Auch Vampire brauchen Liebe. Heike Möller
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Aber sie war nichts, was er wiederholen wollte. Schon in wenigen Wochen würde ihr Gesicht im Strudel der Geschichte vor seinen Augen verblassen und irgendwann würde er sich gar nicht mehr an sie erinnern.
„Was meinen Sie denn, Herr Cerný? Glauben Sie, dass Ihr Cousin das vielleicht machen würde?“
Jannik zuckte kurz zusammen und blinzelte den Bürgermeister an. Dessen rote schwielige Nase war ein Zeugnis dafür, dass der Mann nicht nur dem Bier seinen Zuspruch gab, sondern auch stärkeren Alkoholika.
„Verzeihung, Herr Bürgermeister. Ich war eben kurz in Gedanken und habe Ihnen nicht folgen können. Was haben Sie gesagt?“ Jannik hatte eine ziemlich offene und direkte Art an sich, war dabei aber immer höflich, weshalb niemand ihm krumm nahm, wenn er mal unaufmerksam war.
„Ich fragte, ob der Herr Graf sich mit der Idee einer Bauchtanzgruppe zum Sommerfest anfreunden könnte. Das ist jetzt überall angesagt.“
„Nun, ich kann mich mal mit Adolar hinsetzen und ihn fragen. Ich finde die Idee sehr reizvoll, vielleicht kann ich ihn überreden.“ Jannik lächelte den Bürgermeister mit seinen strahlend weißen und geraden Zähnen gewinnend an. Dazu die blonden Locken und die warmen braunen Augen und jeder Mensch war ihm fast augenblicklich verfallen.
Jannik Cerný hatte das Gesicht eines Renaissance-Engels.
„Na da brat mir doch einer ´nen Storch!“, entfuhr es dem Mann, der neben dem Bürgermeister saß und die ganze Zeit die Eingangstür der Schenke im Blick hatte. Auch der Bürgermeister sah jetzt in die Richtung und Jannik erkannte an dem Blick, dass etwas Außergewöhnliches geschehen sein musste. Da er mit dem Rücken zur Tür saß, drehte er sich um.
Jannik lebte schon zu lange, um noch von irgendetwas oder irgendjemanden wirklich überrascht zu werden, aber auch er vergaß kurz das Atmen.
Eine junge Frau hatte die Schenke betreten und ging zielsicher und ohne zu zögern zu dem Tresen. Die Frau war eher durchschnittlich groß, etwa einen Meter siebzig. Flache weiße Sportschuhe von KangaROOS, eine weiße sieben-achtel Leinenhose mit Zierbändern an den Beinen, ein dunkelblaues, kurzärmeliges Poloshirt, welches den Busen vorteilhaft zur Geltung brachte. Die kastanienbraunen Haare waren lang und glatt und die Frau trug sie offen. Um den Hals hatte sie ein marinefarbenes Halstuch mit Motiven aus der Seefahrt.
Jannik machte diese Beobachtung innerhalb einer Sekunde. Allerdings konnte er seinen Blick nicht von dem Hintern der Frau abwenden. Die Frau war schlank, sportlich durchtrainiert, aber ihr Hintern war kurvig. Er mochte es nicht, wenn Frauen im heutigen Schönheitswahn auf einem flachen Hinterteil bestanden.
Diese Frau war definitiv einladend gebaut.
„Entschuldigen Sie bitte. Können Sie mir vielleicht weiterhelfen?“ Die Frau legte den linken Arm auf den Tresen und beugte sich ein wenig zum Wirt. Den rechten Fuß stellte sie leicht auf die Spitze.
Jannik hatte sehr gute Ohren und normalerweise hätte er in der vollen Schenke versucht, die Stimme der Frau aus der Geräuschkulisse um ihn herum herauszufiltern. Das war aber nicht nötig.
Als die Frau die Schenke betreten hatte, verstummten sämtliche Gespräche schlagartig und alle Gäste, überwiegend Männer, starrten die fremde Frau an.
„Das hoffe ich doch, gnädige Frau. Was kann ich für sie tun?“ Der Wirt, ein Mann Mitte fünfzig, schmiss sich regelrecht in die Brust und zog seinen Bauch ein. Er wollte der jungen Frau offensichtlich imponieren.
„Ich fürchte, ich habe mich ein wenig verfahren. Können Sie mir sagen, wie ich zur Burg der Cernýs komme?“
Nach dieser Frage verstummten auch die Fliegen, die die Lampen in der Schenke umflogen.
