Die Midgard-Saga - Hel. Alexandra Bauer
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„Du hast dich auf Lokis Platz gesetzt“, erwiderte Wal-Freya in einem Ton, der Thea nicht gefiel.
„Ziemlich schwer, den nicht zu treffen, bei zwei freien Plätzen“, motzte Thea.
„Wir sollten der Sache nicht zu viel Bedeutung schenken“, sagte Forseti.
Thea nickte für sie selbst überraschend energisch und wechselte den Blick zwischen Odin und Frigg, deren Augen ausdruckslos auf ihr ruhten.
Odin neigte langsam den Kopf und hob die Hand auffordernd in Hermodrs Richtung. Der stand auf und ließ seinen Blick über die Reihe der Anwesenden schweifen, ehe er verkündete: „Die Völva hatte Recht. Es gibt einen dritten Eingang nach Hel. Er liegt im äußersten Nordwesten Niflheims und führt durch eine Höhle direkt zu den Untiefen des Gjölls. Holle ist davon überzeugt, dass er unbewacht ist, denn über den Gjöll führt für die Toten kein Weg aus Hel hinaus.“ Er schmunzelte und blickte in Theas Richtung. „Und normalerweise ist kein lebendes Wesen so verrückt, nach Hel zu reisen.“
Thea presste die Lippen zusammen. „Es sei denn, sie sind mit Göttern befreundet und werden dazu … sagen wir mal … überredet“, erwiderte sie in der Gedankensprache zu Wal-Freya.
„Eine sehr ehrenvolle Aufgabe für einen Menschen, seinen Göttern zu helfen.“ Wal-Freya lächelte und Thea antwortete mit einem Seufzen.
„Holle weiß ebenfalls um den geheimen Pfad nach Hel. Sie heißt unsere Idee nicht gut, aber sie glaubt, dass Skidbladnir in der Lage ist, uns über den Gjöll nach Hel zu bringen.“
Thea schmunzelte in der Erinnerung an das magische Schiff, das sie zu ihrem ersten Abenteuer nach Niflheim gebracht hatte. Thor hatte es von Freyr geliehen bekommen. Einst war es von den Zwergen geschaffen worden. Es ließ sich zu einem Pergament zusammenfalten und in einer Tasche verstauen.
Freyr stand auf und Hermodr setzte sich. „Ich kann euch Skidbladnir gerne anvertrauen“, sprach er in Richtung seiner Schwester.
Nun erhob sich Wal-Freya. „Und wo finden wir diesen Eingang?“
Freyr nahm Platz während Odin aufstand. „Hermodr wird euch begleiten. Er wird eine große Hilfe sein. Er ist der Einzige von uns, der bereits in Hel war.“
„Viel habe ich nicht gesehen, aber ich werde gerne mitkommen“, erwiderte Hermodr.
Wal-Freya nahm wieder Platz. Sie beugte sich weit vor und suchte Odins Blick. „Was ist, wenn es zu Komplikationen kommt, Odin? Sollen wir aufs Äußerste gehen, um unser Ziel zu erreichen?“
Die Gesichtszüge des Göttervaters verhärteten sich. „Ab dem Zeitpunkt, an dem ihr die Grenze zum Totenreich überschreitet, werden wir Hel vergrämen. Darum ja, geht bis zum Äußersten. Diese Mission darf auf keinen Fall scheitern.“
Hermodr nickte entschlossen. Frigg seufzte tief.
