Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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wieder in die Tasche gefahren, die seine Zigarren barg, als ihm auch die Schwester noch zu Hilfe kam.

       „Ja, Mama, das ist recht, heute morgen darf er rauchen. Es sieht auch interessanter aus, wenn er von seinen Fahrten erzählt und dann gleich wie ein halber Bootsmann dabei sitzt, er hält es doch sonst nicht aus."

       „Oh Fränzchen, da bist du im Irrtum", sagte Hans, aber schon mit der Zigarrentasche in der Hand. „Was ich entbehren muss, kann ich auch entbehren, und habe das schon oft genug bewiesen, wenn man’s aber haben kann..." Der Diener war eben wieder hereingekommen, um das Frühstücksservice hinauszutragen, als sich Hans an ihn wandte:

       „Ach, lieber Freund, dürfte ich Sie wohl um etwas Feuer bitten!"

       Der Diener sah ihn erstaunt an. Einmal war er diese freundliche Anrede und sogar Bitte nicht gewohnt, denn hier im Hause wurde nur befohlen, und dann hielt der Fremde eine wirkliche Zigarre in der Hand, die er doch jedenfalls mit dem Feuer anzünden wollte, und das hatte er in der freiherrlichen Familie noch nicht erlebt. Im Hause wusste auch noch niemand, wer er war, denn der alte Klaus, der ihnen hätte Auskunft geben können, verkehrte mit keinem von ihnen und hielt sich vornehm zurückgezogen von der ganzen Dienerschaft. Aber dem Wunsch des Gastes, da kein Gegenbefehl von der Herrschaft kam, musste natürlich Folge geleistet werden, und der Mann sprang auf das freundliche Wort und dem ersten Eindruck folgend (seine aristokratische Natur würde sich sonst dagegen empört haben) viel rascher als gewöhnlich, um das Verlangte herbeizuschaffen. Das war nicht leicht, denn Streichhölzchen gab es fast gar nicht im Bereich der Familie.

       Als Hans den Diener um Feuer bat, flog Fränzchens Blick unwillkürlich zur Mutter hinüber, und sie bemerkte rasch, wie sich deren Augen erstaunt auf den Sohn hefteten. Auch der Freiherr wurde dadurch gewissermaßen aus seiner Lethargie aufgerüttelt, denn er hatte die letzte Viertelstunde wie in einem Halbtraum gesessen.

       Wie gleichförmig war bis dahin sein Leben verflossen, wie alltäglich, die Zeit natürlich ausgenommen, welche die Herrschaften hier in Rhodenburg oder dem Jagd-Schloss zubrachten! Dann allerdings hatte seine Existenz einen Zweck, er war alle Tage zur Tafel befohlen, ja, eigentlich deren Seele, denn ohne ihn hätte die ganze Tafel nicht bestehen können; und wie gnädig verkehrten die Königlichen Hoheiten mit ihm, wie huldvoll wurde er manchmal angelächelt und trug dann den ganzen Tag Glück und Seligkeit im Herzen herum! So lange die Herrschaften mit ihm zufrieden waren, existierte weiter keine Welt für ihn, und es gab Momente, wo er mit seinen Füßen kaum den Boden zu berühren, sondern fast nur über der Erde zu schweben schien.

       Wenn der Hof dagegen die Stadt verließ, war es, als ob Rhodenburg – für ihn wenigstens – ausgestorben gewesen wäre. Das Schloss stand leer, es gab kein Theater, keine Soirée, kurz, er wurde nicht mehr gebraucht und fühlte sich deshalb, da niemand sonst in Rhodenburg besondere Notiz von ihm nahm, verlassen und elend.

       Jetzt dagegen war ihm plötzlich in dieses, sonst bodenlose Nichts ein Ereignis gefallen, das mit dem Hofe nicht in der geringsten Beziehung stand, und er brauchte erst einige Zeit, bis er sich das in seinem Inneren ordnete und sichtete. Auch die Einzelheiten der Überraschung frappierten ihn, das Übersteigen des Geländers, das unangemeldete Eintreten, die Unbefangenheit des Sohnes, und jetzt sogar der Zigarrendampf, den dieser in der größten Gemütsruhe hier in seinem Zimmer ausblies, ja, der Sohn selbst, der ihm so lange gefehlt, dass er ihn fast vergessen hatte, denn er war bei Hofe nie erwähnt worden. Er bedurfte wirklich einiger Zeit, bis er alle diese einzelnen Umstände in seinem Geiste zusammenfassen und ordnen konnte, und erst als das geschehen war, kam er wieder auf die Oberfläche der Erde zurück.

