Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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tief errötete und sich leise nach der Straße zu verbeugte. Unten aber, gerade jetzt am Café vorüber, schritt ein junger, bildhübscher Mann in einem kurzen, schwarzen Samtrock, mit langem, lockigen Haar und einem breiträndigen, schwarzen Filzhut auf – jedenfalls ein Künstler und wahrscheinlich ein Maler – vorüber und grüßte achtungsvoll hinauf.

       Auch Henriette dankte, denn man konnte nicht genau unterscheiden, welcher der beiden Damen der Gruß galt – wahrscheinlich allen beiden. Die Mädchen äußerten übrigens kein Wort über den jungen Herrn da unten, vielleicht genierte sie die Mutter, als diese jetzt plötzlich ruhig sagte:

       „Das ist in der Tat ein höchst unangenehmer Mensch und mir auch schon lästig gefallen – aber was will man machen!“

       Die Blicke der beiden Schwestern begegneten sich, ihre Gedanken waren in diesem Moment unstreitig bei etwas anderem gewesen. Sie hatten sicher vergessen, über was sie noch kurz vorher gesprochen. Nur ein leises, halbverstohlenes Lächeln zuckte über ihre hübschen Gesichter, und Henriette sagte endlich:

       „Von wem sprichst du, Mutter?“

       „Von wem ich spreche?“ wiederholte diese erstaunt, indem sie ihr Buch sinken ließ. „Nun, sprecht ihr denn nicht von dem Alten da drüben, der fortwährend hinter der zusammengerafften Gardine nach der ganzen Nachbarschaft ausspäht?“

       „Ach ja – gewiss!“ rief Flora und war über und über rot geworden. „Es ist ein Advokat, nicht wahr?“

       „Gewiss, und unser Doktor Potter meinte neulich sogar, dass es ein sehr geschickter Jurist, aber auch ein absonderlicher Kauz wäre. Im Hause bei sich hat er wenigstens nur die alte Köchin und den kleinen, buckligen Menschen, der immer mit den großen blauen Heften unter dem langen Arm herumläuft. Wen grüßt du denn da, Jettchen?“

       „Oh, erwiderte die Tochter und wandte den Kopf dem Fenster zu, „es war nur der Leutnant von Wöhfen, mit dem ich auf dem letzten Offiziersball ein paar Mal getanzt habe! Er ritt gerade vorüber...“

       „Ein hübscher Mensch“, sagte die Mutter. „Aber blutarm.“

       „Nun, mit der Schönheit geht es ebenfalls“, lachte Henriette, aber doch etwas erzwungen. „Er ist aber sehr lebendig und erzählt gern....“

       „Und so fade!“ bemerkte Flora.

       „Nun, es gibt fadere Menschen“, entgegnete die Schwester, aber doch wohl von der Bemerkung ein wenig unangenehm berührt. Das Gespräch schien ihr überhaupt nicht recht zu passen, und sie gab ihm rasch eine andere Wendung. „Da drüben fängt die Sängerin wieder an. Was die für eine merkwürdig starke Stimme hat!“

       „Ja, sagte Flora, „sie schreit, dass man es auf dem Markt hören kann, und dabei reißt sie auch noch die Fenster auf!“

       „Du lieber Gott“, meinte die Frau Oberstleutnant achselzuckend, „den Damen vom Theater liegt es ja eben daran, dass sie gehört werden!“

       „Aber die Nachbarschaft brauchte sich das nicht gefallen zu lassen“, bemerkte das jüngere gnädige Fräulein.

       „Aber sie singt wunderhübsch“, sagte Henriette.

