Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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verrichten. Und er wurde nicht einmal rot dabei!

       Hans lächelte leise vor sich hin. Er begriff recht gut, wodurch er die Gefühle seiner Mutter verletzt hatte, und wollte ihr ja nicht weh tun, wenn er selbst auch nichts Außerordentliches darin sah. Der Diener verließ auch gleich darauf das Zimmer wieder.

       „Aber, Hans“, sagte die Mutter mit freundlichem Vorwurf im Ton, kaum, dass der Diener die Tür ins Schluss gedrückt hatte. „Solche Scherze solltest du doch nicht machen, wenn die Dienerschaft im Zimmer ist.“

       „Was für Scherze, Mama?“

       „Nun, mit deinem Arbeiten und Holzhacken!“

       „Aber Mama, das war wahrhaftig kein Scherz, ich habe wenigstens tüchtige Blasen dabei an den Händen bekommen!“

       „Aber du willst uns doch nicht sagen, dass du wirklich und gewiss im Ernst Tagelöhnerdienste hast verrichten müssen“, warf jetzt auch der Vater ein.

       „Sicher will ich das, Papa“, sagte Hans, ihm treuherzig ins Auge sehend. „Der Mensch will doch leben, und ich war oft gezwungen, wenigstens am Anfang, alles zu ergreifen, um mich ehrlich durchzubringen.“

       „Aber, weshalb um Gottes Willen, hast du denn da nicht an mich geschrieben, dass wir dir Geld hinüberschicken! Du weißt doch, dass ich alles geopfert hätte, ehe ich meinen Sohn einer solchen Schmach aussetze!“

       „Schmach! Lieber Vater“, sagte Hans, langsam und mit besonderem Nachdruck auf das Wort. „Wir haben da drüben einen anderen Begriff von Schmach. Wir halten das dafür, wenn jemand durch Faulenzen und Schuldenmachen sein Leben durchzubringen versucht. Wer aber tüchtig und ohne Scheu zugreift und sich sein Brot durch seiner Hände Arbeit verdient, der gilt als Ehrenmann, und wenn es ein gewöhnlicher Holzhacker auf der Straße, ein Lastträger oder sonst etwas wäre. Weißt du, Papa, dass ich selbst Reisenden ihr Gepäck von der Dampfbootlandung bis in ihre Wohnung für einen Vierteldollar hinaufgetragen habe?“

       „O mon Dieu!“ rief seine Mutter und faltete entsetzt die Hände, denn dafür fand sie nicht einmal einen deutschen Ausdruck, der sich anständigerweise hätte gebrauchen lassen. „Hans, Hans, hast du denn nicht an deinen Namen, deine Eltern gedacht? Wenn dich nun jemand erkannt hätte, wenn es hier bekannt würde! Sprich nur um Gotteswillen mit keinem Menschen darüber. Oh, warum hast du nicht an uns um Geld geschrieben!“

       „Weil ich es für ehrenvoller hielt, Mama, mir selbst ehrlich durch die Welt zu helfen, als von anderen Hilfe zu fordern“, sagte der junge Mann, und seine hübschen Züge färbten sich mit einem dunklen Rot.

       „Und das nennst du ehrlich?“ rief seine Mutter, noch immer durch das Furchtbare des Gedankens überwältigt.

       Hans lachte.

       „Sorge dich nicht, Mütterchen, du, in den hiesigen Verhältnissen aufgezogen, hast andere Ansichten darüber, aber ich gebe dir mein Wort, du kannst Hunderte von jungen Leuten da drüben finden, die hier aus den ersten Adelsgeschlechtern stammen und trotzdem dort die gewöhnlichsten Handwerker-, ja Handlangerdienste verrichten, ohne dadurch im geringsten schlechter zu werden oder ihren alten Adel zu schädigen. Im Gegenteil sammeln sie da drüben in einem Jahr mehr Lebenserfahrung, als hier in der zehnfachen Zeit, und kehren sie dann zurück in die Heimat, so bringen sie allerdings andere Ansichten vom Leben und den gesellschaftlichen Verhältnissen mit, als sie hinüber genommen; aber du kannst dich darauf verlassen, Mütterchen, dass es ihnen und anderen Menschen nur nutzen wird.“

