Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens. Helmut Lauschke

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens - Helmut Lauschke страница 26

Автор:
Серия:
Издательство:
Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens - Helmut Lauschke

Скачать книгу

Frauen hatten die Tests sogar mit Auszeichnung bestanden und damit den doppelten Etagensprung nach oben erreicht. Es soll Fälle gegeben haben, in denen jüngere Damen nach einer solchen Prüfung mit einer besonders gründlichen Einsichtnahme nicht nur eine Etage oder zwei übersprungen haben, sondern gleich ganz oben in den Chefetagen gelandet sind. Zur täglichen Beförderung der Schreibärsche auf die ihnen zugewiesenen Etagen gab es im Pyramidenbau einen geräumigen, fast geräuschlos auf- und abgleitenden Fahrstuhl mit einem Spiegel, der die gesamte Rückwand einnahm. Um den Fahrstuhlschacht herum ging winklig eine enge Treppe für jene nach oben, die es mit ihren Beinen und Füßen in die höheren Etagen schaffen wollten. Es waren die Ausnahmen, denn die Ärsche, besonders die von den obersten Etagen, lehnten die Benutzung dieser Einrichtung ab, weil sie unter dem Niveau ihrer Ärsche war. Mit anderen Worten: Sie muteten ihren Rundungen die enge Treppe nicht zu, die nur zu unnötigen Quetschungen der Gesäßausladungen geführt hätte. So warteten ganze Arschmassen geduldig auf das Ankommen des Fahrstuhls. Nach dem Öffnen der Tür betraten die dicksten und die größten Ärsche den Fahrstuhl zuerst. Die Tür hatte sich noch nicht geschlossen, als dem jeweils obersten Arsch unterwürfig der Zutritt zum Spiegel gewährt wurde, vor dem er sich dann ruhig und schamlos bespiegelte und einer eingehenden Gesichts- und Gesäßkontrolle unterzog. Das machten ihm dann auf die gleiche Weise die kleineren Ärsche nach, wenn die Zeit im Fahrstuhl zur Bespiegelung noch reichte. Was hatte es mit der Bespiegelung auf sich? Es war eine Selbstbespiegelung mit der Vorspiegelung von Tatsachen, von denen er offensichtlich selbst noch nicht überzeugt war, wie der Außerordentlichkeit und Wichtigkeit seiner Person. Das Spiegelbild sollte ihm als Oberarsch seine Bedeutung vor Augen halten und ihm die fehlende Sicherheit geben. Er legte bei der Selbstbespiegelung großen Wert darauf, dass ihn die kleineren Ärsche als ihren Oberarsch respektierten. So war das Bespiegeln, zu welcher Tageszeit es auch stattfinden mochte, ein wichtiges Ritual. Das platte, verquollene und sonst nichtssagende Gesicht drückte sich mit der Nase gegen den Spiegel und setzte eine Miene der Wichtigkeit auf, die Hand fuhr bedeutungsvoll durch das gerupfte Haar und legte die Zottel exakt zurecht, die Augen prüften den Hals auf seine Kürze und Stiernackigkeit und betrachteten den Arsch von beiden Seiten. Es war eine Prozedur, die in eingefahrenen Gleisen lief und stets kritisch, wenn auch nicht selbstkritisch, überwacht wurde. So machten es ihm die anderen nach, bevor sie in den verschiedenen Etagen ausstiegen, sich in ihren Schreibtischstühlen niederließen, aus dem Südfenster in Richtung Pretoria blickten und die Kopfnickbewegung einschalteten. Die kleinen machten es den großen Ärschen nach, weil auch sie der größeren Arschkategorie der nächsten Etage angehören wollten, weil mit dem Aufstieg auf der Karriereleiter unweigerlich das höhere Gehalt verbunden war, mit dem sie ihren Frauen noch imponieren konnten. Die Etagierten brachten es zum Erfolg, wenn sie den Zustand der idealen Proportionalität erreicht hatten, jenen Idealzustand, in dem Häufigkeit und Dauer der pretorianischen Fensterblicke, die Ausdauer in der Kopfnickbewegung, die Breite der Stiernacken und die Ausmaße der Ärsche, bei den Damen kamen Busenumfänge und Wippweiten hinzu, der Etagenhöhe voll entsprachen. Die Schreiberlinge und Sekretärinnen mit der idealen Proportionalität befanden sich im harmonischen Schwebezustand, was bedeutete, dass sie aufgrund der idealen Übereinstimmung die geforderten Kriterien erfüllten und bereits unter der Decke zur nächsten Etage schwebten, die nun zum Greifen nahe war. Sie wussten aus den Erfahrungen ihrer Vorgänger und Vorausgeschwebten, dass es nun nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie befördert wurden. Da konnten es die meisten nicht abwarten, dass sie der Fahrstuhl eine Etage höher beförderte, womit ihnen gleichzeitig mehr Gelegenheit zur Selbstbespiegelung zustand. Je höher ein Schreibarsch fuhr, desto neidvoller beäugten ihn die Fahrstuhlmitfahrer, weil sie vor ihm wieder aussteigen mussten. Der Schreibarsch mit den idealen Proportionen wurde daher von den Mitärschen der jeweiligen Etage bewundert und als Vorbild genommen. Sie bescheinigten ihm, wenn auch mit Neid, das Idealbild eines Schreibarsches zu sein. Einer jungen Frau mit dem beneidenswerten hormonellen Status bescheinigten sie das Idealbild einer Sekretärin.

