MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr

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MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND - Michael Stuhr

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fing immer damit an, dass Tana, Gerit und sie auf der `Kao-lad' waren. Sie waren vergnügt und machten auf dem Deck allerlei lustige, hohe Sprünge. Tana sah Teris Mutter sehr ähnlich und auch der Großmutter, die den Tod ihrer Tochter nur um Tage überlebt hatte. Gerit war gleichzeitig er selbst, aber auch immer mehr Teris Vater.

      Immer höhere Sprünge machten die drei, bis sie überhaupt nicht mehr auf dem Schiff landeten, sondern direkt auf den Kontinent herabflogen.

      Weiter ging es mit Riesensprüngen nach Isco, wo sie ein Blutnebel aus dem Mund eines schreienden Mannes einhüllte. Entsetzt sprangen die drei weiter, aber nun waren ihre Kleider schwer von Blut und zogen sie herab.

      Immer kürzer, immer anstrengender wurden die Sprünge.

      Der Hafen von Tigan kam in Sicht. Wachen standen dort mit Speeren, die in den Himmel zeigten. Sie warteten auf die Spione. Die blutigen Kleider wurden immer schwerer. Wie Steine fielen die drei den Wachen vor die Füße.

      Tana und Gerit versuchten, zwischen den Wachen hindurchzugelangen, aber ihre blutnassen Kleider hinderten sie, klebten am Boden und ließen sie nicht vorwärtskommen. Die Wachen kamen mit gesenkten Spießen näher. Sie hatten es aber nicht auf Teri abgesehen. - Sie wollten die Spione.

      Tana und Gerit kämpften sich in ihren klebenden Gewändern weit vornübergebeugt Fußbreit für Fußbreit vorwärts. Da hoben die Wachen die Spieße, und von den grausamen Spitzen der Waffen durchbohrt, bäumten sich die beiden blutbedeckten Gestalten im Todeskampf hoch auf.

      Der stumme Todesschrei ihrer Stiefeltern, ihrer Eltern, mischte sich mit dem Entsetzensschrei Teris. Die Gesichter der beiden vermischten sich, wurden eines, wurden zu dem Gesicht des schreienden Mannes, aus dessen Mund ein Blutnebel schoß, der die ganze Welt mit der Farbe des Todes überzog.

      Das war jedes Mal der Moment, in dem Teri zitternd und schluchzend im Arm des Kapitäns erwachte. Tana und Gerit starben viele Tode in dieser Nacht, und mit jedem Traum starb ein Stück Hoffnung in Teri, die beiden jemals lebend wiederzusehen.

      Quälend langsam stieg das graue Licht des Morgens über den Horizont. Obwohl der Kapitän seinen Umhang um Teri gelegt hatte und sie fest an sich gedrückt hielt, zitterte sie erbärmlich.

      Langsam belebte sich das Schiff. Die Mannschaft, die am Abend schweigend und bedrückt schlafen gegangen war, erwachte nach und nach. Der Küchenjunge fachte das Feuer in dem Holzkohlebecken an und bereitete den Tee.

      Teri, die die Geräusche mit halbem Ohr hörte, preßte sich fest in den Arm des Kapitäns. Sie wollte nicht erwachen. Sie wollte weiterschlafen. Weiterschlafen für alle Zeiten. Jeder Alptraum, jeder Tod waren besser als der kalte graue Morgen in dieser feindlichen Stadt. Leben zu müssen, atmen zu müssen, denken zu müssen - das schienen ihr die schlimmsten Strafen zu sein. Leben zu müssen da die Freunde tot waren, die größte Qual.

      "Komm, trink etwas Heißes." Sacht bewegte der Kapitän seinen Arm, so dass Teris Kopf von seiner Schulter rollte.

      Teri schlug die Augen auf. Warm und verlockend stieg ihr der Duft des starken Honigtees in die Nase. Mit unsicheren, schlaftrunkenen Bewegungen griff sie nach dem Becher, den der Küchenjunge ihr scheu lächelnd reichte. "Danke!" Vorsichtig schlürfte Teri ein wenig von dem heißen Getränk. Es schmeckte gut.

      Später am Morgen, Teri ging es schon ein wenig besser, kam der Hafenmeister an Bord. Es war ein kurzer Besuch.

      Der Hafenmeister brachte den Befehl zur sofortigen Abreise für die `Sesiol' und alle, die sich auf ihr befanden. Des weiteren erteilte er Schiff und Kapitän für jetzt und alle Zukunft Hafenverbot. Zuletzt beschlagnahmte er das Gepäck der Spione.

