In Amerika. Gerstäcker Friedrich

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In Amerika - Gerstäcker Friedrich

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für uns auf in den Kindern.“

       „Und wir sehen die alte Heimat wieder, Vater“, rief da Georg bewegt. „Noch haben wir Jahre des Schaffens und Wirkens vor uns und unsere Freude daran, denn nur in der Tätigkeit bewährt sich der Mann. Wenn wir aber erst einmal unser Ziel erreicht und einer sorgenfreien Zukunft entgegensehen können, dann kehren wir in die alte, liebe Heimat zurück und zehren in der Erinnerung an der früheren, eben durch ihre Entbehrungen und Sorgen liebgewonnenen Zeit.“

       „Und die Kinder?“ sagte die Mutter zweifelnd. „Werden sie Amerika verlassen wollen? Ist es nicht ihnen in der Zeit das geworden, was uns Deutschland geblieben?“

       „Sorg’ Dich nicht um das Mutter“, sagte Georg herzlich, „jetzt gehen wir noch frohen, fröhlichen Jahren entgegen, und für die Zukunft wird der liebe Gott sorgen. Uns ist ja doch nur der heutige Tag gegeben und nicht über eine Stunde weiter können wir bestimmen, ja kaum für den – den aber wollen wir genießen und nicht traurige und trübe Bilder im vollen, warmen Sonnenschein heraufbeschwören. Sieh, wie die Kinder sich da unten ihres Lebens freuen – sieh, wie sie lachen und jubeln; und wie wir hier, im reiferen Alter, das Bewusstsein eines erworbenen Besitzes haben, ebenso blüht auch ihnen in dem großen freien Land eine schöne und fröhliche Zukunft auf.“

       Unten mit den Kindern, und sie gewissermaßen überwachend, spielte auch Katharina, Pastor Donners jüngstes Töchterchen, jetzt aber zu einer stattlichen Jungfrau herangewachsen und das – wenn man so sagen will; veredelte Bild ihres Bruders Georg; und ein reizenderes Bild hätte man sich nicht denken können, als das junge, wirklich bildschöne, lebensfrische Mädchen, wie es da mütterlich unter den Kindern waltete, die zu wilden einzügelte, die Kleinen vor Unfällen bewahrte und dabei von allen miteinander „Tante“ genannt wurde.

       An der Gartenpforte stand eine schlanke, wettergebräunte Gestalt, ein noch jugendlicher Mann von höchstens dreißig bis zweiunddreißig Jahren, einen Panamahut auf und sonst wohl leicht, aber auch sehr elegant gekleidet, selbst mit Glacéhandschuhen, die man hier selten genug zu sehen bekam. Der junge Fremde hatte die Tür wohl geöffnet, aber den Garten noch nicht betreten, denn vor ihm hin tobte und jubelte die muntere Schar, und mit der Jungfrau dazwischen war es ein so entzückender Anblick, dass er sich scheute, die seiner noch gar nicht achtende Gruppe zu stören, und ihr lächelnd eine ganze Weile zuschaute. Da hetzten sich ein paar Knaben bis dicht an ihn heran, so dass der eine fast gegen ihn anrannte, ihn aber kaum erblickte, als er auch scheu davon lief und dadurch den Alarm gab, nach dem sich auch die Übrigen ihm zuwandten.

       Katharina blickte erstaunt nach ihm hinüber, der Fremde aber, der nun doch wohl einsah, dass er kein stiller Zeuge der so lebensfrohen Gruppen mehr sein konnte, lüftete artig gegen die junge Dame den Hut und frug, auf sie zutretend, ob er sich hier auf der Farm eines Herrn Georg Donner befinde, mit dem er in früheren Zeiten einmal zusammen – wie er lächelnd hinzusetzte – „eine Reise gemacht habe.“

       „Georg Donner ist mein Bruder“, sagte das junge Mädchen errötend, „er steht dort oben auf der Veranda – soll ich ihn rufen?“

       Der Fremde warf einen Blick hinauf. „Das ist der Rechte“, nickte er vergnügt mit dem Kopf, „nein, bitte, mein Fräulein, lassen Sie sich nicht stören, ich werde ihn selber aufsuchen und sehen, ob er mich noch kennt.“ Und seinen Hut wieder aufsetzend, damit man von oben aus sein Gesicht nicht erkennen konnte, schritt er direkt dem Hause zu, in dem er gleich darauf verschwand.

       Georg hatte ihn von oben aus bemerkt, aber nicht weiter auf ihn geachtet. Es kamen so viele Fremde, teils in Geschäften, teils mit Anfragen zu ihm, dass er sie unmöglich alle kennen konnte, er war aber fest entschlossen, heute, an diesem doppelten Feiertag, nichts Geschäftliches zu erledigen. Wer etwas von ihm wollte, konnte morgen wieder kommen, oder – es ganz bleiben lassen. Befremdet sah er aber auf, als der junge Fremde, der ganz ungeniert durch die Zimmer schritt, jetzt zu ihm, mit dem Hut noch auf dem Kopf, auf die Veranda heraustrat und mit untergeschlagenen Armen, aber lächelndem Blick vor ihm stehen blieb.

