"Die Stunde des Jaguars". Jens Petersen

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in der Mitte des Paseo de la Reforma.

      Nicht mal ein Bedauern zeigte das Gesicht Juans. Vielleicht war es kritikloses Einverständnis mit gegebenen Tatsachen, als er sagte:

      „Schade Alfonso, oder sollte ich kurz Alf sagen? Ich hatte dich für klüger gehalten. Wahrscheinlich bewirkt die Polizeiarbeit, dass man auf einem Auge blind wird und grundsätzlich erst einmal das Schlechteste für die Wahrheit hält. Du wirst da in der nächsten Zeit noch so manches lernen, u.a. auch, dass man eine Idee weder verhaften, noch einsperren oder erschießen kann.“

      „Was ist das? Was lässt dich und auch die ganze Umwelt auf einmal so verschwommen erscheinen?“

      „Das war nur meine Rückversicherung. Sie lag in deinem Drink. No tenga pena, keine Angst! Sie ist nicht weiter gefährlich. In einer Stunde, wenn das Café zumacht, wird der Kellner dich wieder wachrütteln und hinausbegleiten. Du fällst damit nicht weiter auf. Wenn du vernünftiger gewesen wärest, hätte ich dir das Gegenmittel angeboten. Aber so?“

      Genau so kam es auch. Als der Kellner ihn fürsorglich hinausbegleitete, sagte er noch:

      „Ihr Freund erklärte mir schon, Sie hätten wahrscheinlich einen über den Durst getrunken. Na, ich sehe, jetzt geht es schon leidlich wieder. Dann kommen Sie gut heim, y buenas noches, borrachito.“

      „Borrachito“,

      murmelte er vor sich hin,

      „so muss ich mich noch nennen lassen!“

      Etwas benommen war er immer noch, als er durch das beinahe kniehoch stehende Wasser in den Gassen stapfte. Zu stark war der erste Regen gewesen. Das Wasser konnte gar nicht schnell genug abfließen. An seiner linken Seite tauchte ein Boot auf, beladen mit Früchten. Der Indianer am Heck stakte es mit einer langen Stange an ihm vorbei. Jetzt gewahrte er auch einige Chinampas, diese schwimmenden Gärten, üppig bewachsen mit Gemüse und Früchten. Manche trugen sogar kleine Bäume.

      (Wie kann denn das angehen?)

      Benebelt wie er immer noch war, versuchten seine Gedanken dennoch das Wahrgenommene zu ordnen.

      (Ich bin doch hier in einer Stadt. Da dürften rechts und links eigentlich nur Häuser

      sein.)

      Während er sich solches noch fragte, sah er sich vor dem Tor eines Palastes, wie es aussah präkolumbianisch, der aus dem Wasser heraus ragte. Aufs Prächtigste verziert war er mit Blumen, Vögeln und Schmetterlingen, alle aus farbigen Steinen, manche davon wie schillerndes Glas, mosaikartig eingesetzt. Alles spiegelte sich noch einmal im Wasser darunter, nur glatter und glänzender. Seine Faszination und Neugier waren grösser als irgendwelche Zurückhaltung. Niemand hinderte ihn auch, durch das Portal hinein zu gehen. Drinnen sah er die Wände ebenfalls auf das Schillerndste ausgestaltet, überwiegend mit Blumen und Vögeln.

      (Seltsam, wo bleiben denn die üblichen Darstellungen der Götter? Nirgends sehe ich finster dreinblickenden Monster, die bei antiken indianischen Bauten üblichen Zähne fletschenden und Krallen spreizenden Ungeheuer, noch irgendeinen schlangenköpfigen Drachen. Nicht einmal die sonst so unverzichtbaren Totenköpfe kann ich irgendwo ausmachen. Nur überall Blumen und Vögel in prächtigsten Farben, als gäbe es nichts anderes als eine liebliche Welt, dominiert von Friede und Schönheit.)

