Mississippi-Bilder. Gerstäcker Friedrich

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Mississippi-Bilder - Gerstäcker Friedrich

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jungen Mannes, der eben würfeln wollte. „Die Dirne gefällt mir, sie hat ein verdammt hübsches Gesicht – ich gebe Euch fünfzig Dollar, wenn Ihr zurücktretet.“

       „Die Würfel mögen entscheiden!“ rief der junge Fremde, indem er sich von der Hand des Doktors losmachte und ihm für einen Augenblick das Blut so in die Schläfe trat, dass es ihm die Adern zu zersprengen drohte, in derselben Minute kehrte es aber zu seinem Herzen zurück und ließ nicht einen Tropfen in seinen Wangen. Die Würfel rasselten und eintönig zählte der Wirt die Augen.

       „Siebzehn!“

       „Beim Himmel, ein guter Wurf!“, riefen alle, die jetzt mit gespannter Erwartung die grüne Tafel umstanden.

       Wieder rasselten die verhängnisvollen Stücke Elfenbein in dem ledernen Becher. Totenstille herrschte und aller Augen hingen an der Hand des Werfenden, während das arme, geängstigte Mädchen betend in die Knie gesunken war und ihr Gesicht mit den Händen bedeckt hielt. Ihr verhaltenes Schluchzen war das Einzige, was die grabesähnliche Stille unterbrach. Die Würfel lagen.

       „Siebzehn! Noch einmal!“

       „Verdammt!“, brummte der Doktor.

       „Den dritten Wurf, den dritten Wurf!“ riefen alle ungeduldig, als sie sahen, dass der Fremde ängstlich sinnend einen Augenblick einhielt. Fast krampfhaft fasste er zweimal den Becher, jedes Mal wie zusammenschaudernd vor dem entscheidenden Wurf – aber er konnte nicht länger warten – die halb trunkene Schar wurde ungeduldig, und wieder rasselte der Becher; vorgebeugt umdrängten alle das Billard, die Würfel fielen – es waren nur elf.

       „Hurra!“, jubelte der Doktor, sich auf das Billard wälzend in widerlicher Lust. „Ich habe gewonnen! Wer will trinken? Ich traktiere8 alles, was im Hause ist. Müller, he! Holla! Hierher! Füllt die Gläser, gebt jedem so viel, als er trinken will, ich bezahle alles!“ Und sich dann auf dem Billard niederlassend, rief er aus: „Bringt das Mädchen her, ich will sie betrachten!“

       Als Selinde den jubelnden Triumphruf des Doktors hörte, wollten sie fast ihre Kräfte verlassen, und sie wäre gesunken, hätte sie nicht der Fremde unterstützt, doch jetzt ermannte sie sich mit wunderbarer Kraft und flüsterte nur, ehe sie dem Befehl ihres neuen Herrn Folge leistete, ihrem Beschützer leise zu: „Fliehe, Alfons, fliehe, ehe man Dich entdeckt!“, und trat dann festen und sicheren Schrittes vor ihren Gebieter, seine Befehle zu vernehmen.

       „Sie ist ein hübsches Mädchen“, lallte dieser, von heftigem Schlucken unterbrochen, indem er sich mit dem rechten Ellbogen auf den Billardrand legte und mit gläsernen Augen zu ihr aufsah. „Gut, gut – meine Frau wird scheel sehen, wenn ich ihr den Nigger ins Haus bringe, aber…“

       Er konnte nicht vollenden, die geistigen Getränke, die er an diesem Tage genossen hatte, gewannen durch die letzte Aufregung endlich die Oberhand, und bewusstlos sank er aufs Billard zurück, von dem er fortgetragen und in ein Bett gebracht wurde, um seinen Rausch auszuschlafen.

       Der Wirt nahm die Negerin in seine Obhut und schloss sie in ein Zimmer ein, um sie ihrem Herrn nach dessen Erwachen zu überliefern.

       Indessen hatte einige junge Leute, unter denen sich auch Willis befand, eifrig miteinander geflüstert und forschende Blicke auf den bleichen, jungen Mann geworfen, den die Negerin Alfons genannt und der teilnahmslos in einer Ecke lehnte. Sein krauses, rabenschwarzes Haar hing ihm in langen Locken über die bleiche Stirn herunter, seine Lippen waren bleich und seine Augen gerötet; plötzlich trat einer der jungen Leute auf ihn zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und rief in barschem Ton: „Alfons!“

