MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr

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MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND - Michael Stuhr

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alle Nachbarn dazu, und am dritten Tag war das ganze Stadtviertel auf den Beinen, um der `Sesiol' den Abschiedsgruß nachzurufen. In einem wahren Triumphzug wurde die Mannschaft zum Hafen geleitet, wo ein Umarmen ohne Ende einsetzte. Auch Teri wurde von über hundert Leuten, vorwiegend jungen Männern, derartig durchgeknuddelt, dass es ihr glatt den Atem nahm.

      Schließlich stach die `Sesiol' unter den Hochrufen der Menge in See, und bald schon bestimmte das ewige Gleichmaß des Meeres wieder den Tagesablauf.

      Je näher die `Sesiol' Kap Tigan kam, umso unruhiger wurde Teri. Als sie schließlich die Landspitze umrundeten und die Konturen der Stadt an Steuerbord in weiter Ferne schwach zu erkennen waren, lief sie nervös auf dem Schiff herum und war für nichts mehr zu gebrauchen.

      Fast ein Jahr war vergangen, seit sie Tana und Gerit zum letzten Mal gesehen hatte und doch kletterte Teri jedes Mal, wenn die `Sesiol' der rotbraunen Küste näher kam, in den Mast hinauf, um Ausschau zu halten. Aber nicht die Klippen und Riffe auf dem Kurs des Schiffes wollte sie erkunden. Stundenlang stand sie neben dem Matrosen auf der winzigen Plattform und schaute weit in das Große Erf hinein.

      Tagelang zog die Sesiol ruhig ihre Bahn entlang der Südlichen Wüste. Mehr als einmal glaubte Teri, weit im Inneren des unendlichen Steinmeeres Bewegungen zu erkennen, aber nie konnten die Matrosen, die gerade Dienst als Ausguck hatten, ihre Beobachtungen bestätigen, und als vierzig Tage nach dem Passieren von Kap Tigan die Küste wieder grün und das Land wieder fruchtbar wurde, gab Teri es auf.

      Nun war auch die Letzte Hoffnung in ihr erloschen, Tana und Gerit je wiederzusehen, es sei denn ...

      Ärgerlich drängte sie die Gedanken, die ihr die Möglichkeit einer Rettung vorgaukeln wollten, beiseite. Sie hatte sich damit abzufinden, dass sie allein auf der Welt war. Sie würde ihr Leben bald selbst in die Hand nehmen müssen. Ein vager Gedanke an Thedra, an die Fliegenden Schiffe, tauchte in ihr auf. Aber selbst die Aussicht, eventuell ein Leben als Scharfrau zu führen, erschien ihr seltsam farblos. - Bis die `Amethyst' kam.

      Oft schon hatte Teri auf ihrer Reise fliegende Schiffe an den `Schwalbenstangen' der Häfen liegen sehen. Lang und flach, mit dem weit nach hinten geneigten einzigen Mast, hatten sie das immer gleiche, typische Erscheinungsbild geboten, das jeder Seemann des Kontinents kannte.

      Näher als zweihundert Schritte war sie jedoch nie an die Schiffe herangekommen. Auch als Thedranerin stand ihr das Recht, sich die Fliegenden Schiffe genauer anzuschauen nicht zu. Man mußte schon zur Sturmflottenschar gehören, um sich nähern zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, mit Peitschenhieben verjagt, getötet, oder als Sklave genommen zu werden.

      Teri hatte die Frauen und Männer der Besatzungen stets beneidet. Was für ein Gefühl mußte es sein, auf den schnellsten Schiffen der Welt die auserlesensten Frachten in die fernsten Länder zu bringen.

      Zweimal hatte es auch Begegnungen auf hoher See gegeben, obwohl das Wort `Begegnung' eigentlich etwas zu hoch gegriffen war. Selbst auf hoher See hielten die Schwalbenschiffkapitäne normalerweise großen Abstand von allen Schiffen anderer Bauart, und so hatte Teri nur aufgeregt verfolgen können, wie die gewaltigen Einzelsegel mit irrwitziger Geschwindigkeit vor der Kimm dahinglitten. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, einmal an Bord eines solchen Schiffes sein zu dürfen.

      Seltsam verblasst waren diese Hoffnungen und Wünsche seit der Nacht von Tigan - bis es, zwei Tage vor Kaji, zu einer wirklichen Begegnung mit einem Fliegenden Schiff kam. - Bis die `Amethyst' aus dem Zwielicht des frühen Morgens aufgetaucht war.

      "Leopard Backbord voraus!" Die Stimme des Ausgucks überschlug sich förmlich.

