In Amerika. Gerstäcker Friedrich
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„Aber es schadet ihnen auch nichts, wenn sie einmal angeführt werden“, lachte Rolf. „Es ist eines der wahrsten Sprichwörter im ganzen Land, dass niemand einen Dollar in Amerika verdient, bis er nicht den letzten, mit von der alten Heimat herübergebrachten Cent verzehrt hat. Die Leute wollen und m ü s s e n erst durch Schaden – wenn auch nicht klug werden, denn dazu gehört noch mehr – aber doch wenigstens zu der Überzeugung kommen, dass sie bis dahin furchtbar dumm gewesen, und das bleibt immer der Anfang zum Besseren. Also wollen wir hier das Volk nur auch seinem Schicksal überlassen. Sie haben Ihre Pflicht getan und sie gewarnt, und wenn sie jetzt mit beiden Füßen in einen heißen Brei hineinspringen, nun, so mögen sie auch selber zusehen, wie sie wieder hinauskommen. Lassen Sie uns jetzt den Platz besehen, Georg, denn ich muss Ihnen gestehen, dass mir Donnersville – besonders mit Ihrer Familie hier in der Nachbarschaft, ausnehmend gefällt. In die steifen, geregelten und unnatürlichen Formen Deutschlands passe ich doch nicht mehr hinein. Ich würde den Leuten ins Gesicht lachen, wenn sie mich ,gnädiger Herr Graf’ nennen, und – da wir hier die Sklaverei abgeschafft haben, widersteht es mir, da drüben wieder Menschen in Livree, also weiße Sklaven, zu sehen und Zeuge all des Jammers zu sein, der dort noch unter der arbeitenden Bevölkerung, besonders der weiblichen, herrscht. Ich weiß, dass ich schon im ersten Jahre mein Vermögen aus dem Fenster werfen würde, nur um den Jammer zu lindern, und das wäre denn doch nichts anderes, als einen Fingerhut voll Wasser aus der See schöpfen. Kommen Sie – der Teufel hole die Grillen.“ Und in den Sattel springend, trabten die beiden jungen Leute die Straße hinab.
SIEBTES KAPITEL
Eine Negerversammlung.
Die kleine, betriebsame Stadt Covington liegt der Königin des Westens, dem großen Cincinnati, genau gegenüber im Staat Kentucky, und die schönste und l ä n g s t e Brücke der Welt, was wenigstens die Spannung des Hauptbogens betrifft53, verbindet jetzt die beiden Orte miteinander.
Kentucky ist einer der nördlichsten Sklavenstaaten54, der Ohiostrom, der aber im Sommer so seicht wird, dass man ihn an manchen Stellen durchwarten kann, trennte hier die freien von den Sklavenstaaten, und nur das Auslieferungsgesetz flüchtiger Neger55, das der Norden bis zum Kriege aufrecht erhielt, schützte den Süden. Das war jetzt vorüber. So sehr gerade Kentucky gegen die sogenannten Abolitionisten – das heißt solche, welche die Sklaverei systematisch bekämpften – geeifert und mehrmals sogar, gerade von Covington aus, seine Banden nach Cincinnati in Ohio hinübergesandt hatte und dort die Druckerei zerstören ließ, die in freisinniger Weise für die Menschenrechte auch der Neger aufzutreten wagte, so fühlten sich die Neger dieses Staates doch am ersten sicher, dass sie nicht wieder in Fesseln geschlagen werden konnten. Über den Ohio war es nur ein Schritt, und Unionstruppen standen überdies noch in ihrem Land und schützten sie gegen offene Gewalt.
Johann August Röbling
Covington-Brücke über den Ohio
Hier wurden denn auch zuerst größere Vereine gegründet und die Mittel besprochen, wie sich die „farbigen Leute“ am Besten und Leichtesten in dies neue Leben fänden. Dem Charakter des Negers nach hielt man diese aber ganz genau in der nämlichen Art und Weise ab, wie man es früher der bevorzugten Rasse abgesehen.
Es wurde ein alter, würdiger Neger mit schneeweißer Wolle zum Präsidenten gewählt; er war selber früher gewissermaßen Haushofmeister im Hause des Gouverneurs von Lexington gewesen und jetzt nach seinem Geburtsort zurückgekehrt. Als Schriftführer hatte sich ein von Cincinnati herüber gekommener freier Mulatte, der dort eine Barbierstube hielt, angeboten, und die zahlreich besuchte Versammlung, die in einem der größten Tanzlokale des Ortes abgehalten wurde, bot insofern ein nicht unbedeutendes Interesse, als sich auch die „Ladies“ dabei beteiligten und der ganze Raum von bunten und lichten Kleidern wimmelte.