       Wie von einer Schlange gebissen, sprang bei dem Klange dieses Namens der Unglückliche empor und starrte wild umher, auf den Kreis fremder, unbekannter Gesichter, die ihn umgaben, bis seine umherirrenden Blicke auf dem des ihm Gegenüberstehenden haften blieben, der ihn fest und durchdringend betrachtete. Als ihm aber dessen Züge klarer und deutlicher aufdämmerten, schlug er sich mit der geballten Faust vor die Stirn, stieß einen tiefen Seufzer aus und sank wie vernichtet auf seinen Stuhl zurück. Der junge Mann dagegen, der solche Veränderung in seinem ganzen Wesen hervorgebracht hatte, wandte sich triumphierend zu seinen Kameraden und rief:

       „Ich kannte den Burschen, und Ihr mögt mich einen Schurken nennen, wenn es nicht ein erbärmlicher Nigger ist.“

       „Was, ein Neger?“, riefen alle, sich um den regungslos Dasitzenden drängend. „Ein Neger? Und mischt sich zwischen Weiße?“

       „Hinaus mit ihm! Schlagt ihn zu Boden, den Hund! Werft ihn aus dem Fenster!“ Das waren die Ausrufe, die mit Blitzesschnelle einander folgten, und nicht allein bei Ausrufen blieb es, sondern in demselben Augenblick fühlte sich auch der Unglückliche von kräftigen Händen gefasst, zu Boden geworfen, wieder aufgerissen und dem Fenster zugeschleppt, aus dem er wenige Sekunden später auf die Straße geschleudert wurde. Die Höhe, von der er hinunter stürzte, betrug jedoch kaum sieben Fuß, und nur wenig beschädigt fiel er zu Boden, schon aber hörte er das Rachegeschrei der Verfolger, die nicht gedachten, ihr Opfer so leichten Kaufs entwischen zu lassen, auf dem Hausflur.

       Wohl sprang er empor und wandte das blutende Antlitz seinen Feinden entgegen, aber nicht Todesfurcht, nein, kalter Trotz und Verachtung des Schrecklichsten, was ihm begegnen könnte, lag in dem Blick, mit dem er seine Peiniger zu erwarten schien. Da scholl aus einem der oberen Fenster die Stimme Selindes, die ihm, den Untergang des Geliebten voraussehend, in Todesangst zurief:

       „Flieh, Alfons, flieh – um meinetwillen!“

       Einen Blick warf er hinauf zu der halb aus dem Fenster gebogenen schlanken Gestalt des armen Mädchens, einen Blick voll Liebe, Angst und Trotz; dann aber, wie von einem neuen Gedanken durchzuckt und ehe ihn noch der heranstürmende Haufen erreichen konnte, floh er mit Windesschnelle die Straße hinauf und war bald in den ihn verbergenden Baumgruppen, welche die Stadt umgeben, verschwunden.

       Taumelnd und fluchend folgten ihm wohl noch einige der Nüchternsten eine kurze Strecke, gaben es aber bald auf, den schnellfüßigen Flüchtling zu erreichen, und kehrten in das Wirtshaus zurück, indem sie schwuren, dem verdammten Neger, wo er sich nur wieder blicken ließe, Füße und Hände zu binden und ihn in die Bayou zu werfen.

       Guston hatte an dem ganzen Vorgange keinen Anteil genommen und ruhig, in einem Fenster lehnend, dem Auftritt zugesehen; einmal zwar, gerade als der Haufen den Unglücklichen auf die Straße schleuderte, war er zusammengezuckt, als ob er im Begriff gewesen wäre, ihm beizuspringen; hatte es aber nur so den Anschein gehabt, oder er sich eines Besseren besonnen, er fiel wieder in seine nachlässige Stellung zurück und blieb bei dem Ganzen ein untätiger, ja wie es fast schien, teilnahmsloser Zuschauer. Nur erst als die Gemüter sich wieder beruhigt hatten und der lärmende Haufen zum erneuerten Trinken in die Gaststube zurückgekehrt war, entfernte er sich leise, selbst nicht von Willis bemerkt, und ging nachdenkend die Straße nach St. Francisville hinauf.

       Die Sonne war indessen untergegangen und tiefe Dämmerung lagerte sich über das Tal, als Guston den Fuß des Hügels erreichte, auf dem das Nachbarstädtchen erbaut ist. Zu seiner Linken sah er ein mattes Licht zwischen den Spalten eines kleinen Blockhauses hindurch schimmern, das, wie er noch von früher wusste, von zwei Mulattinnen, Mutter und Tochter, bewohnt war. Der Gedanke fuhr ihm durch den Kopf, dass sich dorthin der Verfolgte geflüchtet haben könne, und obwohl sich keines klaren Zwecks bewusst, ging er schnell an dem sanften Abhang des Hügels hinauf, und stand bald an der von innen verriegelten Tür des kleinen Hauses, aus dem leise flüsternde Stimmen heraustönten.

       Guston legte sein Ohr an eine der Spalten und unterschied bald die tröstende Stimme des Mädchens, die jemand Mut zusprach, und dabei selbst dann und wann einen recht tiefen, tiefen Seufzer

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