Eine irische Ballade. David Pawn

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Eine irische Ballade - David Pawn

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der Pokerprofis für die armen Irren, die sich allzu bereitwillig ihr Geld abnehmen lassen, weil sie von Wahrscheinlichkeiten und Strategie keinen Schimmer haben und denken, Poker sei wie Roulette. Was für diese Leute auch stimmt, sie verlieren bei beiden Spielen.

      Ich saß also im Baden-Badener Casino und schaute mir sehr gründlich die Herren an, mit denen ich gemeinsam am Tisch war. Während dies sonst nur dazu dient, meine Gewinnchancen zu verbessern, hatte ich an diesem Tag noch ein weiteres Ziel. Ich suchte einen neuen Herrn, eine neue Familie.

      Mir gegenüber saß ein dicker Amerikaner. Er war mir unsympathisch und hatte keine Chance, weder auf einen Gewinn noch auf meine Gunst. Auch der neben ihm sitzende Scheich nicht, bei dem die Dollarscheine aus jedem Knopfloch guckten. Ich bin eigentlich nicht voreingenommen, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass der sich tatsächlich noch einen Harem in seiner Heimat hielt. Zumindest hatten Frauen bei ihm nichts zu melden. Wenn er zu mir rüber schaute, hatte ich jedes Mal das Gefühl, er hielte mich für eine niedere Spezies – eine Bettwanze oder so.

      Links von mir saß ein alter Mann. Ich hatte in der vergangenen Woche ein paarmal mit ihm am Tisch gesessen. Er spielte sehr vorsichtig. Seine Gewinne waren klein, seine Verluste waren klein. Ich nahm an, er käme nur ins Casino, um die Zeit totzuschlagen, die ihm vom Leben blieb. Das fortgeschrittene Alter war an sich egal, weil er drei Kinder hatte, zwei Töchter, einen Sohn. Aber die wohnten alle viel zu verstreut. Ich suchte einen richtigen Herrn, wenn schon nicht mit Familienstammsitz, so doch wenigstens mit einem Haus.

      Rechts von mir saß ein weiterer Profi. Scharf geschnittenes Adlerprofil, dunkle gegelte Haare, dicke goldene Ringe an den Fingern. Die anderen Profis nennen ihn ‚Protzke‘. Er hat keine Familie und hatte mir auch mal gestanden, dass er schwul ist. Das war während meines ersten Aufenthalts in Baden-Baden gewesen.

      Als Protzke am heutigen Abend ankam, sah ich, wie er sich draußen von einem anderen Mann verabschiedete, der etwa zehn Jahre jünger war. Die beiden waren tatsächlich Hand in Hand durch die Kolonnaden gekommen. Vor zehn Jahren hätte es das noch nicht gegeben.

      Blieben die beiden jungen Männer zwischen dem Scheich und Protzke übrig. Ich hatte sie Pat und Patachon getauft. Einer war groß und schlank, sehr kontrolliert in seinen Bewegungen. Der Denkertyp. Der andere war füllig, redete immer mal wieder jovial mit Protzke oder dem Ami. Er war der typische Ich-will-nur-meinen-Spaß-Spieler.

      Der dicke Amerikaner guckte gerade zum zweiten Mal in seine Karten und schwitzte vor sich hin. Selbst jemand, der nicht meine Begabung besaß, erkannte sofort, dass er ein Spitzenblatt hatte, das nicht mehr zu schlagen war. Der Scheich neben ihm schien aber nichts zu ahnen. Er sagte: „Raise!“ und schob 1000 Euro in Chips in die Mitte. Ich hatte Muße, mir diese Show anzugucken, denn ich hatte bereits vor dem Flop meine Karten dem Dealer rübergeschoben. Keine guten Karten für die einzige Frau am Tisch. So ging es schon den ganzen Abend.

      Bis zum River spielten die beiden Geldverteiler am Tisch um 25000 Euro. Der Ami hatte ein Full House und grinste über das ganze Gesicht.

      Ich guckte in mein nächstes Blatt, fand wieder nur Müll und schob meine Karten zur Seite, sobald ich an der Reihe war. Ich lächelte zu dem langen Denkertyp rüber, der im sogenannten Big Blind saß, wo man einen Standardeinsatz bringen muss. Viele Anfänger sehen es als Pflicht an, in diesem Fall in der Hand zu bleiben und dem schlechten Geld gutes hinterher zu werfen. Der Denker nicht. Der schob seine Karten dem Dealer zu, blickte auf und lächelte mich an.

