Das Verschwundene Tal. Dietmar Preuß

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Das Verschwundene Tal - Dietmar Preuß

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folgte der Aufforderung und der Khan hob eine Hand. Augenblicklich stand ein Diener hinter ihm. „Ein Schreiber soll ein Papier für die Übergabe eines Gefangenen aus dem Kerker ausfertigen. Es handelt sich um einen zum Tode verurteilten Schmied namens …“, der Khan sah den Gardisten an.

      „Namens Rayol Jamsillah“, vollendete der den Satz.

      Die beiden Aufseher im untersten Keller der Büttelei von Chasar waren Halbzwerge, wusste Moamin Doriah, und ihr menschlicher Teil war ihnen nach den Jahren in den Kerkerfluren kaum noch anzusehen. Sie liebten die stickige, feuchte Dunkelheit, in der sie die Herren waren. Und wie viele Wesen mit geringem Selbstwert ließen sie ihren Sadismus an den wehrlosen Gefangenen aus. Vom Zwergenteil zeugte auch der unsagbare Schmutz, der im Kerker herrschte. Sie weideten sich am Ekel und den Krankheiten der Häftlinge, den die Exkremente und Auswürfe hervorriefen, die vermodernden Essensreste und die daran zugrunde gegangenen Ratten, die in den Ecken verwesten.

      Aber selbst diese vertierten, in schleimige Lumpen gewickelten Kreaturen senkten die Köpfe, als Doriah sie mit seinem verbliebenen Auge ansah. Der Anblick seines verunstalteten Gesichts flößte ihnen Angst ein, und sie krochen vor ihm im stinkenden Dreck. „Die Zelle am Ende des Ganges, Herr“, grunzte einer der beiden auf seine Frage.

      Doriah passte auf, wohin er seine Schritte setzte, um seine Reitstiefel nicht allzusehr zu beschmutzen, und sah in die Zellen zu beiden Seiten des Ganges. Die Gefangenen darin waren selbst zu Dreck geworden, zu Abfall, der mal von anständigen mal von intriganten Leuten der Stadt entsorgt worden war. Ein einziger Mann unterschied sich von den in Fetzen gehüllten, von ihren eigenen Ausscheidungen beschmutzten Menschen. Es war der Schmied, der den nicht gerade kleinen Hauptmann um fast eine Elle überragte. Die breitschultrige Gestalt mit dem ungestutzten Vollbart stand in einer Ecke der Kerkerzelle, das Dutzend anderer Kreaturen hatte sich in der gegenüberliegenden Ecke zusammenge­drängt. Die offene Weste und die Bundhose des Schmieds, das bärtige Gesicht und die mächtige Brust waren noch nicht so verdreckt wie die der anderen Häftlinge. Die Augen des Mannes glänzten wach, im Gegensatz zu den stumpfen Lichtern der Hoffnungslosen um ihn herum. Als er das zerstörte Gesicht des Gardehauptmanns sah, erschrak er, fasste sich aber und blickte weiter in das Auge des Offiziers.

      „Rayol Jamsillah?”

      „Ja, Herr!“ Er sprach nicht unterwürfig, Herr war einfach die gebührende Anrede.

      „Aufmachen!“

      Einer der Halbzwerge öffnete die Gittertür und trat eilig zur Seite. Anscheinend hatte er mit den muskelbepackten Armen des Schmieds schon Bekanntschaft gemacht. Er ließ den Mann mit den typischen Funkenspuren seines Gewerbes auf der Haut nicht aus den Augen.

      „Raus mit dir!“, sagte Doriah.

      Der Schmied trat aus dem überfüllten Gelass auf den Gang und wartete.

      „Du wirst mich in die Garnison begleiten“, stellte Doriah fest. Er erhielt keine Antwort, doch als er ging, folgte ihm der Schmied wortlos.

      „Korporal Belan!“, rief Moamin Doriah, als sie den Hof der Garnison erreicht hatten.

      Auf den Ruf hin unterbrach einer der Gardisten seine Schwertübungen und kam herbeigeeilt. Er sah ihn furchtlos aber respektvoll an, wie es alle Gardisten taten, die ihren Hauptmann kannten und schätzten.

