Eine irische Ballade. David Pawn

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Eine irische Ballade - David Pawn

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um, sah mir in die Augen und sagte: „Hallo Síochána! Können wir gehen.“

      Ich nickte heftig. Es war eine dieser überzogenen Gesten, die Betrunkene machen, wenn sie sich um Kontrolle bemühen.

      Daniel bemerkte meinen Zustand offenbar nicht, er machte sich auf den Weg nach draußen und ich folgte ihm. Erst als ich auf dem Weg erneut ins Stolpern geriet und mich an ihm festklammerte, fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Er blieb stehen, sah mich an und fragte: „Was hast du?“

      „Nichts.“ Ich schüttelte vehement den Kopf, meine Haare strichen ihm durchs Gesicht. Mit diesem Wort flog offenbar auch eine Wolke Whiskydunst zu ihm hinüber und strafte mich Lügen.

      „Du hast getrunken. Síochána! So kenne ich dich gar nicht.“

      „Ich war auch noch nie so verzweifelt“, erwiderte ich.

      „Komm, gehen wir an die frische Luft. Halt dich bei mir fest.“ Ich hakte mich bei ihm ein und wir gingen nach draußen.

      Wie bekannt, ist frische Luft bei einem leichten Rausch eher ein Mittel, diesen kurzfristig zu verstärken oder massiver in seinen Auswirkungen sein zu lassen. Ich weiß nicht, was aus medizinischer Sicht hier korrekt ist. Und als ich mit Daniel nach draußen trat, wusste ich kaum noch, an wessen Arm ich da hing. Ich zerrte ihn nach rechts und links, und wir bewegten uns in sanften Kurven bis zur Oos und an dieser entlang zur Gönneranlage. Was mochten nur die Kurgäste von meinem Begleiter halten, der da eine sichtlich angetrunkene Person abschleppte.

      „Síochána, bitte“, sagte er. „Wir müssen wie erwachsene Menschen miteinander reden. Ich konnte zwei Tage lang kaum schlafen. Immer wieder habe ich dein Gesicht vor mir gesehen und mich gefragt, wie es weitergehen soll.“

      „Ich habe dich so vermisst“, gurrte ich und sah ihn schmachtend an. Der Whisky und ich waren einer Meinung.

      Wir erreichten eine Bank.

      „Komm, setz dich.“ Daniel hatte sich bereits niedergelassen und klopfte auf das Holz zu seiner Rechten. Ich versuchte, mich auf seinen Schoß zu setzen, aber er schob mich sanft zur Seite, so dass ich an seinem Schenkel abglitt und auf der Bank zu sitzen kam.

      „Versuch vernünftig zu sein, bitte.“ Daniel sah mich mit traurigen Augen an.

      Ich konnte nicht anders. Ich warf beide Arme um seinen Hals, drückte ihm jeweils einen Schmatz links und rechts auf die Wange und sagte: „Du bist zurückgekommen. Du bist zu mir zurückgekommen.“

      Erst schien mir, als wollte er sich aus der Umarmung befreien, aber er ließ mich doch gewähren. So saßen wir eine ganze Weile in der wärmenden Sonne – er gerade wie ein Stock und ich an seinem Hals hängend. Dann spürte ich plötzlich seine Hände auf meinem Rücken, die mich streichelten.

      „Wenn ich ehrlich bin“, hörte ich ihn sagen, „hätte ich es auch nicht mehr länger ohne dich ausgehalten. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum du mir diese Banshee-Geschichte aufgetischt hast. Ich habe keine vernünftige Erklärung gefunden.“

      „Es gibt einen ziemlich einfachen Grund“, sagte ich mit schwerer Zunge. „Es ist die Wahrheit.“

      „Aber das ist doch verrückt. Sieh mich an.“

      Ich gehorchte, nahm meinen Kopf von seiner Schulter, wo er gerade geruht hatte, und blickte ihm in die Augen. Alles drehte sich. Trotzdem versuchte ich, seinen Blick so fest und geradlinig zu erwidern wie möglich. Einmal mehr sah ich Williams Augen vor mir, seinen verzweifelten Ausdruck, als ich seine Werbung ausgeschlagen hatte. Obwohl dieser junge Mann aus Baden keine Beziehung zu den Carrs haben konnte, so musste er doch auf irgendeine Weise etwas mit William gemein haben, das weit über die Augen hinausging. Man sagt, die Augen seien das Fenster zur Seele. War es das? Waren sie seelenverwandt?

