In Amerika. Gerstäcker Friedrich

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In Amerika - Gerstäcker Friedrich

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„Hückler! Allerdings“, sagte der Fremde, den jungen Mann etwas erstaunt betrachtend, „Doktor Hückler, Milwaukee – aber – wie ist mir denn? Ich glaube fast selber – wir hatten am Bord, im Zwischendeck, einen jungen Mann mit Namen Donner – einen Studenten der Medizin, wenn ich nicht irre.“

       Georg lächelte. „Ich hatte schon damals mein Doktorexamen gemacht“, sagte er.

       „Ah“, rief Doktor Hückler vergnügt aus, „ist mir denn doch wirklich sehr angenehm, eine so alte liebe Bekanntschaft zu erneuern“, (er hatte an Bord, als Kajütspassagier, wohl selten oder nie ein Wort mit dem Zwischen-deckspassagier gewechselt), „wie ich sehe, geht es Ihnen gut hier, lieber Donner“, und er schüttelte ihm dabei sehr entschieden die Hand. „Donner – Donner – der Name fiel mir gleich auf, wie ich ihn in der Zeitung las, aber ich hatte natürlich keine Ahnung, dass ich den Betreffenden persönlich und so genau kannte.“

       „Und Sie beabsichtigen also, sich hier als Arzt niederzulassen?“

       „Wenn mir die Verhältnisse zusagen“, bemerkte Doktor Hückler etwas vornehm. „Es wurde ein kleines Wohnhaus zugesichert, das müsste ich vorher in Augenschein nehmen, denn meine Frau ist etwas verwöhnt.“

       „Und glauben auch Sie alle die gestellten Bedingungen erfüllen zu können, verehrter Herr?“ bemerkte jetzt Georg, indem er den „Doktor“ scharf ansah. „Wir brauchen hier vorzüglich einen tüchtigen Arzt für innere Krankheiten, denn die zwei amerikanischen Pfuscher, die sich hierher gesetzt haben, genügen uns nicht, und besonders die deutschen Frauen können kein Vertrauen zu ihnen fassen.“

       „Sie brauchen auch einen tüchtigen Wundarzt“, warf Hückler ein.

       „Den weniger“, sagte Georg. „Wir haben in dem Fach einen s e h r tüchtigen Mann.“

       „Wie heißt er? Wenn ich fragen darf.“

       „Roßwein.“

       „Roßwein?“, rief der Doktor rasch.

       „Jacob Roßwein“, sagte Georg, „kennen Sie ihn?“

       „Allerdings“, rief Hückler, „er hielt sich eine Weile in Milwaukee auf; aber das“, setzte er mit einem etwas wegwerfenden Lächeln hinzu, „ist nur ein gewöhnlicher Barbier, der in Milwaukee gar nicht praktizieren durfte. Ich glaube nicht einmal, dass er ein Rezept schreiben kann.“

       „In der Tat?“, sagte Georg, indem er den Doktor scharf ansah. „Doch was ich gleich sagen wollte: Ihr Doktor-Diplom haben Sie doch, nicht wahr? – Sie wissen, dass in der Aufforderung die Bedingung gestellt wurde.“

       „Gewiss – ich erinnere mich“, sagte der „Doktor“ rasch, nichtsdestoweniger schien es Wolf, der bis jetzt kein Auge von ihm verwandt hatte, als ob er dabei nicht mehr so zuversichtlich aussah als vorher, „es ist mir nur leider einer meiner Koffer bei meiner damaligen Reise nach Milwaukee gestohlen worden. Ich habe aber schon wieder nach Deutschland geschrieben, um mir ein Duplikat kommen zu lassen, und d e r Form kann ja doch immer später genügt werden, noch dazu, da Sie mich selber persönlich kennen und ich außerdem eine längere Reihe von Jahren eine sehr bedeutende Praxis in Milwaukee gehabt habe. Die Amerikaner sind überhaupt praktischer Natur – ein solches Papier gilt ihnen gar nichts und sie sehen nur darauf, was der Mann wirklich versteht. D a s gilt ihnen.51

       „Sie haben Recht, lieber Herr Doktor“, erwiderte Georg ruhig, „wir Deutschen sind darin vielleicht manchmal ein wenig zu peinlich, aber die Bewohner von Donnersville haben sich damals in einer besonders dazu einberufenen Versammlung ganz bestimmt darüber ausgesprochen und werden nicht davon abgehen.“