Es ist eine eigentümliche Tatsache, dass alte Negerinnen, die stets viel Fett ansetzen, eine auffallend tiefe Bassstimme bekommen und auch durchschnittlich mit einem klangvollen Organ begabt sind. Sie genossen dabei nicht allein in den kleinen Städten, oder in größeren in ihrer Straße, nein selbst in den einzelnen Pflanzungen eine gewisse Autorität und es gab kaum etwas Würdevolleres, als solch eine alte, dicke Dame, die nach Feierabend, ihre kurze Tonpfeife rauchend, beide Hände auf die ausgespreizten Knie gestemmt, im stärksten Bass ihre Orakelsprüche aufgab – denn ich hätte keinem der „f a r b i g e n L e u t e“ raten wollen, ihr darin zu widersprechen. In einem solchen Fall ließen sie auch niemanden ihrer Rasse vorübergehen, ohne ihn anzureden, und gnade ihm Gott, wenn er sich in einer Antwort die geringste Blöße gab. Das ordentlich wiehernde Gelächter der alten Dame wie der Zuhörer würde ihn in voller Flucht die Straße hinabgejagt haben.
Dass sich d i e s e Damen nicht aus einer Versammlung halten ließen, in die sie mit Farbe und Geist gehörten, verstand sich von selbst, und selbst das junge Volk, wenn es sich auch noch nicht in den Saal selber gewagt, hielt doch Fenster und Türen besetzt, um wenigstens zu hören und zu sehen, was da drinnen vorging.
Merkwürdiger-, und doch leicht erklärlicher Weise haben sämtliche Schwarze, wenn auch in Amerika geboren, einen ganz besonderen Negerdialekt, der sich aber nur meist in Verstümmlung der Worte kund gibt. Statt des englischen ‚th’ sagen sie gewöhnlich ,d’ – statt „this child“ „dis child“ usw. – das oft gebrauchte Wort Master sprechen sie wie Massa – Mistress wie Missus – statt nothing noffin, statt of ob und tausend andere dem ähnliche Worte. Es wäre unerklärlich, wie alle ohne Ausnahme mitten zwischen einer gut und rein sprechenden Bevölkerung an solchem Dialekt festhalten könnten, und nicht endlich einmal, besonders die Kinder, zu einer besseren Aussprache gelangten, aber wo kamen sie je mit dieser bevorzugten Rasse in längere Unterhaltung? Sie erhielten Befehle, die sie ausführen mussten – weiter nichts; nur auf ihre eigene Rasse blieben sie angewiesen, und in der konnten sie ihren verstümmelten Dialekt nicht verbessern, und werden es auch noch nicht für eine lange Reihe kommender Jahre.
So niedrig und für den Sklaven vollkommen passend den Weißen aber auch diese Ausdrucksweise erscheinen mochte, so würdevoll wurde sie von den Versammelten behandelt, und als der Präsident nach einer etwas unruhigen Einleitung, in welcher jeder, besonders der anwesende Damenflor, das Wort haben wollte – mit energischer Handhabung der großen Glocke die Sitzung eröffnete und donnernder Stimme ordentlich hinausschrie: „Ladies and Gemmen!“ (das Negerwort für Gentlemen), da lagerte sich feierliche Stimme im ganzen Saal, und der würdige Präsident hätte jetzt seine Rede beginnen können, wenn ihm in dem Augenblick etwas eingefallen wäre.
Durch die Mühe aber, die er sich geben musste, um den Tumult zu beschwichtigen, schien er die Einleitung, wie er sie sich vorher überdacht, gründlich vergessen zu haben und zwei bis drei Mal stotterte er wieder sein Ladies and Gemmen, bis die jungen Dinger da draußen am Fenster schon zu kichern anfingen und das Publikum unruhig wurde.
„Ladies und Gemmen“, begann er da endlich, ärgerlich gemacht, noch einmal, „ich bin kein Redner, und kein Mensch kann es von mir verlangen, denn ich habe es nicht gelernt, aber ich wollte nur mitteilen, dass diese Versammlung zusammenberufen ist, um einige wichtige Sachen zu beraten.“
Er war jetzt in Schuss gekommen, und das Ganze ging ihm von nun an fließend genug, wenn auch in seinem schauerlichen Negerenglisch, von den dicken Lippen.