       Die Mutter hatte, als die erste Dampfwolke zu ihr hinüberstrich, abwehrend etwas mit ihrem Tuche geweht, jetzt aber, da kein Hindernis mehr oblag, nahm sie die vorherige Frage ihres Gatten wieder auf und sagte:

       „Ja, Hans, jetzt möchte auch ich dich bitten, uns zu sagen, welches Leben du da drüben geführt hast, es ist natürlich, dass die Mutter das zu erfahren wünscht. Apropos, wo sind denn eigentlich deine Sachen?“

       „Mein Gepäck? Im Hotel, Mama, wo ich die Nacht geschlafen habe, wir können es nachher holen lassen.“

       „In welchem Hotel bist du abgestiegen?“

       „Im Goldenen Löwen, es war das nächste am Bahnhof.“

       „Im Goldenen Löwen?“ rief der Vater in wirklichem Erstaunen aus. „Das ist ja eine ganz ordinäre Fuhrmannskneipe!“

       „Sehr vorzüglich ist es nicht“, lachte Hans. „Aber was tat die eine Nacht, und früher, so weit ich mich erinnere, war es das Beste.“

       „Du hast doch hoffentlich deinen Namen nicht in das Fremdenbuch geschrieben?“ sagte die Mutter erschrocken.

       „Und weshalb nicht, Mama? Ich wollte doch nicht hier inkognito auftreten!“

       „Es ist schrecklich! Morgen stehst du zwischen lauter Viehhändlern und Krämern im Tageblatt, Hans, ich begreife dich gar nicht!“ rief die Mutter.

       „Ja, das ist nun nicht mehr zu ändern“, lachte Fränzchen. „Die Rhodenburger werden sich nicht schlecht den Kopf darüber zerbrechen. Aber nun lass ihn auch erzählen, Mama, denn wir erfahren ja sonst kein Wort von der Geschichte.“

       „Ja, mein Herz“, sagte Hans und legte seinen Arm um die Schulter der neben ihm sitzenden Schwester. „Aber der fatale Tabaksrauch!“

       „Um Gottes Willen, ich ersticke!“ rief Fränzchen, bog den Kopf so viel sie konnte zur Seite und fing an zu husten. Der ungewohnte Rauch war ihr wirklich in die Kehle gekommen.

       „Ja, mein Herz", fuhr Hans fort, ohne von dem Husten weitere Notiz zu nehmen, nur dass er sie losließ. „Da ist eben nicht viel zu erzählen, so interessant auch vielleicht für euch die Einzelheiten meines allerdings sehr bewegten Lebens sein möchten. Mit kurzen Worten will ich euch aber wenigstens einen Überblick geben. Ich ging, wie ihr wisst, von hier nach Nordamerika, die Taschen so voll von Empfehlungen, das Herz voll froher Hoffnungen, ich sollte mich in beiden getäuscht sehen. Die Empfehlungen halfen mir gar nichts, als dass ich bei einem oder dem anderen der betreffenden Herren vielleicht einmal zu Tische geladen wurde. Damals zürnte ich allerdings der ganzen Welt, später aber sah ich doch selber ein, dass jene Leute ihren vollkommen guten Grund dafür gehabt, denn was in der Gottes Welt hätten sie mit mir anfangen sollen?"

       „Aber ein gebildeter, junger Mann findet doch überall sein Fortkommen", sagte etwas ungläubig die Mutter, denn ihr Sohn hatte damals Briefe von den ersten Familien des Landes mitgenommen. „Solche Rekommandationen bekommt nicht jeder."

       „Hilft alles nichts, liebe Mutter", lachte Hans. „Die Leute da draußen sind viel zu praktischer Natur, als sich solchen Schreibebriefen zu Liebe mit fremden Leuten einzulassen, die ihnen gleich beim ersten Anblick als 'grün' erscheinen."

       „Grün?" fragte der alte Freiherr.

       „Es ist der Ausdruck dort. Sagen wir: unreif, was etwa dasselbe bedeutet. Ich kam jedenfalls grün ins Land, und es fiel niemand ein, das Lehrgeld für mich zu zahlen. Das musste ich selbst tun und tat es ehrlich. Mein Geld, das ich mit hinübergenommen – es waren fünfhundert Taler – weißt du noch, Mama? Ich verzehrte nicht den zehnten Teil davon, um das Übrige betrog mich in größter Geschwindigkeit ein biederer Landsmann, ein junger Gauner, vielleicht eben so alt, wenn nicht noch jünger als ich selber, und dann erst wurde ich auf mich und meine eigene Kraft angewiesen. Ich fand bald, dass ich keine Stelle, das heißt, keinen Platz finden konnte, wo ich mir den Tag die Ellbogen hätte an einem Ladentisch abreiben dürfen und dafür meinen Lebensunterhalt bekam. Die Leute,

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