Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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„Und das nennst du also eine Belästigung, wenn dir daheim die eigene Wohnung reinlich gehalten wird?“

       „Ich sage ja nichts darüber“, lenkte der Oberstleutnant vorsichtig ein, denn das war ein Kapitel, in das er sich nicht gern wagte, da er schon so oft den Kürzeren dabei gezogen. „Du hast mich ganz falsch verstanden, mein Herz.“

       „Ich kenne dich“, brummte jedoch seine Gattin. „Wo nur irgendetwas in der Wirtschaft vorkommt, was dich im Geringsten geniert, so ist es dir gleich nicht recht.“

       „Aber ich sage ja kein Wort mehr.“

       „Ich brauche dich nur anzusehen, so weiß ich schon, woran ich bin. Aber wenn ihr heute keinen Bürotag gehabt habt, wo bist du denn da so lange gewesen?“

       „Ich habe bei dem schönen Wetter einen Spaziergang gemacht, mein Herz, und war dann einen Augenblick bei Baumanns drüben, um ein paar Zeitungen zu lesen.“

       Die Frau Oberstleutnant seufzte recht tief auf. „Also wieder im Bierhaus!“ sagte sie. „Du weißt doch, Heinrich, wie oft ich dich gebeten habe, solche Plätze nicht zu frequentieren.“

       „Aber, liebes Herz, es ist ein sehr anständiger Platz. Alle Offiziere besuchen ihn.“

       „Weil ihnen das junge, freche Geschöpf darin gefällt“, sagte die Dame mit Entrüstung. „Du aber, in deinem Alter, gehörst dort, meiner Meinung nach, nicht hinein.“

       Der kleine, korpulente Oberstleutnant von Klingenbruch hatte in seinem ganzen Wesen wohl etwas sehr Gemütliches, aber keineswegs viel Altadeliges, und kein Mensch hätte leichter als er z.B. als würdiger Bäcker- oder Fleischermeister inkognito reisen können. Er war auch in der Tat von Herzen kein wirklicher Aristokrat, und nur seine Gattin hielt ihn noch, und manchmal wirklich mit Mühe, zu einem höheren Aufschwung seiner selbst an, der aber dann immer von Zeit zu Zeit einer Auffrischung bedurfte. Hauptsächlich aber lag ihm daran, den Hausfrieden zu erhalten, und mit beruhigender Stimme sagte er:

       „Aber, bestes Kind, du nimmst die Sache zu schwer, ich gehe ja auch so selten hin. Weißt du übrigens, wer hier neben uns eingezogen ist? Als neulich die schönen Möbel in das Haus hier nebenan über der kleinen Gasse drüben eingetragen wurden, zerbrachen wir uns doch die Köpfe darüber, war das sein könnte.“

       „Nun, und wer ist das?“ fragte die Frau Oberstleutnant, die darüber glücklicherweise das andere Kapitel vergaß.

       „Der Herr von Schaller, der früher draußen vor dem Waldhofer Tor wohnte und mit dem wir eigentlich nie zusammen kamen, und doch ist er ein alter Jugendfreund von mir. Wir standen auch einmal in einem Regiment, aber er quittierte den Militärdienst. Es war ein etwas flotter Gesell und zog sich später nach Berlin zurück.“

       „Ist er verheiratet?“

       „Gewiss, er hat auch eine erwachsene Tochter, das wäre vielleicht ein Umgang für Hetty und Flora.“

       „Und hat er jetzt noch eine Charge?“

       „Ja, mein Schatz, danach habe ich ihn noch nicht einmal fragen können, er kam gerade von Bau.. – hm, ja, von Baumanns heraus, als ich hineinging, und wir wechselten nur eine kurze Begrüßung miteinander.“

       „Die Etage da drüben ist brillant eingerichtet“, sagte die Frau Oberstleutnant. „Die Fenster standen gestern offen, es wurde gerade rein gemacht. Das müssen sehr reiche Leute sein.“

       „Hm“, murmelte der Oberstleutnant, der an seine eigene gute Stube oder sein Empfangszimmer, wie es seine Frau nannte, dachte, in das er das ganze Jahr kaum zweimal hineinkam, während ihn die Möbel da drinnen fast ebensoviel Geld kosteten, als die ganze übrige Einrichtung. „Der Schein trügt manchmal.. Früher fehlte es immer am Besten, aber er wird wahrscheinlich eine reiche Frau bekommen haben, und seiner ganzen äußeren Erscheinung wenigstens nach muss es ihm gut gehen.“