      Aber hier befand er sich erst im Vorraum zu einem Saal. Der war angefüllt mit Menschen, soweit er erkennen konnte, ausnahmslos Indianer. Farbige, gewebte Umhänge trugen sie und reichhaltigen Federdekor auf den Köpfen. Alle schauten nach vorn, auf eine Art gemauertes Podest, welches soeben ein besonders prächtig Gekleideter bestieg.

      „Das ist Netzahualcoyotl“,

      raunte sein Nebenmann, und fügte erläuternd hinzu:

      „Dichter, Philosoph, Baumeister und König von Texcoco. Er trägt gerade einige seiner Gedichte vor:

      „Lebt man denn wirklich mit Wurzeln auf der Erde?

      Nein nicht für immer auf der Erde,

      nur ein wenig hier.

      Auch wenn Jade zerbricht,

      auch wenn Gold entzwei geht,

      auch wenn Quetzalfedern zerreißen,

      nicht für immer auf der Erde,

      nur ein wenig hier.“

      Hörte er den Vortragenden, als sein Nebenmann wieder wisperte:

      „Er vertritt z.Z. den auf einer langen Reise befindlichen Hausherren, keinen anderen als Eins-Rohr oder auch Quetzalcoatl genannt. Hier nämlich befinden wir uns in Eins-Rohrs Wasserpalast.“

      Cuevas wollte noch Näheres erfahren und drehte sich zu seinem Gesprächspartner. Doch in dem Moment vergaß er, was er fragen wollte, denn er schaute erneut in das jetzt erheiterte Gesicht von Juan Albanil. Der sagte nur aufmunternd:

      „Wir sehen uns also dann, in San Blas.“

      Aber als er aufwachte, befand Cuevas sich im Bett seines Hotelzimmers und im Unklaren darüber, wie er dorthin gekommen war.

      Dave schlug die Augen auf und war ebenso erschöpft wie verwirrt. Er lag wieder in der Hütte, aber jetzt scheinbar endgültig. Kein Obsidianspiegel war auf dem Tisch zu sehen, weder Jaguarmänner, noch Opferpriester, Inquisitoren oder Militärs irgendwo in Sicht. Allein Juan saß verkehrt herum auf dem einzigen Stuhl, die Arme auf der Lehne verschränkt und beobachtete ihn.

      Dave war sichtlich bemüht, wieder in dieser Realität zu landen. Schließlich entrang sich ihm die Frage:

      „Hatte ich geträumt?

      „Das wäre eine ungenaue Bezeichnung dafür.“

      „Oder hattest du mir irgendwelche Drogen eingegeben?“

      „So wie diese Frage gestellt ist, ist mir erlaubt sie zu verneinen.“

      Den ungläubigen Blick beruhigend, fügte er noch hinzu:

      „Ich bevorzuge grundsätzlich die Wahrheit. Zwar gibt es Fälle, in denen Unwahrheiten, also Täuschungen notwendig sind. Aber Lügen können leicht dem eigenen Denken Fesseln anlegen. Nur wird die Wahrheit leicht missverstanden. Man sollte da schon genau hinhören.“

      Dave betastete sich, fuhr mit der Hand in das Hemd, sich zu vergewissern, ob einige Knöpfe abgerissen waren. Dann fühlte er die linke Brustseite ab in Herzhöhe nach einer Schnittwunde, spürte aber nicht einmal einen Kratzer. Nun kam ihm auch die Erinnerung. Das war der Moment, als ihn das erste Mal das Bewusstsein verließ. „Dann war also alles real?“

      „Wer nicht die erlebte Welt interpretiert und aus sich selbst heraus neu entwickelt, wer einer imaginären nachjagt, der landet auf die eine oder andere Art auf dem Opfertisch. Man erlebt das, wovor man sich gefürchtet hat.“

      Er betrachtete ihn aufmerksam eine Weile bevor er fortfuhr:

      „Du hast doch etwas gesucht, als du mir folgtest in Sonoyta und schon vorher seit Guaymas?“

      „Ja.“

      „Das Ergebnis einer

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