Eine irische Ballade. David Pawn

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Eine irische Ballade - David Pawn

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Er würde bremsen und in einen Baum auf der linken Seite krachen. Christian auf dem Beifahrersitz würde schwerverletzt überleben, aber Daniel nicht.

      „Das ist nicht der Abend, den wir uns beide erhofft hatten“, sagte ich. „Aber wir können ja noch was Besseres draus machen.“

      „Und das wäre?“

      Statt einer vernünftigen Antwort stand ich einfach auf, zog an seiner Hand und sagte: „Komm mit.“

      „Christian“, versuchte Daniel einzuwenden. „Ich habe versprochen, nach Hause den Chauffeur zu spielen.“

      „Der hat gewonnen und kann ein Taxi nehmen“, sagte ich. „Jedenfalls würde er sich nicht so zieren, wenn ich ihm sagte, er soll mitkommen.“

      „Warte einen Moment, ich geb‘ ihm die Autoschlüssel. Er wird sauer sein, weil er nichts mehr trinken kann. Aber besser als laufen.“ Daniel huschte zum Pokertisch zurück, legte Christian die Autoschlüssel auf den Filz und sagte irgendetwas, was mit lautem Gelächter der anderen Spieler quittiert wurde. Dann stand er auch schon wieder neben mir. Das Bild von seinem Unfall waberte in meinem Kopf, es zog Schlieren, als würde ich es durch Hitzeflimmern beobachten.

      Wir gingen nach draußen.

      „Fahrt ihr immer über die Landesstraße?“, fragte ich, kaum dass wir an der frischen Luft waren. Man kann einen romantischen Abend auch intelligenter einleiten. Entsprechend verdutzt sah mich auch Daniel an.

      „Ist die schönere Strecke, so quer durch den Wald“, antwortete er. „Aber ich dachte, wir bleiben hier.“

      „Bleiben wir.“ Ich nahm seine Hand und wir bogen in Richtung Trinkhalle ab. Das war nicht gerade die Richtung zu meinem Hotel, aber ich wollte mir selbst zuerst darüber klar werden, wie dieser Abend zu Ende gehen sollte. Ich wusste nur eines genau. Er sollte nicht mit meinem Geheul im Badezimmer und Daniels Tod enden. Die Trinkhalle war verwaist. Auch sonst waren keine Leute mehr unterwegs, nicht mal andere Pärchen. In diesen Kurorten ticken die Uhren anders. Irgendwann kurz nach dem Ende der Theatervorstellungen werden die Bürgersteige hochgeklappt und alle braven Bürger sind im Bett. Die Zocker bleiben bis zum frühen Morgen im Casino, aber es treibt sich keiner auf den Straßen herum.

      „Kann man tatsächlich davon leben?“, fragte Daniel unvermittelt.

      „Wovon?“ Ich war nicht aufmerksam gewesen. Ich wälzte noch immer mein Problem im Kopf herum.

      „Na, vom Poker? Du hast doch gesagt, das ist dein Beruf.“

      „Ich komme gut über die Runden. Es gibt ein paar, die es wirklich drauf haben. Aber die große Masse bezahlt. Selbst unsereins kann immer mal eine Pechsträhne haben, einen sogenannten Downswing. Es kommen die falschen Enden der Wahrscheinlichkeiten. Nicht die 80%, sondern die 20% treffen. Solche Zeiten muss ein Profi durchstehen können, dazu braucht man ein solides Polster an Kapital.“ Oder man muss hellsichtig sein, aber das sagte ich nicht.

      Wir bogen am Steigenberger Hotel in Richtung Innenstadt ab, wenn man die paar Geschäftsstraßen in der Fußgängerzone euphemistisch so nennen will. Ich nahm Daniels Hand, und wir schlenderten durch die stillen Straßen mit den dunklen Fenstern.

      „Vielleicht stimmt das Sprichwort ja wirklich.“ Daniel schaute in die Auslagen eines Juweliers, offenbar ohne wirklich etwas wahrzunehmen.

      „Welches Sprichwort?“

      „Pech im Spiel … du weißt, wie es weitergeht. Ich kam heute Abend an den Tisch, und dann …“ Daniel schluckte und sprach nicht weiter.

      „Ja? Was dann?“

      „Ich weiß auch nicht. Liebe auf den ersten Blick? Nein, nein … Das ist zu hoch gegriffen. Aber es war schon so, dass ich mir vorgestellt habe, wie es wäre …“ Er brach wieder ab, und ich musste lachen.

