Eine irische Ballade. David Pawn

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Eine irische Ballade - David Pawn

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es, wie es hatte kommen müssen. Wir wussten beide nicht recht, wie es weiter gehen sollte. Ich war als Erste erwacht, war ins Badezimmer geschlichen und hatte mich für den Tag vorbereitet. Als ich zurückkam, stand Daniel betreten in Unterwäsche neben dem Bett und griff gerade nach seiner Hose.

      „Zeit zu gehen“, sagte er. Dabei sah er mich an wie ein Hund, den sein Frauchen an einen Laternenpfahl vor einer Autobahnraststätte bindet. Lass mich nicht zurück, sagte der Blick.

      „Willst du nicht wenigstens mit mir frühstücken? Außerdem, wie willst du überhaupt zurück nach Freudenstadt kommen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich mache dir einen Vorschlag. Wir gehen gemeinsam runter, essen einen Happen und dann fahre ich dich.“

      „Eigentlich kann ich mir das nach der Pleite gestern nicht leisten. Ich kenne ja die Frühstückspreise in Hotels.“

      „Ich kann das regeln.“

      „Nein, bitte nicht, mach nicht ‚Pretty Woman‘ aus mir.“

      „Pretty Man“, verbesserte ich ihn, trat an ihn heran und gab ihm einen Schmatz auf die Wange. „Na los, beeil dich. Ich habe einen Bärenhunger.“

      Daniel verschwand für eine Weile im Bad. Frisch duftend, aber verständlicherweise noch immer stachlig kam er zurück. Ich muss bekennen, dass ich keinen Damenrasierer besitze.

      Wir frühstückten gemeinsam, und er erzählte mir von dem Tag, der vor ihm lag. Schließlich setzten wir uns ins Auto, und ich chauffierte ihn nach Freudenstadt, wo er eine eigene kleine Wohnung hatte.

      „Eigentlich komme ich mit meinen Eltern gut klar“, sagte er. „Während meiner Fachschulzeit habe ich im Wohnheim gewohnt. Diese Unabhängigkeit konnte ich anschließend nicht wieder aufgeben. Aber ich wohne nicht weit weg von meinem alten Zuhause. Wir sehen uns jede Woche, oft nicht nur einmal.“

      Es kam der Moment, den wir beide gefürchtet hatten. Die Stelle, wo wir uns die Hände reichen, belanglose Abschiedsworte sagen und getrennte Wege gehen würden.

      „Hast du morgen Abend schon was vor?“

      „Äh …“ ‚Ich muss arbeiten‘, schoss mir eine blödsinnige Antwort durch den Kopf, die ich gerade noch unterdrücken konnte. Schließlich wollte ich diesen Jungen unbedingt wiedersehen.

      „Nein“, sagte ich also nur.

      „Könnten wir uns treffen?“

      „Gern. Was machen wir?“

      Daniels Gesicht hatte bei meiner Zustimmung kurz vor Freude aufgeleuchtet, als ich aber nach seinen Plänen für uns fragte, zeigte sich so etwas wie Verwirrung an der gleichen Stelle. Offenbar hatte er noch nicht darüber nachgedacht.

      „Ich …“, setzte er an, unterbrach sich, weil er offenbar nicht wirklich wusste, was er sagen wollte, riss sich aber zusammen und erklärte: „Ich meine, wir haben irgendwie am falschen Ende angefangen, denkst du nicht auch. Der letzte Abend, die Nacht – das war wie ein Traum. Ich kann immer noch nicht glauben, dass mir das passiert ist. Ich würde dich gern besser kennenlernen. Verstehst du, was ich sagen will?“

      „Warum gehen wir nicht einfach zusammen ins Kino?“ Ich verstand sehr gut, was Daniel beschäftigte. Mir ging es auch nicht anders. Ich musste mir außerdem noch darüber klar werden, was es für mein Leben als Banshee bedeutete, dass ich die Jungfernschaft verloren hatte. Im Rausch des Augenblicks war es sehr einfach gewesen anzunehmen, dass ich eine normale Frau sein würde, aber im grellen Licht des neuen Tages war mir bewusst geworden, dass ich nicht wirklich wusste, was es bedeutete.

