MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr

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MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND - Michael Stuhr

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      Der Kapitän warf in einer hilflosen Geste die Arme in die Höhe. "Kein Fremder darf Tigan im Dunkel sehen. - Das ist ja jetzt Gesetz. - Wie in Thedra, weißt du. - Und kein Fremder, na ja, das Sperrgebiet ..."

      "Wird man sonst verhaftet?" Teri humpelte zur Reling und suchte im schwindenden Tageslicht den Kai nach ihren Leuten ab. Sie mußte daran denken, wie übel es manchen Besuchern Thedras ergangen war, die nicht rechtzeitig ins Fremdenhaus gefunden hatten.

      "Ach, das ist nicht so schlimm! - Nein, sie werden zu Gast sein! - Ja, so wird es sein! - Mach dir keine ..."

      "Wird man sonst verhaftet?" Teri war herumgewirbelt und blitzte den schwatzhaften Kerl böse an. Ihr gebrochener Zeh protestierte wütend gegen diese neuerliche Mißhandlung und eine dumpfe Schmerzwelle stieg bis in die Hüfte empor.

      Endlich war es ihr gelungen den Redefluß des Kapitäns zu stoppen. "Ja!", bestätigte er mit gesenktem Kopf Teris Verdacht.

      "Dann, dann müssen wir sie suchen! Wir müssen Tana und Gerit suchen, ehe es zu spät ist!" Voll aufkommender Panik schaute Teri auf die Sonne, deren unterer Rand fast schon den fernen Horizont berührte. In weniger als zwei Sonnenhöhen würde es dunkel sein.

      Teri hätte den Kapitän schlagen mögen, so wütend war sie. Warum hatte dieser Narr sie nicht schon früher geweckt? Mühsam humpelte sie auf die Laufplanke zu. Sie mußte Tana und Gerit finden! - Sie zurückbringen auf die `Sesiol'. - Sie in Sicherheit bringen!

      "Warte!" Wie immer, wenn Not am Mann war, legte der Kapitän sein geschwätziges Gehabe vollständig ab. "Meine Mannschaft ist schon seit über fünfzig Sonnenhöhen auf der Suche. Die Männer kennen die Stadt. - Wenn sie deine Eltern finden, bringen sie sie sofort hierher."

      Teri schaute sich um. Erst jetzt sah sie, dass sie mit dem Kapitän ganz allein auf dem Schiff war. - Und noch etwas fiel ihr auf: Dass die Haltetaue der `Sesiol' auffällig locker auf den Pfählen hingen. Auch waren die Segel nicht verschnürt, wie es sonst im Hafen üblich war. – Alles war für eine rasche Flucht vorbereitet.

      Hilflos schaute Teri den alten Mann an, der versuchte, seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu geben. "In wenigen Augenblicken müssen meine Männer zurück sein. - Geh jetzt nicht an Land. Du bringst dich nur selbst in Gefahr."

      Schweigend stand Teri an der Reling und starrte in der aufziehenden Dunkelheit auf die Häuser des Hafens. Wie der Kapitän gesagt hatte, kamen in kurzen Abständen die Männer der Besatzung aus der Stadt zurück. Doch keiner von ihnen brachte Tana oder Gerit mit an Bord, und keiner hatte sie gesehen.

      Als letzter kam der Bootsmann an Bord. Er endlich brachte die Nachricht, die alle befürchtet hatten.

      Kurz nach der Tagteilung waren auf der Straße der Brennöfen, also mitten im Sperrgebiet, zwei Spione, ein Mann und eine Frau, verhaftet worden. Das hatte der Bootsmann von einem flüchtigen Bekannten, einem Offizier der Tiganer Stadtwache, gehört.

      "Nach der Verhaftung sind sie zum Verhör in das Stadtgefängnis gebracht worden", berichtete der Mann mit einem Seitenblick auf Teri. "Sie waren beide verletzt. Der Mann von der Stadtwache vermutet, dass sie direkt nach der Vernehmung ins Erf gebracht wurden. - So ist es jedenfalls bislang immer geschehen."

      Teri stand da und wartete darauf, dass die Männer endlich anfangen würden, etwas zu unternehmen. Sie mußten sich bewaffnen! An Bord gab es doch genug Werkzeuge aus Metall. Losstürmen sollten sie! - Die Stadtwache niederrennen. - Durch die Stadt hindurch. - In dieses verfluchte Erf hinein. - Tana und Gerit waren verletzt. Sie mußten doch gerettet werden!

      Teris Gedanken begannen, sich zu verwirren. War da einerseits der Wunsch in ihr, an der Spitze dieser Männer in die Stadt zu stürmen und ihre Stiefeltern auf das Schiff zu holen, war da andrerseits das sehr konkrete Wissen, dass das so nicht funktionieren würde.