      Was im Pyramidenbau noch angenehm auffiel, waren die Teeküchen, auf jeder Etage eine, die etagenaufwärts größer und voller eingerichtet waren. Die Wände der Teeküchen waren bis zur sechsten Etage weiß gestrichen und von der siebenten Etage aufwärts mit teuren Kacheln ausgelegt. In den Teeküchen auf den beiden obersten Etagen hingen großformatige Fotos von den Sambesi-Wasserfällen und mit Jagdszenen in der Kalahari, in Sambia und Tansania an den Wänden, auf denen auch die Chefs mit Freundesärschen neben erlegten Antilopen, Kudus und Büffeln abgebildet waren. Andere Fotos zeigten die Großärsche bei Fress- und Saufgelagen mit Feuer und Gespießtem, mit heruntergerutschten Hosen beim Durchqueren des Oranje und andere mit anders heruntergelassenen Hosen bei zweifelhaften Unternehmungen. Was an den Teeküchen auffiel, war, dass sie nach oben hin größer wurden, obwohl die Etagen, wie es sich für einen Pyramidenbau gehört, kleiner wurden. Je höher es mit den Etagen ging, desto größer wurden die Eisschränke. Ebenso nahm der Küchenluxus zu. Während die Wandregale in den Teeküchen der unteren Etagen mit ganz gewöhnlichen Tassen, von den einige bereits Sprünge hatten, voll gestellt waren, und nur eine alte Kaffeemaschine auf einem abgewetzten Tresen stand, wurden die Tassen auf den Wandregalen der Teeküchen in den höheren Etagen weniger, dafür aber größer und bunter. Auch die Kaffeemaschinen wurden, je höher es ging, moderner und vielseitiger, was Getränke wie türkischen Mokka und italienischen Cappuccino betraf. Auf den Regalen in den Teeküchen der Chefetagen standen neben verzierten Großtassen mit ausladenden Henkeln, durch die eine Kinderhand passte, Unmengen von Gläsern in allen Größen und Formen, die jeder Situation gerecht wurden. Der Besucher kam ins Staunen, als er auf den oberen Regalen eine Überfülle an Knabberzeug, Gebäck, Pralinen und Schokoladentafeln südafrikanischer, italienischer und belgischer Herkunft vorfand. Dann war er nicht mehr überrascht, durchsichtige Plastiktüten im obersten Regal zu erkennen, die mit getrocknetem Biltong gefüllt waren. Er nahm sich das Recht nicht heraus, den größten Eisschrank im Pyramidenbau, einen so großen hatte er noch nie gesehen, zu öffnen, um die gekühlten Getränke zu betrachten. Die Größe des Eisschrankes empfand er anmaßend, weil er die Notwendigkeit eines solchen Riesenkastens für eine kleine Etage nicht verstand. In den Chefetagen waren alkoholische Getränke offensichtlich zugelassen. Dafür sprachen die abgestellten Gläser neben der Spüle sowie die geleerten Bier-, Wein- und Whiskyflaschen in den Abfallkörben. „Kein Wunder“, schoss es dem nachdenklichen Beobachter bei der Ungleichheit der Teeküchen durch den Kopf, „dass die Ärsche und ihre Stiernacken von unten nach oben zunehmen.“ Was die Sitzmöglichkeiten betraf, so saß er in den beiden untersten Etagen auf einem Holzstuhl, als er darauf wartete, dass der Fehler in einem Vierzeilenschreiben bereinigt wurde. Eine noch jugendliche Dame in der Bodenetage hatte ihm das Warten auf dem Holzstuhl angeboten, während sie mit dem Papier verschwand. Er machte vom Warten reichlich Gebrauch und übte sich in Geduld. Eine Bemerkung, dass er in Eile war, hielt er in Anbetracht der lauten, kichernd-zwitschernden Geschwätzigkeit der Bodenärsche für nicht angebracht, wobei einige genüsslich in ihren Nasen rumpopelten, was er als ekelhaft empfand. Er sah ein, dass Worte aus dem Repertoire des guten Benehmens während der Dienstzeit fehl am Platze waren, da sie nur missverstanden würden und unnötige Gegenreaktionen bei den Ärschen ausgelöst hätten. Das wollte er vermeiden, um Strafaktionen aus dem Wege zu gehen. Es war leicht möglich, dass sie ihn noch länger warten ließen, oder ihm gegen besseres Wissen schlichtweg mitteilten, dass er an der falschen Stelle oder die Sachbearbeiterin auf Mutterschaftsurlaub war. Die junge Dame kam nach einer Stunde zurück und überreichte ihm das korrigierte Vierzeilenschreiben mit Unterschrift der vorgesetzten Sachbearbeiterin der höheren Etage und Stempel. Von der dritten bis zur sechsten Etage gab es dann gepolsterte Stühle, die bequemer waren und für die Mitteletagenärsche breitere Sitze hatten. Der Besucher konnte sich wie ein König fühlen, wenn er sich nach vorheriger Absprache in die bequemsten Polstersessel der beiden letzten Etagen setzte, die ganz oben mit Kuduleder überzogen waren. Dort wurde er von den Mogulärschen des Hauses, die keine Steigerung zuließen, wie ein hochrangiger Politiker, der die Schalthebel der Macht noch in den Händen hielt, empfangen und mit einem fleischigen Händedruck begrüßt. Dem Besucher gegenüber und an den Seiten ließen sich die machthellhörigen, gepuderten Drohnen in die Sessel fallen und füllten sie voll mit ihrer Arschigkeit aus. Die Unterredung über banale Themen fand in der Sprache der Buren statt, als wären sie dem Englischen abgeneigt. Es war ein großer Raum mit holzgetäfelten Wänden, in dem ein mächtiger Tisch von sechs

Скачать книгу