Das Verschwundene Tal. Dietmar Preuß

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Das Verschwundene Tal - Dietmar Preuß

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lächelt jetzt oft. Der Medicus und der Blickzauberer meinen, dass sie ihre Sinne bald ein wenig weiter öffnen können. Auch der Anblick von Tengris Schöpfung wird ihr Gemüt aufhellen. Vielleicht, wenn Ihr zurückkehrt …“

      „Ich danke Euch, Fatuma. Bitte versteht, dass ich in den nächsten Monaten nicht nach ihr schauen kann.“

      „Es ist gut, Schmied Rayol. Wir sind hier im Kloster nicht von der Welt abgeschnitten. Schließlich leben wir Mauer an Mauer mit dem Khan.“

      Kapitel 4

      Auf seiner Flucht nach Norden kam Wulfiard dem Tengriswall näher und näher. Die schroffen Bergspitzen am Horizont wuchsen in die Höhe, bis sie die wenigen Wolken zu berühren schienen, die sich über dem Gebirge hielten. Kein Pass, kein Schotterweg, nicht einmal ein Schmugglerpfad führte über diesen Teil des Gebirgszuges. Wulfiard wusste, welche Länder dahinter lagen, wie die Ebenen hießen, auf die wieder Berge folgten und wieder fruchtbares Land. Viele Städte und Länder, so anders als Bual-Bator, hatte er besucht und war niemals lange geblieben. So viele Landstriche hatte er durchwandert, um möglichst viel Abstand zwischen sich und seine Sippe zu legen, und er war immer noch dabei, fortzugehen.

      Von Fayum hatte er zunächst nach Südwesten gewollt, um schließlich von einem Hafen im Süden des Taufi ein Schiff zu einer der Halbmondinseln zu bekommen. Dann wäre er soweit von seiner Sippe entfernt, wie es nur möglich war. Aber es spielte keine Rolle, wann er sein Ziel erreichte, weil er gar nicht wusste, was er dort tun würde. Und da er neugierig darauf war, was es mit diesem Räuberkönig und Freund der Armen auf sich hatte, würde er sich eben erst in Shuyuk umsehen, bevor er weiter nach Süden ging.

      Am Nachmittag holte er auf dem Karrenweg, der über die verbrannte, ockerfarbene Ebene führte, eine Gruppe hochgewachsener Männer ein, die in die gleiche Richtung wanderten wie er. Sie hatten helle Haut, helles Haar und trugen große Kiepen aus Weidengeflecht auf dem Rücken. Darin waren Ballen mit Leinenstoffen, aus Horn geschnitzte Bestecke und Würste von dunkler Farbe, die so hart wie Stein aussahen. Sicher stammten sie aus den Greiflanden, allerdings nicht aus Runland.

      „Tengris zum Gruße!“, rief Wulfiard.

      Die Männer betrachteten ihn stumm und marschierten unbeirrt weiter. „Zum Gruße!“, sagte der Anführer. Auch wenn ihre Begrüßung nicht besonders herzlich war, so hatten sie doch ehrliche Gesichter. Am Leib trugen die Kiepenmänner Blusen aus blaugefärbten Leinen und an den Füßen hölzerne Schuhe, die sicher sehr haltbar, aber fürchterlich unbequem sein mussten.

      Wulfiard blieb nichts anderes übrig, als seinen Schritt zu beschleunigen, bis er mit dem Anführer gleichauf war.

      „Wo kommt he wech?“ Der große Mann mit den Haaren, die noch blonder waren als Wulfiards, sprach in einem schwerfälligen, getragenen Tonfall.

      „Ich stamme auch aus dem Norden, aber gerade komme ich aus dem Süden.“

      Der Kiepenkerl nickte bedächtig. Fragte er deshalb nicht weiter nach, weil er es für unhöfliche Neugier hielt?

      „Ist es recht, wenn ich mit euch gehe?“

      „Twee Fäuste un een runländischer Langdolch mehr.“ Es war wohl selbstverständlich für den Anführer, dass der einsame Wanderer sich ihnen anschloss, um im Schutz der Gruppe zu reisen.

      Dann wurde Wulfiard bewusst, dass es die Beobachtungsgabe des Mannes war, die ihm weitere Fragen nach seiner Herkunft ersparten. „Was tragt ihr da auf dem Rücken?“

      „Kiepen sin dat“, sagte der Mann hinter dem Anführer.

      Wulfiard ging an seiner Seite weiter. „Kiepen?“

      „Sacht man bi uns im Quellreich so. Tuodden sin wir, wandernde Händler. Tragen darin unsere Waren.“ Die anderen Männer sahen den Sprecher an, als missbilligten sie seine Redseligkeit, und da schwieg auch er.

