Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes. Michael Schenk
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Es gab nur wenige Durchlässe in dieser Grenze.
Aus dem Norden konnte der Feind nicht kommen. Sein Blut gefror in der Kälte, und die Festung am Pass des Eten wurde von den Zwergen und dem Pferdevolk gehalten. Der Weg über die weißen Sümpfe war ihm ebenso verwehrt. Jene Sümpfe, in denen die Toten keine Ruhe fanden, wurden von der Stadt Merdonan und der Westmark der Pferdelords geschützt, und das Volk der Lederschwingen kreiste über den Bergen. Tief im Süden lagen zwei große Pforten. Hier unterhielt die Garde des Reiches Alnoa starke Festungen. Dabei wurde es unterstützt vom Volk der krebsartigen Irghil, welche das Reich von Jalanne bestreiften. Der Westen war sicher, denn die Orks verstanden sich nicht auf den Schiffsbau und scheuten das Wasser. Zudem patrouillierten die Schiffe der königlichen Flotte mit ihren schweren Dampfkanonen die Küsten.
Der Osten hingegen war sicher gewesen.
Niemand gelangte über die Berge des Uma´Roll.
Das furchtbare Erdbeben hatte das geändert.
Irgendwo in dem mächtigen Gebirge hatte es seinen Anfang genommen.
Mit einem leichten Schütteln der Erde, das immer stärker wurde, bis sich kein lebendes Wesen mehr auf den Beinen halten konnte. Felsen hatten sich gelöst, dann waren die Berge selbst in Bewegung geraten. Sie wurden gegeneinander gepresst und von ihrer eigenen Masse zermahlen, die Erde tat sich auf und verschlang, was sie zuvor bedeckt hatte. Ein mächtiger Spalt entstand in den Bergen. Ein Riss, einer klaffenden Wunde gleich, der sich quer durch das Uma´Roll zog. Als alles zur Ruhe kam, hatte sich das Antlitz des Gebirgszugs dramatisch verändert.
In der so lange Zeit unüberwindlichen Grenze war eine Lücke entstanden. Niemand wusste mit Sicherheit zu sagen, ob es damit nun einen neuen Weg durch das Gebirge gab, der die verfeindeten Reiche miteinander verband. Doch wer den Spalt sah, der wusste, dass sich die Finsteren Abgründe der alten Legenden aufgetan hatten.
Die große Stadt von Nerianeris war, wie auch viele der kleinen Dörfer, von den Schwingungen des Bebens getroffen worden. Die Zerstörung war so umfangreich, dass niemand an einen Wiederaufbau dachte. Anders verhielt es sich mit den Dörfern, denn sie bildeten die Lebensgrundlage des Reiches. Hier wurde das Vieh gezüchtet und das Getreide geerntet, welches die Bäuche der Menschen füllte. Mochte die Ruinenstadt Nerianeris auch ein Mahnmal der Katastrophe bleiben, die Siedlungen und Gehöfte der Bauern mussten neu erstehen.
Zwei Jahre hatte es gedauert, bis sich Menschen und Land vom großen Beben erholt hatten. Das Leben kehrte in die zerstörten Regionen zurück. Getreide wuchs auf neu bestellten Feldern, die Herden des Hornviehs grasten wieder. Die Menschen begannen allmählich, die Schrecknisse des großen Bebens zu überwinden.
Die Öffnung zwischen den Bergen nannte man den Spaltpass, auch wenn man nicht wusste, ob der Feind ihn jemals beschreiten konnte. Dort, wo der Spalt das Gebirge durchschnitt, bestreifte die Garde das Land. Eine neue Festung befand sich im Bau, belegt von einer starken Garnison. Die Aufgabe der Feste Nerianet würde darin bestehen, die umliegenden Dörfer zu schützen und jeden Feind aufzuhalten, der durch den Spaltpass kommen mochte.
Die Lücke zwischen den Bergen des Uma´Roll war auch aus größter Entfernung zu sehen, und sie war es, die dem Alnoer Hendel als Orientierung diente.
Hendel war ein Mann in den besten Jahren. Er hatte das heimatliche Dorf nach dem Beben verlassen, um sein Glück in der Königsstadt Alneris zu suchen. Wie sein Bruder Halpert hatte er vom Vater das Handwerk des Schmieds erlernt. Zusätzlich hatte er seine Künste in der großen Hauptstadt des Königreiches verfeinert. Sein Geschick war inzwischen so groß, dass er sich längst nicht mehr mit der Anfertigung von Messern, Scheren und Beschlägen begnügte, sondern feine Geschmeide aus edlen Metallen fertigte. Seine Erzeugnisse fanden viel Anklang, vor allem bei den Adligen von Alneris. Hendels Beutel war gut gefüllt mit den goldenen Schüsselchen, die im Reich als Währung dienten.
