Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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bat die Mutter.

       „Nein, ich mag nicht!“ rief das Kind verdrossen.

       „Aber warum nicht, Herz?“

       „Die Gesellen sagte heute morgen, er wäre im Zuchthaus gewesen.“

       „Bärbel, um Gotteswillen!“

       Gretchen kam wieder herein, sie trug die Suppe auf, sah aber totenbleich aus.

       „Kommen die Leute?“ fragte der Vater eintönig.

       „Nein, Vater, ich – ich soll ihnen ihr Essen in die Werkstatt geben.“

       „In die Werkstatt?“ rief der Meister auffahrend. „Weshalb?“

       Karl war sich auf den Stuhl am Tische nieder und stützte sein Gesicht in beide Hände.

       Der Tischlermeister nahm seine Unterlippe zwischen die Zähne – er hatte jedenfalls ein hartes Wort auf der Zunge, aber er bezwang sich. „Gut“, sagte er nach einer kleinen Pause, die er aber brauchte, um die Worte herauszubringen. „Gut, trage ihnen das Essen heute hinaus, und morgen...“

       Er stand neben dem Sohn, der noch immer regungslos in seiner Stellung verharrte, nur das konvulsivische Zittern seines Körpers verriet, dass Leben ihn ihm war.

       „Karl!“ sagte er plötzlich mit nicht so lauter Stimme. Der junge Mann rührte sich nicht. „Karl!“

       Karl hob scheu den Kopf zu ihm empor – da breitete der alte Mann die Arme nach ihm aus.

       „Vater!“ schrie Karl und sprang in die Höhe.

       „Junge, Kind!“ rief der Alte noch einmal, und fest, fest umklammerten sich die beiden Männer und hielten sich so umschlungen.

      Drittes Kapitel

      Bei Oberstleutnants.

       Nicht sehr weit vom alten städtischen Markte, am sogenannten Brink, einer etwas gebogenen Straße des überhaupt altertümlichen Ortes, stand die Hofapotheke, ein zweistöckiges, nicht unansehnliches Gebäude, dessen Parterrelokal der Besitzer selber, Hofapotheker Semmlein, bewohnte, während er die oberen Etagen an verschiedene Parteien ausgemietet hatte – gehörte ihm doch auch das Nachbarhaus, wo er sich mit seinem Laboratorium und Drogenlager ausbreiten konnte. Rhodenburg war allerdings, wie schon erwähnt, keine wirkliche Residenz, in welcher der Hof seinen bleibenden Aufenthalt nahm, aber das verhinderte keineswegs, dass man die Titel: Hoftapezierer, Hoffleischer, Hofschlosser usw. über einer großen Anzahl von Werkstätten sah, während Ausschnitthandlungen, Weingeschäfte, Krämer und Gott weiß wer sonst noch auf ihren Schildern und unter dem oft in Holz geschnitzten und bunt bemalten Landeswappen die wohlklingende, wenn auch sonst nichts bedeutende Aufschrift trugen: „Hoflieferanten“.

       In der ersten Etage der Hofapotheke wohnte der Oberstleutnant von Klingenbruch mit seiner Familie, seiner Frau und zwei erwachsenen Töchtern, Henriette und Flora. Henriette mochte neunzehn, ihre jüngere Schwester siebzehn Jahre zählen, und beides waren ein paar wirklich hübsche Mädchen: Henriette mit prachtvoll dunklem, kastanienbraunen Haar und blauen Augen, was ihr einen ganz eigenen Reiz verlieh, Flora mit einem allerliebsten, fast noch dunkleren Lockenköpfchen und dunklen Augen. Beide junge Damen schauten denn auch mit voller, ungetrübter Lebenslust in die Zukunft hinein, denn bis jetzt sahen sie nur Rosen auf ihrem Pfad und hatten ja noch auf keinen einzigen Dorn getreten – es ging sich da gar so hübsch!

       Ihre Eltern besaßen allerdings nur ein sehr geringes, kaum nennenswertes Vermögen und lebten außerdem von der auch nicht besonders hohen Gage des Vaters – wahrlich keine Kleinigkeit mit zwei erwachsenen Töchtern, wo deren Anstand außerdem, bei fast unnatürlich gestiegenen Bedürfnissen, noch gewahrt werden musste. Aber einen Zuschuss fanden sie glücklicherweise bei einer leider bürgerlichen Tante, die noch dazu einen vollkommen unaristokratischen Namen trug – einer verwitweten Mäusebrod. Diese half wenigstens den jungen Damen mit einem kleinen Taschengeld aus, hatte es aber schon außerdem offen ausgesprochen, dass Henriette wie Flora, wenn Gott sie einst zu sich nähme, ihre Universal-Erbinnen werden sollten. War sie doch die Schwester des alten Oberstleutnants, die aber als armes, adliges Fräulein einen schon ziemlich bejahrten, aber reichen Kaufmann geheiratet und ihn nach sehr kurzer Ehe durch den Tod wieder verloren hatte.

