boden. Da unterjochten diese Glaubensbrüder die ,Khoi-khois’, die ,Abathwas’ (Buschmänner) und die später hinzugezeugten ,Cape-coloureds’ (Kinder weißer, portugiesischer und holländischer Einwanderer und eingeborener Frauen), machten sie land- und rechtlos und verdingten sie zur Feld- und Sklavenarbeit. Bei den Landenteignungen schreckten die calvinistischen Brüder in keiner Weise vor der Gewaltanwendung zurück. Im Gebrauch von Handfeuerwaffen waren sie europäisch geübt. Da hatten die Einheimischen, die auf den Boden ihrer Väter vertrauten, den Weißen nichts entgegenzuhalten. Das Flehen und Reden der Frauen und Mütter mit den verängstigt weinenden Kindern ließen die calvinistisch reformierten Glaubensbrüder ebenso wenig gelten wie die verzweifelten Verteidigungsversuche ihrer Männer und Väter. Das stieß auf taube Ohren und eiserne Herzen. Es half nichts, sie alle wurden vertrieben. Im Falle der Notwehr wurden die Männer vor den Augen ihrer Frauen und Kinder zusammengeschlagen und ausgepeitscht, an Händen und Füßen gefesselt und abtransportiert, wo dann andere Foltermaßnahmen zum Zuge kamen. Da kannten die Weißen kein Erbarmen, mit denen der vierzehnte Ludwig in Frankreich auch kein Erbarmen hatte. Es war die Enthüllung der Apokalypse von weißer Hand mit Knebelung und Wehrlosmachen der anderen Hände, die schwächer, recht- und besitzmäßig ohnmächtig waren. So war es verständlich, dass die Weißen auf den Willkommensgruß der Schwarzen (wie absurd!) nicht erst warteten, sondern sich sogleich aufs hohe Ross schwangen, um von höherer Warte die Übersicht über die Weiten des fruchtbaren Landes zu bekommen und mit der Übersicht die Besitzübernahme zu erklären, das Land unter sich aufzuteilen und mit den weißen Siedlungen unverzüglich zu beginnen. Da war die Absicht vorgegeben, das Land den anderen so schnell wegzunehmen, dass die so schnell gar nicht denken konnten. Deshalb ging die ,Flurbereinigung’ auch zügig vonstatten, da die Vorbesitzer fluchtartig ihre Hütten verließen. Sie liefen mit ihrem Leben so schnell davon, als hätte ihnen das Land noch nie gehört. Mit der Skrupellosigkeit dieses Weitblicks haben es die Weißen zu großen Ländereien gebracht, auf denen die vormaligen Besitzer wie Sklaven die Feldarbeit verrichteten. Es war die Kolonisation, für die das Altangestammte mit der afrikanischen Tradition störte und deshalb wie ein alter Baum umgelegt wurde, wobei es eine Ehrfurcht vor der Stammesstärke und der weit ausladenden Baumkrone nicht gab. Das Alte wurde enthauptet, die alten Bäume in Bodennähe weggeschlagen und niedergemacht. Da durfte sich keiner in den Weg stellen, weil er da gleich mit niedergemacht wurde. Die Wurzeln wurden aus dem Boden gerissen und in kleine Stücke zerhackt. Das Alte mit der afrikanischen Tradition wurde unkenntlich gemacht, und wenn es verbrannt werden musste. Was einst bewundert und verehrt wurde, das gab es nicht mehr, seitdem die Weißen da waren und vom ,Kaap van die Goeie Hoop’ sprachen.“ Die Sätze des Dr. Witthuhn, der sich bei den Buren gut auskannte, hatten symbolhaften Charakter. Dr. Ferdinand hatte das Bild des weißen Drachens vor Augen, mit seinem weit aufgerissenen, gefräßigen Rachen und dem messerscharfen, blendend weißen Gebiss. Dr. Witthuhn fuhr fort: „Bald machten die weißen Siedler es ökonomisch; sie fassten die vielen kleinen ,herrenlosen’ Ländereien zusammen und machten aus einer großen Summe von kleinen Feldern eine kleine Summe von großen Farmen, auf denen die einstigen Besitzer nun als Arbeiter mit dem Recht, kein Recht mehr zu haben, für den neuen, auf dem hohen Ross sitzenden und streng herabblickenden Landlord dienten. Damit hatten die eingesiedelten Hugenotten den Beweis erbracht, dass sich ihr Glaube und ihre unbezwingbare Standfestigkeit bewährt hatten. Ihr Erfolg, der bei ihrer Skrupellosigkeit nicht ausbleiben konnte, widersprach den anfänglichen Befürchtungen. Sie dankten Gott für seinen Segen und hielten sich mit

Скачать книгу