      Um ihr Bündel behalten zu dürfen, mußte Teri es aufschnüren und vor dem Mann ausbreiten. Als ihr dabei ihre in Leder eingenähten Geldstücke in die Hände gerieten, erinnerte sie sich daran, dass sie Gerits letzte Anweisung nicht befolgt hatte. Sie hatte sich seinen Geldgürtel nicht genommen. Die Münzen im Wert von zehn Bronzestücken waren alles, was sie besaß.

      Sie bat den Kapitän, von dem Hafenmeister das Geld ihrer Eltern zu fordern.

      Der Mann lachte nur, als der Kapitän Teris Wunsch übersetzt hatte, ließ einen Gehilfen die Bündel aufnehmen und ging über die Laufplanke davon.

      Teri wollte protestieren, doch der Kapitän hielt sie zurück. "Wer mit dem Wolf um die Beute streiten will, der muß lange Zähne haben", zitierte er ein Sprichwort der Ver. Dabei zeigte er unauffällig auf den Hafenplatz hinaus, wo an die zwanzig Bogenschützen in kleinen Gruppen zusammenstanden und sich leise unterhielten.

      Teri begriff, dass auf ein winziges Zeichen des Hafenmeisters hin die Luft im Hafen von den vorschnellenden Sehnen und Pfeilen sirren und rauschen würde. Wenn der Hafenmeister es wollte, würde in wenigen Augenblicken niemand an Bord der `Sesiol' mehr leben.

      "Mach dir keine Sorgen." Der Kapitän fuchtelte nervös mit den Händen vor Teri herum. "Deine Eltern haben die Passage bis Thedra für dich bezahlt. - Wir bringen jetzt noch Fracht nach Mittelwelt, in meine Heimat, und dann geht es zurück nach Isco. - Mach dir keine Sorgen. Alles ist bereits bezahlt!"

      Der Kapitän war, wie gesagt, ein sehr schlechter, ja geradezu ein erbärmlicher Lügner.

      Teri sah Mittelwelt und sah es doch nicht.

      Die `Sesiol' fuhr auf ihrem östlichen Kurs über die offene See bis Kap Mocam und arbeitete sich dann in die Große Bucht hinauf, bis nach Ago im Lange Ceon, der Heimat des Kapitäns. Hier sah Teri auch einige dieser Tiere, von denen sie nicht geglaubt hatte, dass es sie gäbe.

      Gewaltige graue Kolosse, mit Nasen so lang wie Teris ganzer Körper, waren dazu abgerichtet, schwere Arbeiten für die Menschen zu verrichten. Teri sah mit eigenen Augen, wie diese Ungetüme ganze Baumstämme nur mit der Kraft ihrer Nasen schleppten. - Auch fiel es Teri langsam auf, dass es nun schon seit über einem Jahr nicht mehr Winter geworden war.

      Hätten sie solche Wunder und Erkenntnisse noch vor wenigen Monaten in helle Aufregung versetzt, so hatte sich ihrer nun ein Gleichmut bemächtigt, der sie zwar alles in sich aufnehmen ließ, sie aber gleichzeitig um die ursprüngliche Freude des Erlebens betrog.

      Seit Tigan war aus Teri eine ernste junge Frau geworden, die nur selten lachte. Zu tief war die Trauer um Tana und Gerit, zu ungewiß das Schicksal der beiden.

      Immer wieder drängte sich das Bild der zwei Verletzten in Teris Gedanken. Tana und Gerit, wie sie sich gegenseitig stützend, dem sicheren Tod im Großen Erf entgegenwankten.

      Wie konnte Teri sich an Sonne, Luft und Licht, wie sich an Pflanzen und Tieren freuen, wenn sich täglich solch trübe Gedanken über ihr Gemüt legten?

      So verbrachte sie ihre Zeit in Ago bei der Familie des Kapitäns in stiller Melancholie, die allen Aufheiterungsversuchen widerstand. Man brachte ihr die Grundbegriffe der Ago- oder Löwensprache bei, und willig half sie der Frau des Kapitäns bei ihren täglichen Verrichtungen. Damit waren ihre Tage in Ago ausgefüllt.

      Endlich war es wieder so weit. Die `Sesiol' war im Hafen überholt worden und wieder bereit, auf große Fahrt zu gehen. Ein Jahr oder länger würde die Reise dauern und entsprechend lange mußte der Abschied gefeiert werden.

      Die Angehörigen der ganzen Mannschaft trafen sich im Haus des Kapitäns und feierte drei Tage lang. Jede Familie hatte die ihr eigene Spezialität an eß- und trinkbaren Köstlichkeiten mitgebracht, und Teri mußte von allem probieren.

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