Sif schnaufte und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, dass ich erneut dagegen spreche, aber ich kann nicht oft genug sagen, dass ich euer Vorhaben für eine schlechte Idee halte. Thor würde es ebenso sehen. Der Plan ist schändlich, er bringt die Ordnung jener Welten durcheinander, die wir schützen wollen.“
Energisch schüttelte Frigg den Kopf. „Die Ordnung ist aus den Fugen, seit Loki sie aus den Fugen gebracht hat. Wir haben über unser Vorhaben bereits abgestimmt und ich werde mich weigern, erneut darüber zu diskutieren.“
Zu Theas Überraschung regte sich Sigyn neben ihr. „Wieder stimme ich Sif zu. Als wir auf die Suche nach Fengur …“, sie räusperte sich. „Ich meine natürlich, als wir auf die Suche nach Thea gingen, bestand unser Ziel nur darin, Loki aufzuhalten und ihn seinem geweissagten Schicksal zuzuführen. Der Plan war nie, die ganze Zukunft zu ändern. Aber das würden wir tun, wenn wir Balder aus der Unterwelt befreien.“
Forseti schüttelte den Kopf. „Auch wenn ihr glauben könntet, dass ich befangen sei, so widerspreche ich! Wir haben lange genug versucht, Loki zu fangen. Was hat uns das gebracht? Mit jedem Misserfolg haben wir ihn nur mutiger gemacht. Jede seiner Handlungen brachte uns Ragnarök schneller entgegen. Das zeigt uns Fenrirs Befreiung!“
Theas Blick schnellte zu Tyr, der sie kurz ansah und seine Augen dann wieder auf Forseti richtete. Thea verdächtigte den Kriegsgott schon lange, etwas mit dem Verschwinden Fenrirs zu tun zu haben, aber sie wagte nicht, ihren Verdacht offen auszusprechen. Sie wusste, es war verrückt, das zu denken und doch war sie sicher, dass sich Loki damit gebrüstet hätte, wäre er für Fenrirs Befreiung verantwortlich gewesen. Nichts dergleichen war jedoch geschehen, im Gegenteil. Als Thea auf Loki getroffen war, hatte er sogar vehement bestritten, etwas mit Fenrirs Befreiung zu tun gehabt zu haben. Andererseits war Loki aber auch nicht zu trauen und seine Unschuldsbeteuerungen konnten ebenso Teil eines größeren Plans sein wie alles, was er zum Gelingen Ragnaröks unternahm.
Odin erhob sich. „Ich stimme Frigg zu. Wir werden nicht noch einmal darüber beraten. Das haben wir schon lange und ausgiebig getan. Die Entscheidung ist gefallen. Wir werden Balder aus Hel befreien.“
Sif und Sigyn wechselten Blicke und gaben sich offensichtlich geschlagen.
Odins Auge betrachtete abwechselnd Wal-Freya und Thea. „Wer wird euch begleiten?“
Thea holte überrascht Luft, aber Wal-Freya antwortete, ehe Thea dazu gezwungen wurde.
„Je weniger uns begleiten, umso besser. Eine noch größere Gruppe als die, die sich zusammenfinden wird, würde zu sehr auffallen. Juli wird sich nicht dazu überreden lassen, hier zu bleiben und ich fürchte, mit Tom sieht es nicht anders aus.“
Tom und Juli nickten zustimmend. Juli grinste dabei über beide Ohren.
„Hermodr ist uns Hilfe genug“, schloss Wal-Freya das Thema.
Juli rutschte auf ihrem Platz hin und her. Forseti bemerkte es. Während er sie anlächelte, fragte er: „Möchtest du uns etwas sagen, Juli?“
„Ja, wenn ich darf?“, erwiderte Juli.
Forseti hob die Hand in ihre Richtung und nickte auffordernd.
Den Blick auf Baba Jaga gerichtet druckste Juli: „Nun, ich dachte gerade daran, dass es vielleicht praktisch wäre, eine Totengöttin dabei zu haben, wenn man sich mit einer anderen Totengöttin anlegt.“
Baba Jaga riss die Augen auf und hob abwehrend die Hände. „Das wagen wir nicht!“
Nickend erwiderte Odin: „Und das verstehen und akzeptieren wir, Baba Jaga.“ Er wandte sich an Wal-Freya. „Wir werden euch mit allen erdenklichen Hilfsmitteln ausstatten. Auch gebe ich dir Draupnir mit. So kann Balder sehen, dass ich mit der Entscheidung, ihn aus Hel zu befreien, einverstanden bin.“
„Dein Wagen mit Bygul und Trjegul ist nicht groß genug, um euch alle zu befördern“, merkte Thrud an. „Nehmt ihr die Pferde?“
„So ist es“, nickte Wal-Freya und zauberte Thrud ein Lächeln ins Gesicht.
Nun meldete sich auch Ullr zu Wort. „Ihr müsst reichlich Proviant mitnehmen, vor allem Wasser. Wir wissen nicht, in welche Gegenden Hels euch eure Suche führt. Ihr solltet damit rechnen, dass es schwer werden könnte, frisches Wasser zu finden.“
Freyr,