      Ich hatte das oft genug erlebt. Als Frau ist man selbst heutzutage ein seltener Falter am Pokertisch, und viele Männer fühlen sich offenbar geradezu verpflichtet, einen dummen Anmachspruch loszuwerden. Aber der junge Mann gegenüber lächelte nur still vor sich hin und sagte gar nichts. Das erledigte sein rundlicher Begleiter.

      „Na, Lady, kein Kartenglück heute?“ Ich schaute ihn nur betroffen an. „Macht nichts, Pech im Spiel, Glück in der Liebe.“

      Die älteste Kamelle der Welt. Ich verdrehte die Augen in Richtung Kristalllüster.

      „Kann ich Ihnen einen Drink spendieren?“, fragte mich der dickliche Typ.

      „Nein, kein Bedarf“, antwortete ich und konzentrierte mich wieder auf seinen schlanken Begleiter.

      Der andere aber gab nicht auf. „Wir kommen aus Freudenstadt“, sagte er. „Wenn das kein gutes Omen ist, weiß ich auch nicht.“

      Ich wandte dem Typen, der nicht begreifen wollte, dass ich kein Interesse an ihm hatte, jetzt mein Gesicht zu und schaute ihm direkt in die Augen. Ich kann mit meinem Blick zwar niemanden zu Stein erstarren lassen, aber man sagt, ich könne dafür sorgen, dass Menschen ihre eigene Seele erkennen. Wenn das stimmte, musste der dickliche Kerl jetzt irgendetwas Schleimiges mit Tentakeln in meinen Augen sehen. „Willst du es mir gleich hier auf dem Tisch besorgen?“, fragte ich mit freundlicher Stimme.

      Protzke lachte schallend und der Alte links von mir gab ein meckerndes Geräusch von sich, das wohl auch ein Lachen sein sollte.

      „Leg dich nicht mit Rabenschwinge an, Kleiner“, sagte Protzke noch.

      Der Dicke wurde erst rot, dann blass. Danach nahm er einen Stapel seiner Chips und begann zu sortieren und umzuschichten, während er an mir vorbei an die Wand blickte.

      „Ich hab’s dir doch vorher gesagt“, wandte sich der Lange plötzlich an seinen Begleiter. „Freudenstadt ist Provinz. Damit kannst du in einem so mondänen Kurbad keinen Eindruck schinden.“ Er sagte es laut genug, so dass wir anderen am Tisch es auch hören konnten. Das Ironie-Schild musste er nicht extra hochhalten.

      „Also, wie können wir unseren Fehler wieder gut machen? Ich muss allerdings gleich sagen, für eine Runde Champagner reicht unser Budget nicht.“ Er lächelte in die Runde.

      „Dann spendierst du uns halt ein Bier“, brummte Protzke jovial. „Aber erst wird hier geraised.“ Er schob ein paar Chips in die Mitte.

      Während das Spiel weiterging, bestellte der junge Mann eine Runde für den Tisch. Alle außer dem Alten und mir nahmen Bier. Der Alte trank ein Wasser, ich ein Ginger Ale. Während ich den ersten Schluck nahm, fragte ich mich, ob dieser junge Mann wohl als neuer Herr geeignet sei. Er sah gut aus, war schlank, aber durchaus muskulös. Sicherlich machte er irgendeinen Sport.

      Der Schlanke hatte gepasst und schaute zu mir rüber. Ich prostete ihm mit meinem Ginger Ale zu, lächelte freundlich und sagte: „Wie heißt ihr beiden Provinzler denn?“

      „Ich bin Daniel“, antwortete er, dann wies er mit dem Daumen auf den Dicken an seiner Seite, der gerade seine Karten zusammenschob und erklärte: „Und das ist Christian. Er hat heute nicht seinen besten Tag. Eigentlich ist er ganz nett.“

      Christian guckte, als ob sein Begleiter ein Außerirdischer wäre.

      Neue Karten, neues Glück.

      „Raisy Daisy“, Protzke kopierte wieder sein großes Vorbild, Sammy Farha, einen amerikanischen Profi, der hin und wieder im Fernsehen zu bewundern war.

      Ich schüttelte den Kopf und sagte gelangweilt: „Aber du spielst wenigstens mit eigenem Geld, wenn du anderen schon die Sprüche klauen musst?“

      „Letzte Nacht wieder schlecht geschlafen, Rabenschwinge?“

      „Nicht schlechter als sonst.“

      „Vielleicht solltest du dir wirklich mal ‘nen Freund zulegen, wenn du immer so grantig bist.“

      Das

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