Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens. Helmut Lauschke
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Afrikaans war ihre Sprache, und die Sprache der Herrschaft zugleich. Dieser Sprache, weil sie so viel „Segen“ brachte, setzten sie ein großes Monument am Rande Pretorias. In die herrschende Burenklasse drängten sich erst später mit der zunehmenden Industrialisierung und Verstädterung durch die boomende Kohle-, Gold- und Diamantenschürfung andere Weiße hinein, deren Muttersprache Englisch war, wenn es sich um besonders kapitalkräftige Magnaten handelte. Da war es das Geld, was bei den Buren das Land und der Boden war. Was das Englische mit dem Afrikaans verband, war der eiserne Wille, das Land, das man zum Nulltarif den anderen durch gemeine Tricks abgeknöpft hatte, bis auf den Grund auszubeuten, wofür Millionen nichtweiße Hände zur Verfügung standen, um für peinliche Spottlöhne die Dreckarbeit zu machen. Das Teilen im Herrschen fiel den Buren nicht leicht, die selbst den Weißen, die nicht ihr Afrikaans sprachen, stets reserviert und mit Misstrauen gegenübertraten, weil sie die Brandzeichen der Hugenotten noch nicht vergessen hatten. So gehörte es zur klassisch burischen Denkweise, dass diesem Klub nur die „Auserwählten“ mit der reinen burischen Sprache angehören durften. Das viele Geld der Englischsprachigen machte der burischen Reinheit einen Strich durch die Rechnung, weil sich diese Geldsäcke regelrecht in den Klub der Herrschenden eingekauft hatten, wogegen die Sprache aus dem Flämisch-Holländischen auch nichts mehr ausrichten konnte. Dennoch blieb die Abneigung gegen andere Sprachen und anders Sprechende bis auf den Tag bestehen, so wie die tiefe Abneigung gegen alles Katholische bestehen blieb, ob römisch, griechisch oder russisch-orthodox.
Die Glaubens- und Willensstärke sowie die angeborene Dickschädeligkeit waren typisch burische Merkmale, die beim Denken in längst aus- und festgefahrenen Einbahnstraßen eine Brillentendenz hatten, die vergrößerte, wenn es um die eigenen Belange ging, und verkleinerte, wenn es um die Belange anderer und um die übrige Welt ging. Fleiß und Ausdauer, erdbezogene Gründlichkeit und eine weiß bezogene Frömmigkeit mit einer unvorstellbaren, konsequent eingehaltenen Rücksichtslosigkeit gegen Menschen der nichtweißen Hautfarbe haben dem Burenvolk einen Wohlstand gebracht, der bemerkenswert und ungewöhnlich deshalb ist, weil sie so viel Grundbesitz und Reichtum in Europa mit rechten Dingen nie erworben hätten. Die Buren haben außer diesen Dingen, über die man rechtlich zumindest anderer Meinung sein kann, bedeutende Prediger, Ärzte, Professoren der calvinistischen Theologie und Wissenschaftler, große Schriftsteller und Künstler hervorgebracht. Da gibt es keinen Zweifel. Die Politiker der afrikaansen Sprache sollten aber auch nicht unerwähnt bleiben, die es mit ihrem Erzkonservatismus, der Wagenburgmentalität und der weißen Blindheit durch die Hautfarbenorthodoxie geschafft hatten, sich von der großen Völkerfamilie durch ihr Auserwähltsein abzusondern. Sie waren es, die stets geneigt waren, die schwarze Problematik nicht erst zu erwähnen, und wenn sie es, aus welchen Gründen auch immer, trotzdem taten, dann setzten sie die bewährte Verkleinerungsbrille auf, die in der untersten Schublade der Apartheid für diese Fälle bereitlag. Es war eine vorpräparierte Spezialbrille mit einem verschnörkelten breiten Rahmengestell, in das zwei auffallend enge Gläser des eckigen Querformats eingefasst waren. Die Gläser standen wie bei der Lupenbrille eng zueinander und berührten den Nasenrücken direkt. Doch sie verkleinerten anstatt zu vergrößern. Um alle Unsicherheiten beim Durchblicken zu vermeiden und allen Eventualitäten vorzubeugen, waren die Gläser zusätzlich mit einer dicken Weißschicht überzogen, die jedem Abkratzversuch makellos widerstand. Es gehörte schon zur Routine, dass weiße Politiker vom Burengeschlecht sich diese Brille in dem Augenblick auf die Nase setzten, wenn sie auf die schwarzen Probleme zu sprechen kamen, und der Redner durch ihren Gebrauch weder in Schwarz sehen noch schwarz sehen konnte. Und weil er jedes Mal weiß sah, wo er hätte schwarz sehen sollen, glaubten ihm am Ende der Rede die meisten Weißen auch dieses Weiß, weil sie bereits weiß kontaminiert waren und es schwärzer auch nicht sehen wollten. Dennoch gab es wenige der weißen Zuhörer, deren Zahl mit den Jahren stieg, die da schwarze Bedenken hatten, sich besorgt anschauten und einander zuflüsterten, dass auch dieser Politiker von der weißen Blindheit geschlagen sei. Eine Vorliebe hatten die Präsidenten und ihre getreuen, politisch hörigen Gefolgsleute gemeinsam, nämlich dass sie Gott mehrere Male in ihren lang gezogenen, einseitig abgestumpften Reden beim Namen nannten, wo sein Name gar nicht angebracht war. So sprachen