      „Wir haben in Freudenstadt ein hübsches Programmkino. Die spielen zwar nicht immer die aktuellsten Filme, aber es ist wirklich schön. Ist im alten Kursaal.“

      „Das hört sich gut an. Ich komme zum Mummelsee. Ist das okay?“

      „Ich kann dich auch hier abholen“, beeilte Daniel sich zu sagen.

      „Nein, ich würde lieber zum See rauskommen.“ Ich würde lange vor der vereinbarten Zeit dort hinausfahren, durch die Wälder streifen und nachdenken. Wenn ich mir über etwas klar werden wollte, zog ich mich gern in die Einsamkeit des Waldes zurück. Das Rauschen in den Wipfeln beruhigte mich. Wenn außerdem ein Bach oder See in der Nähe war, war es perfekt. Diese Affinität zu Wasser und Bäumen muss mit dem Fluch zusammenhängen, aber sie gehört zu jenen Dingen, die mich nicht stören.

      „Also gut. Ich bin um sechs Uhr mit der Arbeit fertig.“

      „Ich bin pünktlich um sechs da. Ich komme mit dem Bus. Du chauffierst mich doch, oder?“

      Daniel lachte. „Wenn Christian mein Auto heil nach Hause gebracht hat.“

      „Also abgemacht.“ Ich hielt Daniel die Hand hin wie zu einem Vertragsabschluss. Die Geste kam mir trotz oder gerade wegen der vergangenen Nacht passender vor als ein inniger Kuss vor der Haustür. Wir wollten zu diesem Zeitpunkt beide, dass es mehr als eine verrückte Nacht wurde, dass es Freundschaft oder gar Liebe wurde, darum wollte ich mich von Daniel verabschieden wie von einem guten Freund.

      Und Daniel verstand offenbar. „Abgemacht“, sagte er, schlug ein und strahlte dabei wie einer, der gerade den Pot des Tages abgeräumt hatte.

      Am folgenden Tag fuhr ich bereits zur Mittagsstunde zum Mummelsee hinauf. Es wimmelte von Touristen, denn das Wetter war prachtvoll. Ich wandte mich eilig vom Hotel ab und ging auf dem Pfad um den See herum zum gegenüberliegenden Ufer.

      In der Nacht, das wusste ich, waren die Mümmlein auf dieser Seite des Sees zu Hause. Die Nymphen gehörten, wie viele Tiere des Waldes, zu den Lebewesen des Schwarzwaldes, die die lärmenden Touristen nie zu Gesicht bekommen würden.

      Ich suchte mir eine Bank im Schatten einer alten Tanne, setzte mich nieder und blickte auf das dunkle Wasser.

      ‚War der Fluch gebrochen?‘, fragte ich mich. ‚Hatte ich wirklich einen Mann gefunden, der als Wiedergeburt von William Carr galt.‘

      Wie ich bereits erzählt habe, gibt es ein Buch über Magie, durch das ich Einiges über den Fluch einer Banshee hatte in Erfahrung bringen können. Hätte ich es gründlich studiert, müsste ich mir jetzt vermutlich nicht das Hirn über diesen Fragen zermartern. Ich muss jedoch bekennen, dass ich es nur sehr flüchtig gelesen hatte. Ich hatte dieses Buch in die Hände bekommen, als ein Ende des Carr-Geschlechts noch lange nicht abzusehen gewesen war, und eher aus Langeweile, denn aus Interesse darin herumgeblättert. Nach über fünfhundert Jahren als Banshee war ich abgestumpft gewesen.

      ‚Was soll’s‘, hatte ich damals gedacht.

      Jetzt hätte ich mich am liebsten in den Hintern gebissen, dass ich dem Werk nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatte.

      Ich dachte über all die Dinge nach, die ich in der langen Zeit zu sehen bekommen hatte, seit ich begonnen hatte, die Carrs zu beweinen. Ein Hit der Achtziger des Zwanzigsten Jahrhunderts fiel mir ein. Er hieß „I’ve never been to me“ und handelte von einer Frau, die alles Mögliche gesehen und erlebt hat, ohne je zu sich selbst gefunden zu haben.

      “I‘ve been to Nice and the isle of Greece while I sipped champagne on a yacht. I moved like Harlow in Monte Carlo, and showed ‘em what I got.”

      Nizza kannte ich, andererseits hatte ich noch keinen Aufenthalt in Griechenland vorzuweisen. Und im Gegensatz zu Jean

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