      Die Kiepenkerle marschierten wortlos Stunde um Stunde, ohne ein Zeichen von Müdigkeit zu zeigen. Wulfiard stimmte leise ein fröhliches Wanderlied an, um sich in der stummen Gesellschaft die Zeit zu vertreiben. Nach der zwölften Strophe beendete er das Lied. Er erntete zwar keinen Applaus, aber immerhin zufriedenes Brummen und beifälliges Gemurmel. Wie um sich zu revanchieren begann der Anführer ein Lied mit einer getragenen Melodie, in das seine Kameraden bald einstimmten. Der Skalde war überrascht, dass diese schweigsamen Männer geübte Singstimmen hatten. Ihr Lied handelte von nebeligen Auen im Morgenlicht, heckendurchzogenen Ebenen und dem saftigen Grün ihrer Heimat. Es passte zwar kaum in diese heiße Gegend Bual-Bators, aber die Zeit verging schneller, während sie dem Pfad weiter nach Nordwesten auf die Berge zu folgten. Gerne hätte er das Lied aufgeschrieben, aber die Tuodden machten immer noch keine Anstalten, eine Rast einzulegen.

      Aus dem flachen Land wuchsen sanfte Wellen empor, aus den Wellen wurden kleine Kuppen. Noch war der Boden kahl, steinig und sonnenverbrannt, aber hier und da lief nun ein Rinnsal den Hang hinunter. Spärliches Grün breitete sich von diesen kleinen Wasserläufen aus, und bald war mehr Grün als Grau und Ocker zu sehen. Wulfiard staunte nicht schlecht, als er in der Ferne künstlich angelegte Terrassen an den Berghängen sah, auf denen Weinstöcke in schnurgeraden Reihen standen. Hier wurde der trockene Rote angebaut werden, der in den Schänken ganz Bual-Bators die Kehlen hinunterfloss.

      Vor ihnen, zur Rechten des Weges, der breiter geworden war und nun auch Karrenspuren zeigte, entdeckte Wulfiard ein steinernes Gebilde, wie er es in dieser Gegend noch nie gesehen hatte. Vier doppelt mannshohe, von unvorstellbaren Kräften glatt geschliffene Steine standen in genau abgemessenem Karree und trugen einen fünften, noch gewaltigeren Stein, der wie ein ovales Dach auf den Tragsteinen ruhte.

      „De Fievsteen erinnert uns an de Riesengräber in de Heemat“, erklärte der Führer der Kiepenmänner, als sie die Steinsetzung erreicht hatten. Er sah Wulfiard an und schien auf etwas zu warten. Wulfiard verstand nicht, bis ihm auffiel, dass der Weg sich an der Steinsetzung teilte. Die Karrenspuren auf dem abzweigenden Weg waren tiefer und zahlreicher. „Ich will nach Shuyuk, welchen Weg muss ich nehmen?“

      „Links geits op de Berge un dat Mirkashtal zu, in dem seit een paor Jaohrn de Mörder um Ssadec Tabar hausen.“ Der Kiepenmann spie auf den Boden. Das war die stärkste Gefühlsregung, die Wulfiard während des ganzen Tages bei diesen bedächtigen Männern beobachtet hatte.

      „Un auf dem annern Wech is man in eene Stunde in Shuyuk.“

      „Nun, dann habt Dank für eure Gesellschaft“, sagte Wulfiard und wollte sich nach rechts wenden.

      „Möcht he lieber alleene in Shuyuk ankommen? Will he nich mit uns gesehen wern?“, fragte ihn der Anführer nun.

      Wulfiard sah ihn verwirrt an, und die Mundwinkel des Mannes zuckten. Tatsächlich hatten die Kiepenmänner gar nicht gesagt, in welche Richtung sie wollten, fiel ihm ein. „Aber nein, entschuldigt, ich würde gerne mit euch bis nach Shuyuk gehen.“

      Der Kiepenträger nickte, machte sich auf den Weg nach rechts und seine Kameraden folgten so schweigsam, wie sie es den ganzen Tag gewesen waren. Es war mittlerweile später Nachmittag, aber die Kiepenmänner schritten immer noch kräftig aus. Wulfiard, dem die Beine schwer wurden, schüttelte den Kopf und trottete hinterher.

      Der Anführer, dessen Namen Wulfiard immer noch nicht kannte, sollte Recht behalten. Es verging kaum eine Stunde bis sie die ersten Lehmhäuser Shuyuks mit den typischen flachen, pultartigen Dächern sahen. Die Zisternen auf den Rückseiten, in die das seltene Regenwasser von den Dächern

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