      Sie brauchte nur im letzten Dämmerlicht des Tages auf den Kai hinauszusehen, um zu wissen, dass ein Versuch die Stadt zu stürmen schon nach wenigen Schritten im Pfeilhagel der Wachen enden mußte.

      Auffällig viele Bogenschützen hatten an der Häuserzeile Aufstellung genommen, und alle starrten sie zu der `Sesiol' herüber. Das Bewußtsein der Gefahr ließ Teri erschauern. Sie spürte, wie sich zuerst die Haut zwischen ihren Schulterblättern zusammenzog, bis sich auch die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. - Die Wachen wußten, woher die Spione gekommen waren. Sie behielten die Sesiol im Auge.

      `Spione'! Zum erstenmal ging Teri die Bedeutung dieses Wortes auf: Tana und Gerit waren nach Tigan gereist, um den hiesigen Handwerkern ihre Geheimnisse zu stehlen. Sie hatten zwar während der ganzen Fahrt oftmals darüber gesprochen, aber es war Teri eher wie ein Spiel vorgekommen. Nie hatte sie damit gerechnet, dass Tana und Gerit wirklich auf geheimen Wegen an die Formerhütten und Brennöfen heranwollten.

      Tigan war ihr wie eine Stadt in den Wolken vorgekommen. Ein Name, nicht mehr. Ein fernes Ziel, das niemals erreicht werden konnte. Und wenn doch? Na und? - Tana und Gerit waren unverwundbar gewesen. Hohnlachend konnten sie jeder Wache entwischen und allen Gefahren trotzen. Sie waren Spione gewesen. Die unschlagbaren Spione des Formerfelsens von Thedra.

      Die Wirklichkeit sah anders aus. Tigan war eine Stadt aus hartem Stein, und die Pfeile der Wachen waren nadelscharf. Tana und Gerit waren Menschen, ganz normale Menschen. Erschreckend verwundbar! Sie waren auf Wachen gestoßen, die sich auf ihr Geschäft verstanden. Vielleicht hatten sie fliehen wollen, aber es war umsonst gewesen. Ein Stein oder ein Schwert konnte sie getroffen haben, vielleicht auch ein Pfeil, und aus war es gewesen mit den unschlagbaren Spionen aus Teris Tagträumen. Ihr Blut war auf die Felder von Tigan getropft, und ihr Atem würde in der Südlichen Wüste versiegen.

      Nein, die Männer der `Sesiol' konnten nichts unternehmen. Ein Schritt auf den Kai war ein Schritt vor die Pfeilspitzen der Wachen. Tigan war Realität geworden. - Und es war härter als Stahl.

      Teri begann zu zittern. Mit der ganzen Kraft ihrer Hände krallte sie sich an der Reling fest, aber es wurde nicht besser. Ihre Beine gaben nach. Sie wollte sich nicht zusammenkauern, aber ihr Körper krümmte sich wie in einem Krampf. Sie wollte nicht weinen, aber die Tränen ließen sich nicht zurückhalten.

      Tigan! - Tigan war das steingewordene Trugbild, das Tana und Gerit zum Verhängnis geworden war. Sie waren keine unbezwingbaren Spione. Sie waren Menschen, die schon der Steinwurf eines Kindes verletzen konnte. Sie konnten nicht schneller laufen und nicht weiter springen als andere Menschen. Sie waren auf eine Übermacht gestoßen und hatten sich ergeben müssen. Der Traum ihres Lebens war böse ausgegangen, und die Reste davon hingen an den kalten Speerspitzen der Wachen.

      Schweigend schaute die Mannschaft auf Teri, die zusammengekauert auf dem Deck kniete und mit weit geöffneten Augen weinend in die dunkle Stadt schaute. Bei jeder Bewegung in den finsteren Gassen ging ein Ruck durch ihren Körper, so als würde sie immer noch darauf warten, dass ihre Stiefeltern, ihre Freunde, dass die liebsten Menschen, die sie auf der Welt hatte, doch noch auftauchen. - Dass sich alles als Mißverständnis, als ein grausamer Irrtum herausstellen würde.

      Die Wachen auf dem Hafenplatz verhielten sich ruhig. Sie hielten die `Sesiol' nur unter Beobachtung. Es sah nicht so aus, als solle heute noch etwas unternommen werden. Da nahm der Kapitän die sich schwach sträubende Teri in seine Arme und trug sie vor die Kajüte im Bug des Schiffes. Dort saß er den ganzen Abend über mit ihr und strich nur ab und zu sacht über ihr Haar.

      Später in der Nacht bewachte er ihren von leisen Schluchzern unterbrochenen Schlaf. - Und die ganze Zeit lang sprach er kein einziges Wort.

      Teri träumte.

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