       Die Dame schüttelte immer noch vor sich hin den Kopf, denn dies waren von den ihren so himmelweit entfernte Ansichten, dass sie sich dahinein natürlich nicht so rasch finden konnte. Der Vater aber, obgleich er wohl ebenso wenig wie seine Gemahlin mit den hier ausgesprochenen Grundsätzen übereinstimmen mochte, folgte einem anderen, bis jetzt noch unbegreiflichen Gedanken, wovon nämlich sein Sohn die ganze Zeit gelebt und sich auch Geld erworben habe, denn von Handarbeit hatte er sich nicht so gekleidet, wie er da vor ihm stand. Fehlten ihm doch nicht einmal feine Glacéhandschuhe, die jetzt neben ihm auf dem Tisch lagen, und einzelner Schmuck, den er an ihm bemerkte und der seinem forschenden Blick ebenfalls nicht entgangen war, rührte ebenso wenig von Spitzhacke und Schaufel her.

       „Hm, Hans", sagte er endlich, indem er sich vorsichtig zuerst ein wenig räusperte, „das ist alles recht schön und gut, und davon sprechen wir vielleicht später, aber jetzt möchte ich doch – möchte ich doch wirklich erfahren, in welcher Weise du deinen – Lebensberuf, könnten wir sagen, da drüben erfüllt hast. Du siehst mir für einen Holzhacker oder Lastträger doch ein wenig zu anständig aus, musst also jedenfalls auch noch etwas anderes getrieben haben."

       „Ich? Gewiss, Papa", sagte Hans, der sein Frühstück beendet hatte, die Tasse zurückschob und wie unwillkürlich mit der Hand in die Tasche griff, als ob er etwas herausholen wollte, aber doch dabei wieder innehielt. Er sah zugleich halb lächelnd, halb verlegen die Mutter an. Er hatte jedenfalls etwas auf dem Herzen, getraute sich aber, wie es schien, noch nicht mit der Sprache heraus.

       „Was hast du, Hans?" frug die Mutter, die keinen Blick von dem Sohne wandte und der auch deshalb die Bewegung nicht entging.

       „Oh, oh, nichts, Mama", lachte der junge Mann. „Es war nur – ich weiß nicht – ich - habe..."

       „Nun, was hast du? Weshalb sprichst du nicht frei von der Leber weg?"

       „Kannst du das Rauchen vertragen, Mama?"

       „Das Rauchen?" rief Frau von Solberg wirklich erschrocken aus. „Aber, Hans, du rauchst doch nicht?"

       „Nur einmal am Tage, Mama", lachte der Sohn, „und zwar von morgens bis abends."

       „Aber Hans, das ist ja entsetzlich!" rief Fränzchen, während die Mutter sprachlos vor Entsetzen daneben saß. „Wie kannst du nur...?"

       „Ja, sieh, Schatz", sagte der junge Mann. „Wenn man sich so Jahr nach Jahr da draußen allein in der Welt herumtreibt, fremd überall, wohin man kommt, und immer nur allein auf sich selber angewiesen, da fühlt man das Bedürfnis, irgendwelche Zerstreuung wenigstens zu haben, und fällt dann, als die unschuldigste, auf das Rauchen."

       „Unschuldigste?" sagte die Mutter, indem sie mit dem Kopf schüttelte. „Die Raucher verpesten in ihrer Unschuld gewöhnlich ihre ganze Nachbarschaft."

       „Aber doch nicht mit guten Zigarren, Mama, und dass ich keine schlechten rauche, kannst du dir ja denken. Mir selber ist wirklich das Rauchen zum Bedürfnis geworden, aber wenn es dich so geniert, werde ich es gewiss in deiner Nähe vermeiden. Irgendein Plätzchen findet sich ja doch überall, wo man diesem, wenn du willst, Laster frönen kann." Er zog die Hand wieder aus der Tasche zurück und faltete beide, wie in stiller Resignation, in seinem Schoß.

       „Aber dann fühlst du dich nicht behaglich, und dein Zimmer ist natürlich noch nicht eingerichtet..."

       „Oh doch, Mutter, sorge dich deshalb nicht", beruhigte sie Hans.

       Die Mutter rang mit einem großen Entschluss. „Nein", sagte sie plötzlich. „Du sollst den ersten Tag in deiner Heimat nicht gleich etwas entbehren, woran du dich gewöhnt hast. Ich dulde sonst allerdings kein Rauchen in meinen Räumen, heute aber soll dir eine Ausnahme gestattet sein – aber auch nur heute. Morgen musst du dich wieder den Hausgesetzen fügen."

       „Meine gute Mama", sagte Hans wirklich gerührt. „Das ist denn doch zu liebenswürdig von dir, und ich weiß nicht einmal, ob ich es

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