      „Das sind die Hormone“, frotzelte ich.

      „Wahrscheinlich, wir Männer sind wohl so.“ Daniel nahm es mit Humor und stimmte in mein Lachen ein. „Was wird jetzt?“

      „Wir gehen in mein Hotel. Die geben dir immer ein Doppelzimmer, auch wenn du allein bist. Vermutlich haben die gar keine richtigen Einzelzimmer. Ich habe jedenfalls noch nie eins gehabt und ich habe schon in vielen Hotels übernachtet. Ich bin ja sozusagen immer auf Dienstreise.“

      „Muss ein tolles Leben sein. All diese noblen Kurbäder mit den Reichen und Schönen, die durch die Parks flanieren und am Abend im Casino sitzen.“

      „Schmus. Es ist ein Zigeunerleben. Heute hier, morgen da. Wie einer vom Zirkus. Am Tag schläft man lange, man hat ja immer bis spät in der Nacht am Tisch gesessen. Und man muss ausgeschlafen und fit sein, wenn man erfolgreich sein will. Wer müde ist, verliert.“

      Wir passierten den Leopoldplatz mit seinem Frühaufsteherimbiss. Am Augustaplatz bogen wir wieder Richtung Grünanlagen ab. Ich wollte lieber durch den Park laufen als die Straße entlang. Es war ein Anfall von Romantik, den ich mir gar nicht recht erklären konnte. Verwaiste Parkbänke, verwaiste Tennisplätze. Alles still und friedlich. Auch die Vögel hatten schon lang die Köpfe unter die Flügel gesteckt und schliefen.

      „Du weißt ja, wie ich mein Geld verdiene“, sagte ich, als wir Brenners Parkhotel passierten. „Was machst du eigentlich?“

      „Ich bin Koch. Zurzeit arbeite ich am Mummelsee, aber in so einem feinen Hotel“, er deutete nach links zu Brenners, „das wäre es natürlich.“

      „So schlecht ist es da oben aber auch nicht“, wandte ich ein. Ich hatte vor zehn Jahren dort nachts gesessen und Tränen vergossen für den Großvater von Emerson. Wenn man sich im Schwarzwald irgendwo eine Banshee vorstellen kann, so gewiss an diesem tiefen See mit seinem dunklen Wasser.

      Am Tage, wenn die Touristen über den See herfallen, ist es laut und hektisch, aber wenn die Dämmerung sich niedersenkt, kehren Ruhe und Beschaulichkeit an diesem Ort ein. Zur blauen Stunde kommen auch die ursprünglichen Bewohner des Mummelsees, die Mümmlein, zu ihm zurück. Ich glaube einer der Gründe, warum ich nach Baden-Baden zurückgekehrt war, bestand in der Tatsache, dass hier im Schwarzwald, so wie in Irland, die alten Sagengestalten noch immer lebendig waren.

      Als ich am See gesessen hatte, hatte ich darüber nachgedacht, wie seltsam die Menschen doch waren. Sie suchten die Stille und den Frieden des Waldes – aber in Massen und natürlich mit erstklassigem Service. Ich erzählte Daniel von diesen Gedanken.

      Er nickte und sagte: „Das ist überall das Gleiche. Irgendwer findet einen goldenen Strand, ein atemberaubendes Korallenriff oder eine malerische Stelle im Wald, und dann klotzt er da ein Hotel hin und bestellt busladungsweise Touristen, die sich fragen, warum sie ausgerechnet dorthin gefahren sind, wo es doch genauso chaotisch ist wie an allen anderen Orten, an denen sie bisher waren. Aber ich kann mich nicht beschweren. Von diesen Leuten lebe ich.“

      „Wie ich“, erwiderte ich und sah ihm von der Seite ins Gesicht. „Bloß bin ich eher für die Abendunterhaltung zuständig.“

      Wir hatten das Hotel fast erreicht. Ich fragte mich, ob die Dame an der Rezeption sich etwas anmerken lassen würde. Ob ich Daniel vielleicht vorausschicken sollte, damit wir nicht gemeinsam dort vorbei mussten? Ich hatte nie zuvor einen Mann mit in mein Hotelzimmer genommen und wusste daher nicht, ob solcherart Doppelbelegung ein Problem sein würde.

      „Ich nehme einfach einen Drink aus der Minibar

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