Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian. Florian C. Booktian
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Читать онлайн книгу Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian - Florian C. Booktian страница 10
„Percy? Was zum ...?“
„So, fertig“, sagte Percy und schaltete den Rasierer aus. „Jetzt kann man sich wieder mit dir zeigen.“ Das Erdmännchen rutschte von seiner Brust auf den Boden und nahm eine Tasse Kaffee vom Wohnzimmertisch. Milten tastete sein frisch rasiertes Gesicht ab.
„Oh“, machte Percy und hob den Finger. Dann griff er hinter sich, nahm eine Flasche mit der Aufschrift: Teakholz der Ewigkeit – Herrenduft, goss sich zwei Tropfen auf die Pfote und rieb sie aneinander. Das Aftershave verbreitete einen hölzernen Duft.
Behutsam tupfte Percy seinem Freund den Duft ins Gesicht.
„Jetzt bist du perfekt. Du hättest dich wahrscheinlich schon selber rasiert, aber ich konnte nicht warten. Ich war vor dir wach und die Versuchung war einfach zu groß, diesen scheußlichen Bart selbst zu scheren. Ist gut geworden“, sagte Percy und betrachtete sein Werk. Er hatte Milten nur hier und da ein klein wenig geschnitten. Mit einem elektrischen Rasierapparat war das zwar nur schwer möglich, aber scheinbar war Miltens Haut genauso empfindlich wie der Rest von ihm. „Mir ist, als ob ich dich selbst in die Zivilisation zurückgezogen hätte.“
Milten lächelte. Er war froh, dass der Bart jetzt auf dem Handtuch unter ihm lag. Irgendwann war seine Gesichtsbehaarung derart außer Kontrolle geraten, dass sich seine Kopf- und Barthaare in eine abstruse Kombination vermischt hatten. Sie hatten sich miteinander verflochten und waren an anderen Stellen verwachsen. Er musste ausgesehen haben wie ein Höhlenmensch ohne Keule.
„Weißt du was, Percy, ich kann auf die Sekunde genau sagen, wann ich wieder zu mir gekommen bin.“
„Erzähl“, forderte Percy und nippte an seinem Kaffee.
„Als der Beamte mit mir gesprochen hat, nachdem ich die Frau auf dem Dach erschossen habe. Er war bei mir, nur weil er den sachlichen Verlauf festhalten musste, um sicherzustellen, dass ich nicht ohne Recht Gebrauch von meiner Dienstwaffe gemacht habe. Und dann war er wieder weg. Er hat seinen Zweck erfüllt und ist wieder gegangen, denn mehr hatte er mit mir nicht zu tun. Plötzlich habe ich gespürt, wie sich meine Prioritäten wieder neu geordnet haben, einige sind an ihren alten Platz gerückt, andere haben sich neu manifestiert. Da hab ich mir gedacht, es liegt ganz alleine an mir, wie lange Menschen bei mir bleiben und wann sie auf mich zukommen. Jeder erfüllt einen Zweck. Es muss dort draußen also noch jemanden geben, der auf mich zukommt, einzig und allein wegen ... mir. Verstehst du? Jemand Neues. Jemand Aufregendes. Verstehst du mich Percy?“ Milten setzte sich auf.
Nein, das Erdmännchen verstand ihn nicht. Er konnte nicht glauben, dass eine Belanglosigkeit wie das Gespräch mit einem Beamten von der Abteilung für Interne Ermittlungen Milten wachgerüttelt hatte. Percy verstand nicht, aber das war egal. Seinem Freund ging es besser und was immer er sich dafür in seinem Kopf aneinanderreihen und als Logik verkaufen musste, war ihm recht.
„Natürlich verstehe ich, Milten. Du gibst der Welt noch mal eine Chance!“
„Genau!“, sagte Milten und stand auf. Er klopfte sich die Falten aus der Hose und steckte sein Hemd richtig rein, denn wie in vielen vorangegangenen Nächten hatte er in genau den Klamotten geschlafen, in denen er auch den ganzen Tag über unterwegs gewesen war. Und so langsam konnte Milten sich selbst riechen. „Jetzt muss ich mich umziehen und frisch machen. Und dann ziehen wir wieder los, um ein wenig Gerechtigkeit auf den Straßen zu verteilen!“ Milten glättete seine ausgebleichte Krawatte. „Bitte entschuldige mich.“
Percy schüttelte den Kopf und schlürfte den Rest seines Kaffees. Er hatte ihm gefehlt, der optimistische Milten mit seiner überschüssigen Energie. Und jetzt war er endlich wieder da. Nachdem er den Bart losgeworden war, musste er nur noch den Rest von Milten woanders einquartieren. Aber alles zu seiner Zeit. Milten musste sich im Bad noch fertig machen.