       Georg sah ihn etwas überrascht und forschend an. Es lag etwas in dem Gesicht, das alte Erinnerungen in ihm weckte; er hatte diese Züge schon einmal gesehen, aber wo? Wann? Er verfiel nicht gleich darauf.

       „Kennen Sie mich nicht mehr, Donner?“, lächelte der Fremde. „Es ist allerdings schon eine Reihe von Jahren, dass wir uns nicht gesehen, aber sollten Sie die Backwoods Queen und unser ‚Geschäft’ an Bord vergessen haben?“

       „Wolf! Bei allem, was lebt!“, rief Georg auf ihn zuspringend, und seine Hand ergreifend und herzlich schüttelnd. „Wolf! Wo kommen Sie jetzt her und was treiben Sie, aber vor allem tausend und tausend Mal willkommen in meinem Haus.“

       „Mein lieber Donner“, sagte der junge Fremde mit fast bewegter Stimme, „ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich freue, Sie hier gefunden zu haben; weckt doch Ihr Bild, Ihre Stimme wieder eine ganze Fülle von Erinnerungen und mitsammen verlebte Szenen in meinem Herzen. Sie scheinen sich übrigens“, setzte er lächelnd hinzu, als er sich dabei in den wohnlichen Räumen umschaute, „in Ihren Verhältnissen, seit wir uns zum letzten Mal gesehen, wesentlich verbessert zu haben, wie? Sie benutzen wohl jetzt mehr die Feder als die Schürstange?“

       „Wahrhaftig ja, Wolf“, rief Georg, „aber alle Wetter“, unterbrach er sich rasch selber, „ich nenne Sie noch immer, wie damals vor den glühenden Kesseln der Backwoods Queen, Wolf, seien Sie mir nicht böse, Herr Graf.“

       „Halt!“, rief ihm aber der junge Mann rasch entgegen. „Kein Wort weiter; wer so wacker, wie wir beiden, unter demselben Kessel gefeuert und die Glut geschürt hat, bis wir das alte Ding in die Luft bliesen, der darf den anderen nicht mit Titeln ärgern. Ich weiß, dass Sie Arzt sind, aber das Wort ‚Doktor’ brächte ich deshalb doch nicht über die Lippen, denn das klänge mir zu fremd – Wolf und Georg haben wir uns damals genannt, und dabei bleibt’s, so lange wir uns im Leben treffen und uns schreiben.“

       Die beiden jungen Männer schüttelten sich die Hände, und Georg stellte jetzt seinen alten Freund, aber unter seinem alten Titel, „den Grafen Wolf vom Berge“, vor, mit dem er vor langen Jahren als Feuermann auf einem Dampfer, dessen Kessel nachher geplatzt seien, gearbeitet habe, und Wolf war, mit seinem offenen, heiteren Wesen, bald und rasch mit allen befreundet, selbst mit den Kindern, die jetzt unter Katharinens Leitung heraufkamen, um ihren Kaffee zu trinken. Es dauerte auch nicht lange, so schien es allen, als ob sie ihn seit Jahren schon gekannt und ihn nicht vor kaum erst einer Stunde zum ersten Mal gesehen hätten.

       Erst gegen Abend kam er dazu, mit Georg eine halbe Stunde ungestört zu plaudern. Georg nahm selber seinen Arm, und ihn hinunter in den Garten führend, schritten die beiden Männer jetzt Arm in Arm durch die lauschigen, mit frischem, duftendem Grün bedeckten Gänge, und Georg musste dann vor allen Dingen erzählen, wie es ihm gegangen. Er tat das mit lebendigen Worten; seine erste schwere Zeit hatte ja Wolf selber mit durchgekostet, dann begünstigte ihn das Glück, er heiratete sein jetziges liebes Weib, seine Verhältnisse besserten sich und schritten vorwärts, bis der Krieg ausbrach. Er selber ging da im zweiten Jahr bei einem Indiana-Regiment als Arzt mit, wurde aber vor acht Monaten verwundet und kehrte nach Hause zurück.37 Sein linkes Bein behielt indes eine Schwäche, dass er keinen längeren Marsch mehr aushalten konnte, und er musste, sehr zur Zufriedenheit seiner Frau, zu Hause bleiben. Nun war der Krieg glücklich und siegreich beendet, und sie durften einer frohen und glücklichen Zukunft entgegensehen.

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       Wolfs Schilderung seines bisherigen Lebens klang etwas romantischer. „Sie wissen, Georg“, sagte er, „dass ich damals, als wir Abschied voneinander nahmen, schon den Plan gefasst hatte, die schwere Arbeit aufzugeben und mich auf irgendeine Spekulation zu

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