      Teri fuhr aus dem Schlaf auf. - Hatte da nicht jemand `Leopard' gerufen? Leopard, das war doch die Bezeichnung, die die Löwenbootleute in ihrer Sprache für die stolzesten Einzelgänger unter den Schiffen hatten.

      Ein Schwalbenschiff!

      Blitzartig schob Teri den Vorhang ihrer Kabine beiseite und stolperte schlaftrunken auf das Deck. Die Sonne, von der erst ein winziger Bruchteil über den Horizont schaute, blendete sie. Suchend schaute sie sich mit zusammengekniffenen Augenlidern um.

      Und wirklich, da sah sie es: Kaum tausend Mannslängen entfernt, kam ein gewaltiges, pralles, violett eingefärbtes Dreieckssegel aus den letzten Schatten der Nacht. Teri wußte sofort, um welches Schiff es sich handelte. Reines Violett war die Farbe der `Amethyst', das wußte in Thedra jedes Kind.

      Teri spürte, wie sich ihr Herzschlag vor Aufregung beschleunigte. Schnell rieb sie sich den Schlaf aus den Augen, um besser sehen zu können.

      Hoch spritzte die Gischt unter dem Rumpf des Schwalbenschiffes empor. Schon drangen die ersten Kommandos in der Scharsprache über das Wasser. Teri konnte die Augen nicht von diesem prachtvollen Bild lösen. Immer näher kam die `Amethyst'. Immer schneller schien sie zu werden.

      Die `Sesiol' fuhr genau in den Kurs des Fliegenden Schiffes hinein, das in voller Fahrt herangerauscht kam.

      Immer lauter wurden die Rufe der Scharleute. Teri hörte bereits das Aufklatschen der Dünung unter den Rumpf des Schwalbenschiffes. Sie sah, wie die Mannschaft im Mast eilig die Segelgeometrie veränderte, sah, wie sich drei Scharleute mit aller Kraft gegen den Steuerbalken stemmten. Sah die Griffe ihrer Dolche in der Sonne blinken.

      Teri stand am Bug, die Hände auf das Dach der Kabine gelegt und sah alles: - Sah den flachen Rumpf - nicht eine Muschel klebte daran - über dem Wasser schweben. Sah, dass der Leib der `Amethyst' förmlich an dem vielfach mit Wanten abgespannten Mast hing. Sah, wie das riesige Segel den Wind so einfangen konnte, dass es das Schiff aus dem Wasser hob.

      Unfähig, sich zu bewegen oder den Blick abzuwenden, verfolgte sie, wie die Scharleute den Kurs der dahinrasenden `Amethyst' um einige, wenige Grad veränderten und wie das gewaltige Schiff, kaum fünfzig Mannslängen entfernt, turmhoch aus dem Wasser ragend, mit rasender Geschwindigkeit vor dem Bug der `Sesiol' vorbeizog.

      War die `Amethyst' noch vor wenigen Augenblicken ein Schemen im Zwielicht gewesen, der auf das Löwenboot zujagte, so war ihre Silhouette jetzt schon wieder fast vor dem Hintergrund der aufgehenden Sonne vergangen.

      Lange noch schaute Teri in die Richtung, in die das Schwalbenschiff entschwunden war. Ein Satz fiel ihr wieder ein, den sie schon fast vergessen hatte und auch ein Gesicht:

      `Du wirst mit den Schiffen fliegen.' Das war ein Versprechen gewesen. - Nicht irgendjemandes Versprechen, sondern die Zusage von Athan, dem Obmann der Schwalbenschiffkapitäne.

      `Du wirst mit den Schiffen fliegen.' Dieser Satz befreite Teris Gemüt von allem Trübsinn, brannte sich in ihr Denken ein, wie eine unwiderstehliche Melodie, machte sie unruhig, zog sie nach Thedra, gab ihrem Leben wieder Sinn.

      Am Abend dieses Tages stand Teris Entschluß fest: Sie würde mit den Schiffen fliegen! Sie würde den Obmann an sein Versprechen erinnern. Er mußte sie in die Schar aufnehmen. Er hatte es schließlich gesagt.

      Bevor sie sich in dieser Nacht zur Ruhe legte, erkundigte sie sich bei dem Kapitän, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie nach Thedra kämen.

      "Keine hundert Tage mehr", gab der Mann bereitwillig Auskunft.

      Das war gut. Wenn es wirklich so schnell gehen sollte, dann hatte Teri gute Chancen, sich noch in diesem Jahr in die Rolle der Bewerber für den Schardienst einzuschreiben.

      Sie würde mit den Schiffen fliegen! - Selig lächelnd schlief sie ein.

      In der Hafeneinfahrt von Isco hatte

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