      „Dieser Mann darf sich im Hamam der Unteroffiziere reinigen und rasieren. Gib ihm saubere Kleidung aus der Kleiderkammer. Danach bringe ihn in zu mir, es hat keine Eile.“

      Der Korporal war an eigenartige Befehle gewohnt und bedeutete dem Schmied, ihm zu folgen. Der sprach sein erstes Wort, seit Doriah ihn aus dem Kerker geholt hatte. „Danke!“

      Als es an die Tür klopfte, war Doriah in das Studium der Landkarten vertieft. Rayol Jamsillah kam herein, der Korporal sah den Hauptmann fragend an. „Es ist gut, Belan“, sagte er und der Soldat schloss die Tür.

      Der Schmied blieb am Eingang stehen. Die Spuren des Kerkeraufenthalts waren äußerlich getilgt: Er trug nun graue Wickelhosen und ein dunkelgrünes Wams, das ihm um die Schultern zu eng war. Etwas Größeres hatte der Fundus der Garnison nicht hergegeben. Sein schwarzer Vollbart war sauber geschoren.

      „Setz dich, Schmied Rayol!“ Doriah zeigte auf einen Stuhl.

      Der Schmied folgte der Aufforderung, wobei er ihn aufmerksam ansah.

      „Ich bin Hauptmann Moamin Doriah von der Garde des Khans. Hast du eine Vorstellung, warum du hier bist?“

      „Wahrscheinlich braucht ihr jemand, der dumm genug ist, sich in irgendeine Räuberhöhle oder ein Nomadenlager zu schleichen, damit er den Hals nicht auf den Richtblock legen muss. So prahlt mancher Mann in den Schänken und nennt sich Spion.“

      Der Schmied war offensichtlich nicht dumm. „Und du glaubst, deshalb seiest du hier?“, fragte Doriah nach einer Weile.

      „Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein.“

      „Du liegst nicht falsch, aber erzähl mir zuerst deine Geschichte!“

      „Ich habe vor dem Büttel alles zugegeben, und es tut mir immer noch nicht leid, dass ich diese Schweine umgebracht habe. Ihr habt euch den falschen Mann geholt, denn ich fürchte den Tod nicht. Er wird eher eine Erlösung für mich sein.“

      Doriah hatte so eine Antwort erwartet und sie bestätigte ihm, dass er den richtigen Mann ausgesucht hatte.

      „Recht zu sprechen ist Sache des Khans und seiner Büttel. Es geht mir hier ausnahmsweise nicht um den Buchstaben des Gesetzes. Ich will erfahren, ob du trotz deiner Tat ein rechtschaffener Mensch bist.“

      Die Worte schienen etwas in dem Schmied zum Klingen zu bringen. Und da er nichts Besseres vorhatte, als auf den Tod zu warten, begann er zu erzählen.

      „Vor zwei Jahren beendete ich meine Lehrzeit als Waffenschmied und wurde von Jassim Muktada losgesprochen.“

      Moamin Doriah kannte Muktada als Meister seines Fachs, als ehrenwerten Mann, der sich seine Lehrlinge sorgfältig aussuchte, denn er hatte einen Ruf zu verlieren. Dass Rayol bei Muktada als Lehrling angenommen worden war, sprach für ihn.

      „Er bot mir an, als Geselle für ihn zu arbeiten, aber ich entschied mich für ein oder zwei Wanderjahre.“

      „So? Etwas Besseres kann einem Waffenschmied in diesem Teil des Khanats doch kaum passieren, als in der Werkstatt des Jassim Muktada zu arbeiten. Warum gingst du fort?“

      Der Schmied dachte eine Weile nach, als wenn er sich die Gründe selbst noch einmal erklären müsse. „Aus Angst.“

      In die Augen des Mannes war eine Spur Entschlossenheit zurückgekehrt, ein Abbild der Erinnerung an die Zeit vor zwei Jahren. Doriah musterte die breite Brust und die gewaltigen Arme des Schmieds. „Angst? Du? Wovor?“

      Wieder suchte Rayol Jamsillah nach Worten. „Vor einer Frau, vor mir selbst, vor meinem Glück.“

      „Glück ist meiner Erfahrung nach das Resultat von Können und Fleiß“, warf Doriah ein.

      „Dennoch konnte ich mein Glück kaum fassen. An dem Tag meiner Lossprechung hielt ich um die Hand von Gaiana, der Tochter des ältesten Gesellen Muktadas an. Und Fahd ibn Fahd gewährte mir die Bitte, ohne Bedingung, ohne Brautgeld, ohne Morgengabe, denn ich war mittellos.“

      „Der

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