Nun, nach zwei arbeitsreichen Jahren, sehnte er sich danach, das heimatliche Dorf und seinen Bruder wiederzusehen. So hatte er sich endlich auf die lange Reise begeben. Zunächst mit dem Gespann in der Gesellschaft anderer Reisender, später auf einem Pferd, welches er für zwei Goldschüsselchen erwarb. Die Reise führte ihn immer weiter nach Osten durch jene Region, die man nicht umsonst die Kornkammer des Reiches nannte. Manchmal schienen sich die wogenden Getreidefelder über den gesamten Horizont zu erstrecken, dann wieder waren es ausgedehnte Ebenen, auf denen das Hornvieh graste. Ein blühendes Land, dem man die furchtbaren Ereignisse nicht mehr ansah. Zumindest so lange, wie man nicht zum Uma´Roll hinüberblickte.
Hendel war kein besonders guter Reiter und konnte sich nur schwer an das Geschaukel und Geruckel auf dem Pferderücken gewöhnen. Gesäß und Schenkel schmerzten und waren wund, und er fragte sich gelegentlich, ob es nicht besser gewesen wäre, zu Fuß zu gehen. Doch wenn er sich vor Augen führte, welch weiten Weg er genommen hatte, dann musste er sich eingestehen, dass seine armen Füße sicher noch weit mehr gelitten hätten.
Es war nicht mehr weit bis zum Dorf Hemjalis.
Hendel erkannte die vertrauten, dicht bewaldeten Hügel und das kleine Waldstück, welche das Ziel noch vor seinen Augen verbargen. Hinter diesen Hügeln lag sein Heimatdorf, eingebettet in seine wogenden Getreidefelder. Dahinter erstreckte sich ein ausgedehntes Waldgebiet, welches am Spaltpass endete. Der Goldschmied wunderte sich daher nicht, als er ein Funkeln zwischen den Geländeerhebungen sah, welches sich ihm näherte und rasch an Konturen gewann. Hendel erkannte die Rüstungen der Gardekavallerie. Eine kleine Schar von zehn Reitern. Die gelben Federn wippten auf den Helmen. An der Spitze der Formation trabte ein Ritter, wie Hendel an den zwei Federn und dem kurzen grauen Umhang erkannte. Er zügelte sein Pferd und wartete ab, bis die Soldaten heran waren.
„Wohin des Wegs, guter Herr?“, fragte der hochgeborene Ritter freundlich.
„Heim nach Hemjalis und meinen Bruder besuchen“, antwortete der Schmuckschmied und fügte ein paar erklärende Worte hinzu.
Der Gardeoffizier strich sich über den dünnen Schnurrbart, der bei den Adligen des Königreiches sehr beliebt war. „Das wird Euren Bruder sicherlich erfreuen“, meinte er. „Es kommen nicht viele Reisende hierher. Die Nähe des Spaltes ist den Menschen unheimlich.“
„Man sagt in Alneris, dort lägen die Finsteren Abgründe“, bestätigte Hendel.
Der Ritter lachte auf. „Nun, von uns hat der Spalt noch keinen verschlungen.“ Sein Gesicht wurde ernst. „Wenn Ihr ihn betrachten wollt, so muss ich Euch enttäuschen. Die Feste von Nerianet bewacht ihn, und außer den Streifen der Garde darf ihm keiner nahekommen.“
„Ich habe nicht vor, in den Pass zu blicken.“ Hendel deutete vor sich. „Ich will nur meinen Bruder sehen, ein paar Tageswenden in seiner Gesellschaft verbringen und dann wieder zu meinem Geschäft zurückkehren.“
Der Ritter nickte und die kleine Schar trabte weiter.
Hendel blickte den Männern eine Weile nach. Man hörte leises Klirren und Scheppern von Rüstungen und Waffen, das allmählich verklang. Er fragte sich, wie es diese Männer schafften, mit all dem schweren Metall auf den Pferden zu bleiben. Sie kamen sicher von dieser neuen Festung. Es war beruhigend, dass die Gardekavallerie das Land so eifrig bestreifte.
Hendel trieb sein Pferd erneut an, welches den Zügeln und dem Schenkeldruck nur widerwillig zu folgen schien. Immerhin konnte er es in jene Richtung lenken, in die er zu reiten gedachte.
Je näher er