       „Ich kann die freche Person nicht leiden“, warf Flora ein. „Es ist auch immer rücksichtslos, sich so hören zu lassen.“

       „Sag‘ einmal, Mama,“ unterbrach sie hier Henriette. „Wer wohnt uns denn schräg gegenüber in dem Eckhause an der anderen Seite des Gässchens, nach rechts zu? Es ist ein wenig zu weit, um es von hier aus genau zu erkennen, aber ich sehe da immer morgens eine wunderliche Gestalt in einem grellroten Schlafrock und mit einem voll-ständig von Papilloten bedeckten Kopf – es muss aber schon ein ältlicher Herr sein.“

       Die Mutter hatte schon ihr Buch wieder aufgenommen und ihre Lektüre fortgesetzt. „Das ist, glaub‘ ich, der hiesige Theaterdirektor“, sagte sie. „Es muss ein wunderlicher Kauz sein, der Doktor erzählte neulich von ihm...“

       „Und unter der Sängerin, links vom Café?“

       „Das weiß ich nicht, Kind“, sagte die Frau Oberstleutnant. „Erstlich wohnen wir hier ja noch gar nicht so lange, und dann – was gehen uns auch die fremden Menschen an! In einer größeren Stadt bekümmert man sich nicht einmal um die Leute, die mit uns unter einem Dach wohnen, viel weniger um solche über der Straße drüben. Aber was ich gleich sagen wollte – ihr habt eure Tante die ganze Woche noch nicht besucht, und ihr wisst, wie sehr der Vater darauf hält.“

       „Aber, Mama, was sollen wir dort?“ rief Henriette und zog das kleine Mündchen trotzig zusammen. „Es ist eine so wunderliche alte Frau, und wir sitzen da immer wie auf der Anklagebank, nur ihre Strafreden und Bemerkungen anzuhören! Über jede Schleife, jedes Band, das wir tragen, hat sie etwas zu erinnern, es ist ihr alles zu auffallend, zu herausfordernd, wie sie sich auszudrücken beliebt, und wir können doch wahrhaftig nicht wie die barmherzigen Schwestern herumlaufen!“

       „Liebes Kind!“ sagte die Mutter langsam und mit Betonung jedes einzelnen Wortes. „Das verstehst du nicht, es schickt sich aber. Deines Vaters Schwester hat allerdings ihre Eigenheiten...“

       „Du kommst ihr auch nicht zu nahe, Mama“, warf Flora ein.

       „Weil ich – weil wir beide eigentlich nicht so recht zusammen passen“, erwiderte in einiger Verlegenheit die Mutter.

       „Aber genau dasselbe ist ja auch mit uns der Fall!“

       „Ihr habt aber trotzdem große Verpflichtungen gegen sie“, fuhr die Mutter fort. „Ja, werdet später noch viel mehr haben – wenn ihr euch eben ordentlich danach betragt. Die kleine Unannehmlichkeit, euch jetzt ihren Launen ein wenig zu fügen, könnt ihr euch dann schon gefallen lassen und sie ertragen.“

       „Kleine Unannehmlichkeit, Mama?“

       „Sie l ä ß t sich ertragen“, erwiderte die Frau Oberstleutnant. „Wenn ihr erst einmal älter werdet, tritt solcher Zwang wohl noch schärfer an euch heran.“

       „Sag einmal, Mama“, fragte Henriette, „was für ein Mann war denn eigentlich der alte Mäusebrod – ein ganz schrecklicher Name! Die Tante erwähnt ihn nie, und der Vater scheint auch nicht viel von ihm wissen zu wollen.“

       Die Mutter zuckte mit den Achseln. „Es mag wohl keine sehr glückliche Ehe gewesen sein“, sagte sie. „Er war sehr reich, aber auch sehr kränklich und dadurch vielleicht voller Launen, soll die Tante auch nicht besonders behandelt haben.“

       „Wie alt ist die Tante, Mama?“ fragte Flora, und Henriette richtete ihre Augen ebenfalls auf die Mutter, als ob sie die Frage mit täte.

       „Ach, so alt gerade noch nicht“, sagte diese, vielleicht demselben Ideengange folgend. „Und so rüstig ja dabei, dass sie noch lange leben kann! Sie muss etwa im Anfange der Sechziger sein.“

       „Das ist freilich noch sehr jung“, bemerkte Flora treuherzig, und Henriette konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

       „Nun, so sehr jung doch auch nicht mehr“, sagte sie. „Wir sind jünger. Aber mit der versprochenen Erbschaft, Mama, da wir jetzt doch einmal unter uns sind, liegt mir, wie es scheint, die Sache noch in weitem Felde. Erstlich können wir selbst darüber alt und grau werden, und dann – wer weiß, ob nicht auch am

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