       Henriette und Flora behaupteten in der Wohnstube, jede mit ihrem Nähtisch, die beiden Fenster und arbeiteten augenblicklich, wenigstens der Form nach, an einer für die Tante bestimmten Stickerei, da deren Geburtstag in die nächste Zeit fiel. Ihre Blicke glitten aber doch viel häufiger, als sich das mit der Arbeit eigentlich vertrug, nach der Straße hinüber, und die Aussicht dorthin war in der Tat fesselnd genug.

       Gerade ihnen gegenüber, nur ein ganz klein wenig zur Rechten, stand ein eigentümlich gebautes Erkerhaus vollkommen frei auf der anderen Seite der Straße, aber doch in der richtigen Front, aus der es nur im oberen Stock um etwa zwei Fuß vorsah und dadurch ein Erker- oder ziemlich breites Eckfenster bildete.

       Unten darin, mit einem ähnlichen Eckfenster, einem Lieblingssitz der Gäste, lag eines der bedeutendsten Cafés der Stadt, das besonders von den Offizieren frequentiert und von diesen auch zuletzt einfach im „Eckfenster“, wo man sich gewöhnlich traf, genannt wurde. Danach bekam dann natürlich das ganze Haus mit der Zeit den Namen.

       Das ‚Eckfenster‘ hatte nun allerdings die volle Aussicht nach allen benachbarten Häusern hin, da aber die Seitenwände des Hauses schräg lagen, so gewann man von gegenüber dadurch nichts, denn die Scheiben blitzten zu sehr. Nur die eigentliche schmale Front, das wirkliche Eckfenster, lag den Blicken der Nachbarschaft offen und bot besonders durch das von bunten Uniformen belebte Café den interessantesten Anblick.

       Über dem Café in der ersten Etage des Eckhauses wohnte ein alter Notar, Püster mit Namen, der, hier in Rhodenburg geboren, den größten Teil seines Lebens in fremden Ländern zugebracht. Erst seit einer Reise von Jahren war er zurückgekehrt, und die Zeit war vollkommen genügend gewesen, ihm einen Namen in seinem Fach nicht allein in Rhodenburg, sondern auch selbst in größeren Städten zu machen. Er galt als einer der geschicktesten Juristen Deutschlands. Übrigens war er ein eigentümlich verschlossener Mann, der nicht gern mit der Außenwelt in Form großer Gesellschaften oder geselliger Vereine verkehrte, und sein Eckfenster war ebenfalls durch eine große, wohl sehr dünne, aber doch nicht von außen durchsichtige Gardine verzogen, so dass man ihn eigentlich nur dann zu sehen bekam, wenn er selber es für gut hielt, den Kopf herauszustrecken.

       Die beiden jungen Fräulein von Klingenbruch hatten ihre Plätze an den beiden verschiedenen Nähtischen inne, während die Mutter unfern davon in einem Fauteuil lehnte und einen Roman las.

       „Da ist er wieder“, sagte Flora, die über ihre Stickerei hin einen Blick nach dem Eckhaus geworfen hatte. „Er geht heute nicht von dem Fenster weg, ich sage dir, Jettchen, mir wird der Mensch ordentlich unheimlich, und ich mag den Kopf gar nicht mehr dorthin wenden.“

       „Ach, du bist ein Kind!“ sagte Jettchen, die aber ebenfalls hinübersah. „Was geht uns der alte, unangenehme Mann an! Du musst nur gar nicht tun, als ob du ihn siehst, dann bekommt er es von selbst satt.“

       „Von selbst satt?“ wiederholte Flora. „Wie eine Spinne in ihrem Nest, so hockt er den ganzen Tag da drüben in seinem Zimmer, dass man gar nicht wissen kann, was er vorhat, und nur manchmal schiebt er die Gardinen ein wenig zurück, so dass eben die unheimlichen Augen dahinter hervorfunkeln, und spioniert dann im Nu die ganze Nachbarschaft ab.“

      

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