Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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„Es wird viel Mühe kosten, dich da wieder hineinzupassen."

       „Aber, beste Mutter!" rief Hans. „Das freie, prächtige Leben das draußen, diese völlige Ungebundenheit hat doch auch wieder viel Angenehmes, und ich gestehe dir aufrichtig, mir graust es ordentlich vor diesen eben erwähnten und fast ein wenig zu sehr geordneten Zuständen. Hier in Deutschland hat jeder sein bestimmtes Gefach von unten an und an der ganzen Wand hinauf. Es ist wie ein großer Bücherschrank mit Abteilungen, und darin liegt er und knurrt jeden an, der ihm zu nahe kommt. Er muss auch dabei sein Bestimmtes auf einen bestimmten Tag gebracht bekommen, und verzehrt es allein, die reine Stallfütterung, und ich bin jetzt so an freie Weide gewöhnt."

       „Welch entsetzlicher Vergleich!" rief die Mutter wirklich schaudernd aus.

       Hans hatte sich im Zimmer umgesehen, es war fast, als ob er etwas suche.

       „Was ich euch fragen wollte", sagte er dann. „Wie geht’s denn dem kleinen Käthchen, und wo ist sie? Sonst frühstückte sie doch immer mit. Sie ist doch nicht gestorben?" setzte er rasch und erschrocken hinzu.

       „Nein", sagte die Mutter, aber die Frage schien ihr nicht angenehm. „Damals war Käthchen aber auch noch ein kleines Kind und gewissermaßen bei uns aufgewachsen."

       „Gewissermaßen?" fragte Hans erstaunt. „Wir waren ja doch wie Geschwister, und Fränzchen und Käthchen erhielten ihren Unterricht gemeinsam."

       „Allerdings", erwiderte Frau von Solberg, aber noch immer zurückhaltend. „Käthchen war auch ein liebes, gutes Kind, bis – einige Misshelligkeiten eintraten, die – die uns zwangen, uns von ihr zu trennen."

       Hans sah den Vater an, aber er bemerkte, dass dessen Brust ein Seufzer hob. Der Kammerherr schaute sehr ernst und, wie es ihm vorkam, niedergeschlagen vor sich hin. Es musste da etwas vorgefallen sein, was die Eltern nur ungern berührten, und war er auch entschlossen, das herauszubekommen, so mochte er doch nicht gleich jetzt, in der ersten Stunde ihres Beisammenseins, zu einer Erklärung drängen, die ihm nicht gern und freiwillig geboten wurde. Nur seine Gedanken weilten noch bei der kleinen Spielgefährtin.

       „Wie alt war Käthchen noch damals, als ich fortging?" sagte er, halb dabei wie zu sich selbst redend. „Nicht wahr, so alt wie Fränzchen?"

       „Allerdings, die Kinder waren nur drei Monate auseinander", nickte die Mutter.

       „Und wie lange ist sie nachher noch bei euch geblieben?"

       „Sie hat uns erst vor etwa acht Monaten verlassen."

       „Lieber Gott", sagte Hans. „Da wird es ihr wohl recht schwer geworden sein, von hier zu gehen und ihr Brot unter fremden Leuten zu verdienen, armes Käthchen!"

       „Lieber Hans", sagte die Mutter mit einem gewissen Selbstbewusstsein. „Derartige Leute haben nicht das feine Gefühl von Anhänglichkeit und Dankbarkeit, wie wir es oft – wenn wir nach uns selber schließen – empfinden. Außerdem hat Käthchen aber eine so ausgezeichnete Erziehung genossen und so viel gelernt, dass ihre Zukunft in jeder Hinsicht gesichert ist."

       „Und wo hält sie sich jetzt auf?"

       „Ich weiß es nicht, es war die Rede davon, dass sie mit einer russischen Familie, die einige Wochen hier verweilte, nach Italien als Gesellschafterin gegangen wäre – aber genug davon", brach die Mutter ab. „In der Freude und Überraschung des Wiedersehens haben wir bis jetzt ganz vergessen, dir das wichtigste Ereignis in unserer Familie mitzuteilen: Fränzchen ist Braut."

       „Braut!" rief Hans, der im Nu alles andere darüber vergaß und überrascht die Schwester ansah. „Braut? Mit wem?"