       „Es wäre merkwürdig“, sagte der „Doktor“ doch etwas gereizt, „wenn Sie hier in A m e r i k a wirklich an einer so kleinlichen Form hängen wollten, wo Ihnen doch gerade die K e n n t n i s des Betreffenden mehr gelten sollte. Ich habe ganz erstaunliche Kuren in Milwaukee gemacht und bin oft auch zwanzig Meilen weit in das Land hineingerufen worden, um Leute wieder herzustellen, die von anderen Ärzten schon aufgegeben waren, und ich kann Ihnen Zeugnisse von dort bringen, die...“

       „Hallo, Doktor!“, rief da die laute Stimme eines Mannes, der eben in die Tür trat, die kleine Gruppe einen Moment betrachtete und, sowie er Hückler erkannte, diesen anrief. Es war Jacob Roßwein, der hiesige „Barbier“, wie er von den Bauern besonders bezeichnet wurde, denn gegen ein paar von ihnen, die ihn anfangs Doktor nannten, war er so grob geworden und hatten ihnen sogar gedroht, dass er ihnen das nächste Mal beim Rasieren in den Hals schneiden würde, dass sie das schon von da an aus Furcht sein ließen. Sie wussten auch eigentlich gar nicht, woran sie mit dem Mann waren, denn voll von trockenem Humor, hatte ihn noch niemand selber herzlich lachen gesehen. Er kannte auch gegen andere gar keine Schonung. Teilte nach rechts und links scharfe Hiebe aus und ließ dabei die Angegriffenen stets in Zweifel, ob er Spaß oder Ernst mit ihnen machte. Übrigens war er ein ganz ausgezeichneter Chirurg und ein braver Kerl dabei, der z.B. von wirklich Armen nie eine Bezahlung nahm, selbst wo er, wie bei den ziemlich teuren Blutegeln, oft selber bedeutende Auslagen hatte.

       Doktor Hückler hatte sich rasch nach dem Ausruf umgedreht, schien aber, als er Roßwein erkannte, nicht besonders erfreut über die Begegnung und sagte, nur mit einer kalthöflichen Bewegung des Kopfes die halbe Begrüßung erwidernd:

       „Ach, Herr Roßwein, ich hatte schon gehört, dass Sie hier eine ,Stube’ etabliert haben.“

       „Wirklich?“, bemerkte Roßwein trocken. „Aber wie kommen S i e hier an den Ohio – von Geschäften zurückgezogen, heh? – wollen sich wohl zur Ruhe setzen und die Menschen von jetzt ab leben lassen.“

       Hückler antwortete ihm gar nicht mehr, sondern sich wieder an Georg wendend, wobei ihn jedoch die Gegenwart des „Barbiers“ augenscheinlich störte, sagte er:

       „Ich hoffe, wir werden uns darüber einigen, Herr Donner, denn Sie selber müssen mir zugeben, dass es mit der Beobachtung einer solchen Form nicht drängt. Ich versichere Sie, wenn ich nur erst einmal festen Fuß hier gefasst habe und bekannt geworden bin, werden Sie einsehen, wie vollkommen ich meinen Platz ausfülle.“

       „Alle Wetter“, sagte Roßwein. „Sie wollen wohl Ihr Gerippe im Glaskasten hier in Donnersville aufsetzen? Ist aber immer gefährlich. Wissen Sie wohl noch, wie die eine Frau in Milwaukee, die in Ihre Apotheke trat, beinah den Tod vor Schreck davon bekam und ohnmächtig fortgetragen werden musste?“

       „Herr Roßwein“, sagte Hückler verächtlich, „helfen Sie nicht solche alberne Lügen verbreiten. Die Frau bekam einen Schlaganfall, wie sie nur in die Tür trat.“

       „Ja, mein lieber Herr Doktor“, sagte Georg achselzuckend, „ich muss Sie allerdings bitten, vorher, ehe ich Sie wenigstens hier vorschlagen kann, Ihr Diplom zu bekommen, und kann Ihnen freilich, wenn das zu lange ausbliebe, nicht mehr dafür gutstehen, dass der Posten bis dahin besetzt ist. Für jetzt aber bitte ich Sie, mich zu entschuldigen, denn ich habe einen Freund hier, mit dem ich einige Geschäfte erledigen muss. – Guten Morgen, wir sehen uns wohl nachher noch, Roßwein? Sie sind doch zu Hause?“

       „Gewiss – nur herüber gekommen, um hier ein Glas von Ludkins’ Brandy zu trinken, damit der Schund bald alle wird und wir besseren kriegen.“

       Georg und Wolf hatten das Lokal schon verlassen und schritten zusammen die Straße hinab.

       „Der Herr scheint wenig Aussicht zu haben, hier Arzt zu werden“, lachte Wolf.

      

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