In Miltens Fall war es mehr eine Restaurationskammer.
Percy hatte ihn nachts manchmal mit einem Spray eingesprüht, das unangenehme Gerüche beseitigen sollte. So ganz hatte es nicht funktioniert und manchmal verdrehten die Leute die Augen, wenn die zwei Detectives auftauchten. Der eine mit Sonnenbrille, der andere mit einem Bart, der wie ein wilder Efeu um seinen ganzen Kopf gewachsen war und der noch dazu aggressiv nach Lavendel und Zitrone roch.
Aber das sollte jetzt der Vergangenheit angehören.
Milten trat aus dem Badezimmer und sah aus, als hätte er gerade ein paar Runden in der Waschmaschine gedreht. Er hatte geduscht, die Kleidung gewechselt und sich die Haare sauber nach hinten gegelt. Die Schuhe gewienert, die Fingernägel gestutzt und ein schickes Lächeln aufgesetzt.
Sie machten sich auf den Weg zur Arbeit.
Unten im Wagen staunte Milten Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, wie Percy wohnte. Das Erdmännchen war ein guter Detective mit einem anständigen Gehalt und einem Ruf als unnachgiebiger Ermittler. Seit Milten zu ihm gestoßen war, hatte sich dieser Ruf noch weiter verfestigt. Wenn es um einen Fall ging, der hart zu knacken war, dann landete er bei Milten und Percy. Und obwohl sich Percy locker eine schicke Wohnung im gehobenen Teil der Stadt leisten konnte, da wo der Supermarkt nahe gelegen und die Nachbarn um zehn im Bett waren, bevorzugte er es, sich in einem heruntergekommenen Viertel niederzulassen, in dem es von Menschen und Daseinsformen aus Gnaa nur so wimmelte, die allesamt irgendwie, irgendwo zwielichtig waren.
Sobald sie einen Fuß aus der Haustür gesetzt hatten, beendeten zwei Nachbarn gegenüber ein Gespräch, warfen den beiden Polizisten bissige Blicke zu und gingen ihrer Wege. Im Treppenhaus lungerte ein Junge herum, der rauchte. Percy nahm ihm die Zigarette ab, zog einmal daran und gab sie zu Miltens Entsetzen dem Jungen zurück. Der strahlte. Was Milten nicht mehr mitbekam, war, dass Percy die Zigarette ganz heruntergezogen hatte und für den Jungen nichts mehr übrig blieb. Als sie weiter das Treppenhaus hinabgingen, hatte das Erdmännchen ihm den Raucher als Pablo vorgestellt. Einem Jungen, der zwischen dem falschen und richtigen Grad schwankte. Jeder noch so kleine Windstoß konnte ihn in die falsche Richtung kippen und deshalb bevorzugte es Percy, abzuwarten und erst dann einzugreifen, wenn er ihn um Hilfe bat oder in ernsten Schwierigkeiten war. Wer nie ins Feuer fasste, so Percy, der lernte auch nie, dass es heiß war.
Milten hatte an dieser Strategie so seine Zweifel. Pablo war höchstens fünfzehn. Percy hätte Pablo die Zigaretten abnehmen und ihm erklären sollen, dass Rauchen schädlich sei. Aber wenn er ihn darauf hingewiesen hätte, würde Percy ihn nur wieder ermahnen, dass man mit einer derart spießigen Art hier nicht weit komme. Das bekam Milten relativ oft zu hören. Im Erdgeschoss wurde Percy von mehreren gegrüßt. Mal mit einem Winken, mal mit Zurufen seines Namens. Das Erdmännchen war bekannt unter den Einwohnern und mit Sicherheit auch beliebt. Vor allem bei den weiblichen. Vor dem Ausgang des maroden Gebäudes stand eine Frau, die versuchte, ihr Alter mit zu viel Make-up und zu kurzer Kleidung zu kaschieren. Percy küsste sie, sagte „Guten Morgen“ und drückte sie kurz. Schon am ersten Tag hatte er ihm erklärt: „Das ist Trixi, die sieht zwar aus, als würde sie sich für Geld auf den Rücken legen, aber eigentlich ist sie eine Bibliothekarin, die zu Tode gelangweilt ist.“ Milten fand, dass die Frau ganz und gar nicht gelangweilt aussah, sondern verrucht und unsittlich.
Welche sich selbst respektierende Frau betonte schon gleichzeitig Brust, Lippen und Beine. Irgendwie musste er in seinen Gedanken ein Mittelding zwischen seiner spießigen Art und einem Milten finden, dem alles egal war. Sozusagen einen Middelton. Er musste einen lockeren, geduldigen Milten ins Leben rufen, der auch mal einfach Ja sagte, ohne