       „Und der besucht auch das Bierhaus?“

       „Ich sage dir ja, man findet dort eine ganz ausgewählte Gesellschaft.“

       „Ausgewählt! Ja, darin will ich dir recht geben“, bemerkte seine Frau mit einem ganz besonderen Nachdruck auf das Wort. „Aber, was ich dir eigentlich noch sagen wollte, Heinrich, wir sind hier gerade unter uns, und ich möchte eine Frage an dich richten, einen Rat von dir.“

       „Von m i r ? Gewiss, mein Herz“, sagte der Oberstleutnant gespannt, denn um seinen Rat wurde er sonst nur dann in häuslichen Angelegenheiten gefragt, wenn er zu einer außergewöhnlichen Ausgabe Geld hergeben sollte. Übrigens war augenblicklich jede Unterhaltung wünschenswerter, als die über das besprochene Bierhaus, dessen Erwähnung er so unbedachterweise wieder herbeigeführt hatte.

       „Die Kinder sprachen vorher so untereinander, und eine hingeworfene Bemerkung über die Tante, deine Schwester, die vielleicht nicht einmal so gemeint war, hat mich beunruhigt.“

       „Eine Bemerkung, mein Schatz?“

       „Sag einmal, Heinrich“, fuhr die Frau Oberstleutnant nach einer kurzen Pause fort, „bist du über die Vermögensverhältnisse deiner Schwester genau unterrichtet?“

       „Ich? Über Sibylles Verhältnisse? Wie meinst du das, Schatz?“

       „Nun, ich meine, ob du bestimmt weißt, dass sie ein bedeutendes Vermögen besitzt"“ ging die Frau Oberstleutnant direkt, wie ein wirklicher Oberstleutnant, auf ihr Ziel los. „Wir unter uns können doch darüber sprechen.“

       „Aber wie kommst du nur zu der Frage?“

       „In sehr natürlicher Art. Es ist nun einmal deine Schwester, wenn sie sich auch nicht gerade schwesterlich beträgt. Gegen die Kinder ist sie wenigstens gut, und ich bin deshalb auch selbst dafür, dass diese ihr die nötige Aufmerksamkeit erweisen. Sie hat ja auch versprochen, ihrer später noch reichlicher zu gedenken; bist du – bist du auch gewiss, dass sie wirklich die Mittel dazu besitzt?“

       „Die Mittel?“ fragte der Oberstleutnant, der noch immer nicht recht begriff, wo hinaus sie eigentlich steuerte.

       „Du bist aber auch heute gerade wie vor den Kopf geschlagen“, sagte seine zärtliche Gattin. „Das kommt vom vielen Biertrinken. Ich meine, ob sie wirklich ein so bedeutendes Vermögen besitzt, dass unsere Töchter – einmal später....“

       „Aber, liebes Herz“, sagte der Oberstleutnant erstaunt. „Darüber waltet ja doch gar kein denkbarer Zweifel. Mäusebrod hatte ein sehr großes Geschäft und war ein sehr tüchtiger Kaufmann, alles dabei in der besten Ordnung, und Sibylle bezieht an Renten etwa das Dreifache, was sie wirklich braucht. Sie hat unstreitig durch die Heirat ihr Glück gemacht. Die Kinder können doch nicht daran gezweifelt haben.“

       „Nein, Gott bewahre!“ wich die Frau aus. „Es war nur so eine hingeworfene Bemerkung Floras, die sich auf einen Roman bezog und mich selbst auf den Gedanken brachte. Aber was macht sie mit dem vielen Geld, wenn sie dreimal mehr einnimmt, als sie selber braucht?“

       „Sie ist sehr wohltätig“, bemerkte ihr Gatte, der genau wusste, wie seine Frau über seine Schwester dachte, und immer nur zu vermitteln hatte. „Sie interessiert sich besonders für das Missionswesen in Afrika.“

       „Ja“, nickte die Frau Oberstleutnant. „Der eine lange Schleicher mit der

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