       „Mit einem Grafen Rauten", sagte die Mutter, nicht ohne etwas mütterlichen Stolz. „Er stammt aus einer sehr alten galizischen Familie und ist ein liebenswürdiger, sehr gebildeter Mann, auch selbst weit gereist. Er war lange Jahre in englischen Diensten drüben in Indien."

       „In der Tat?" rief Hans. „Nun, mein herziges Fränzchen, meine besten Wünsche hast du, aber wo ist er jetzt?"

       „Hier in Rhodenburg. Er wohnt natürlich im Hotel, kommt aber jeden morgen her. Du wirst ihn gewiss lieb gewinnen", sagte Franziska.

       „Gewiss, mein braves Schwesterchen, wenn du ihm gut bist. Aber jetzt, Papa, möchte ich dich doch bitten, jemand aus dem Hause nach dem berühmten Goldenen Löwen zu schicken, um meine Sachen dort abzuholen. Meine Rechnung habe ich schon bezahlt und alles zusammengepackt, er braucht nur meinen Namen zu nennen."

       „Wenn du dich nur wenigstens Müller oder Meier genannt hättest", seufzte die gnädige Frau. „Aber das Unglück ist jetzt einmal geschehen. Fränzchen, du bist wohl so gut und schickst augenblicklich den Portier hinüber, und kannst dann gleich deinem Bruder sein Zimmer zeigen, damit er sich erst wieder heimisch fühlt."

       „Brav, Fränzchen", rief Hans, indem er aufsprang und den Arm der Schwester nahm. „Komm, Schatz, jetzt führst du mich wieder durch die alten Räume, du kannst gar nicht glauben, wie ich mich danach gesehnt habe, sie wieder einmal zu durchwandern. Oh, ich fühle mich in diesem Augenblick so glücklich!"

       „Das ist sehr hübsch von dir, Hans", sagte Fränzchen, als sie mit ihm den Frühstückssalon verließ. „Aber eins tut trotzdem Not, und die Mutter hat vollkommen recht."

       „In was, mein Herz?"

       „Darin, Hans, dass wir dich tüchtig zustutzen müssen, ehe du für die hiesige Gesellschaft wieder zu gebrauchen bist."

       „Glaubst du wirklich?" lächelte Hans und sah sie von der Seite an.

       „Es ist meine feste Überzeugung, Hans."

      Zweites Kapitel

      Eine andere Heimkehr.

       An dem nämlichen Tage, Mittags um zwölf Uhr, stand beim alten Tischlermeister Handorf der Tisch in der großen Stube gedeckt. Es war ein Sonntag, die Frau und Tochter kamen eben aus der Kirche zurück, legten ihre Bücher und Tücher ab und setzten sich still und schweigend ans Fenster. Sie sahen beide bleich aus und hatten rotgeweinte Augen.

       Der Vater, ein Greis mit silberweißen Haaren, ging mit langsamen, festen Schritten in der Stube auf und ab; er bot den beiden nicht einmal einen guten Tag, als sie das Zimmer betraten, und hörte auch wohl nicht ihren so leise geflüsterten Gruß. Er war in tiefen Gedanken, aber sie mussten peinlicher Art sein, denn er hielt die Lippen fest übereinander gepresst und das Auge stier und finster am Boden haftend, und doch dachte er auch noch an anderes, denn dann und wann flog sein Blick nach der alten Schwarzwälder Uhr hinüber, die in einem langen Gehäuse in der einen Ecke stand und einige Minuten noch vor zwölf Uhr zeigte.

       Ein kleines Mädchen von vierzehn Jahren stand am Tisch und sah scheu nach den Eltern hinüber, ein dicker, pausbäckiger Junge von etwa sechs Jahren, der Enkel der alten Leute und der Sohn einer verstorbenen Tochter, spielte in der Ecke mit ein paar schon zerbrochenen hölzernen Soldaten, wahrscheinlich Überbleibseln vom letzten Weihnachtstisch, und der war es auch, der das Schweigen zuerst brach: „Essen wir noch nicht bald, Großmutter?"

       „Ja, recht bald, Max, warte nur noch ein klein wenig, bist du so hungrig, so will ich dir indes ein Stück Brot geben."

       „Ne, ich will kein Brot", brummte Max. „Heute ist Sonntag,

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