      „Es ist einfach so“, sagte ich. „Ich war eine Banshee. Du hast …“ Ich musste geistig Anlauf nehmen, um den Satz zu beenden. „… mich erlöst.“

      „Meine Güte, du bist verrückt. Mein Verstand sagt, ich müsse jetzt aufstehen und endgültig gehen. Entweder bist du irre oder ein Gespenst. Ich muss weg. Ich muss …“ Er brach ab und schluckte. Dann sagte er: „Aber meine Gefühle sagen alle was anderes. Ich habe es nicht ausgehalten, von dir getrennt zu sein. Ich kann nicht auf meinen Verstand hören. Ich brauche dich. Ich muss auch irrsinnig sein, wenn ich jetzt hier sitzen bleibe. Aber ich kann nicht anders.“

      Ich sagte nichts. Ich legte nur eine Hand an seine Wange, lächelte dümmlich und blies ihm Whiskydunst ins Gesicht. Schließlich kam mir eine Idee. Es war einer von diesen Einfällen, die einem im benebelten Zustand genial vorkommen, die man nüchtern betrachtet aber für völlig verrückt halten würde.

      „Ich will dir was zeigen“, sagte ich, sprang auf die Füße und schwankte erst einmal einen Schritt rückwärts. Dann winkte ich Daniel, mir zu folgen. „Komm mit.“

      Mit großen Schritten eilte ich voraus an den Tennisplätzen vorbei. „Síochána, wo willst du hin? Warte doch mal.“

      Ich blieb stehen und sah mich um. Daniel war drei bis vier Schritte hinter mir, jetzt schloss er zu mir auf. „Ich wollte mich mit dir aussprechen, nicht hinter dir herrennen.“

      „Du glaubst mir immer noch nicht. Ich muss es dir beweisen. Und dazu brauchen wir einen Platz, wo wir niemanden stören.“

      „Ähm, Síochána …“ Daniel dachte in eine ganz falsche Richtung.

      „Komm weiter.“ Ich nahm seine Linke. Gemeinsam überquerten wir die Oos und erreichten die Lichtentaler Allee. Hier gab ich Daniels Hand wieder frei.

      „Bleib ein Stück hinter mir“, sagte ich.

      Ich stolperte über den Rasen des Kurparks, weg von den interessiert blickenden Kurgästen und flanierenden Pärchen zu den Hecken und Bäumen am Hang, wo sich nur Vögel und Kleingetier in der Nähe aufhielten. Daniel folgte in einigem Abstand. „Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“

      „Ich werde dir beweisen, dass ich dir keinen Bären aufgebunden habe. Komm nur. Du wirst staunen.“ Ich blieb unter einem Baum stehen, in dessen Geäst es sich ein Vogelpärchen bequem gemacht hatte. Weit über mir sang es seine Lieder.

      „Bleib da stehen“, rief ich aus, als Daniel noch drei Schritte von mir entfernt war.

      „Ich dachte, du willst mir was zeigen?“

      „Ja, aber du musst Sicherheitsabstand wahren.“

      „Okay.“ Sein Blick war sehr zweifelnd. Offenbar hielt er die ganze Aktion für eine Folge meines Whiskykonsums, aber er blieb dennoch stehen.

      „Jetzt werde ich singen“, verkündete ich pathetisch und begann passenderweise mit dem irischen Kneipenlied an sich: „Whiskey in the jar.“ Es gibt wohl kein Lied sonst, bei dem man so gut im Takt sein Glas auf den Tresen klopfen kann.

      „Whack for the daddy ‘ol - whack for the daddy ‘ol – there’s whiskey in the jar”, schmetterte ich. Immer wenn ich an dieser Stelle des Refrains ankam, steigerte ich meinen Gesang, der ohnehin alle Katzen in der Umgebung zum Mittun anregen konnte, zu einem Crescendo und ließ meine Stimme gleichzeitig in ungeahnte Höhen klettern. Ich erzeugte Töne, die für Menschen nicht mehr hörbar waren, die die Hunde in der Umgebung aber in Aufruhr versetzten. Diese Stimme, die unsere einzige Verteidigung ist, diente in den alten Zeiten

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