Jannik fiel die Kinnlade herunter. >Sie will zu uns?<
Bevor der Wirt sich wieder gefangen hatte oder Jannik hilfreich aufspringen und sich dazu gesellen konnte, war plötzlich ein hochfrequentes Gezeter aus dem hinteren Teil der Schenke zu hören. Agatha, eine über achtzigjährige Frau, kam an den Tresen. Jannik war erstaunt, dass die Alte immer noch so behände und flink war.
„Da wohnt der Teufel!“, sagte Agatha schrill. Ihr eisgraues Haar war zu einem Dutt geknotet und Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Die Haut im Gesicht und an den Händen erinnerte an vergilbtes Pergament und der Blick aus ehemals blauen Augen war glasig und irr.
„Du solltest da nicht hingehen, Weib. Niemand geht dorthin, wenn er einen klaren Verstand hat.“
Die junge Frau hatte der alten Agatha zugehört. Höflich antwortete sie nun: „Ich danke Ihnen herzlichst für die Warnung. Aber ich kann sehr gut auf mich aufpassen. Sie müssen sich keine Sorgen machen.“
Jannik fand die Stimme der fremden Frau aufregend. Rau, leicht heiser und warm. >Wow!<, dachte er. >Die ist es Wert, sich näher mit ihr zu beschäftigen.< Sein Blick landete wieder auf ihrem Hintern.
„Da leben Dämonen!“ Agatha kreischte jetzt regelrecht.
Die junge Frau hatte sich zwischenzeitlich wieder zu dem Wirt umgedreht. Als Agatha jedoch den Satz sagte, versteifte sich die junge Frau. Langsam nahm sie ihre Sonnenbrille ab und drehte sich zu Agatha um. Jannik, der eben erst bemerkt hatte, dass die Frau eine Sonnenbrille getragen hatte, klinkte sich rasch in die Gedanken des Wirtes ein.
>Wahnsinn!<, hörte er die Gedanken des Mannes. Mehr konnte er nicht in Erfahrung bringen, denn die Frau sagte etwas, das ihn überraschte.
„Lebt denn nicht jeder Mensch mit seinen Dämonen, gute Frau?“
Jannik wünschte sich sehr, die Augen der Fremden sehen zu können, denn Agathas Reaktion war erschütternd. Wie ein Fisch an trockenem Land japste die alte Frau nach Luft, wurde zuerst kalkweiß, dann aschfahl und schließlich grün im Gesicht. Merkwürdige Laute kamen aus ihrer Kehle, aber kein einziger zusammenhängender Satz.
Die junge Frau setzte ihre Brille wieder auf und drehte sich erneut dem Wirt zu. Agatha starrte fassungslos in den Rücken der Frau, dann verzerrte sich ihr Gesicht hasserfüllt. Mit einem Aufschrei riss sie dem Gast, der ihr am nächsten stand, den schweren Bierkrug aus der Hand und wollte damit auf die junge Frau einschlagen. Jannik, der kurz vorher Agathas Gedanken gesehen hatte, sprang hinter die alte Frau und versuchte sie aufzuhalten. Agatha hatte aber schon viel Schwung gehabt und der Krug machte sich auf dem Weg zum Hinterkopf der Fremden. Blitzschnell drehte diese sich um und fing Agathas Hand mit der linken Hand ab. Dabei musste sie reichlich Kraft aufwenden. Mit der rechten Hand nahm die Frau Agatha den Krug einfach ab und knallte ihn auf den Tresen. Jannik war über die Schnelligkeit und die Geschmeidigkeit der Bewegungen überrascht.
„Sind Sie irre, Frau?“, zischte die Fremde. Jannik hörte unterdrückte Wut, sah, wie die Nasenflügel der jungen Frau bebten. Jetzt hörte er auch erstmals einen leichten Akzent. Jannik tippte, dass die Frau aus Deutschland kommen musste. Dann fiel ihm ein, dass Adolar einen Gast aus Deutschland erwartete, der die Bibliothek auf Vordermann bringen sollte. Er erinnerte sich auch dunkel, dass Adolar sagte, es wäre eine Frau.
„Lass mich los, du Dämon!“, kreischte Agatha, als sie erkannte, wer sie festhielt. „Sei verflucht, du Missgeburt! Zur Hölle mit dir, Cerný!“
Jannik verzog sein Gesicht. Die hohe Stimme der alten Frau tat ihm in den Ohren weh. Drei Männer nahmen ihm die tobende und Geifer spuckende Agatha ab und schoben sie in den hinteren Bereich der Schenke.
„Tut