In Amerika. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу In Amerika - Gerstäcker Friedrich страница 16
Allerdings sträubte sich Anfangs der Stolz der Baumwoll- und Zuckerbarone, der Aufforderung – man konnte nicht einmal mehr sagen Einladung – eines nordischen Offiziers – und w e n n er ein General gewesen wäre, zu folgen. Dem Rechte nach hätte er, wie sie meinten, vor i h n e n erscheinen müssen, aber das Schreiben Shermans war zu entschieden abgefasst; es duldete eben keinen Widerspruch. In seiner Macht lag es außerdem, die schon wachgerufene Leidenschaft der Sklaven noch mehr aufzustacheln, und – die Herren stimmten dem Doktor bei, der Aufforderung ungesäumt Folge zu leisten – das einzige Mittel überhaupt, um so rasch als möglich einen Überblick über die gegenwärtigen Verhältnisse zu gewinnen.
General Sherman in Atlanta
Harper, Taylgrove, der Doktor, die beiden Advokaten Lesley und Johns, der Apotheker, der Richter – sie alle hatten sich eingefunden. Die weißen Aufseher auf den verschiedenen Plantagen hätten allerdings eigentlich auch dazu gezogen werden müssen – als Weiße, natürlich, aber – sie standen in Diensten; und wie diese stolzen Sklavenzüchter selbst den weißen Ansiedler verachteten, der sich nicht schämte, selber Hand an die Arbeit zu legen, so würden sie nie ihren Dienern gestattet haben, irgendwelche Gleichberechtigung mit ihnen zu beanspruchen.
Die Straßen der Stadt lebten und wimmelten von Unionssoldaten, und mitten zwischen ihnen herum trieben sich die Nigger beiderlei Geschlechts. Aber das nicht allein – gerade wie sie den Platz vor dem Hotel erreichten, kam ein Trupp der Reiter, von Negern geführt, in die Stadt eingeritten und trieb eine ganze Herde kräftiger Stiere und guter Pferde vor sich her, deren Weideplätze augenscheinlich ihre eigenen Sklaven verraten hatten.
Taylgrove biss ingrimmig die Zähne zusammen, denn die meisten der eingebrachten Tiere gehörten ihm, und zwei von seinen eigenen Sklaven erkannte er ebenfalls unter der Schar. Aber für den Augenblick war nichts weiter zu tun; befanden sie sich doch auch gerade auf dem Weg zum General, und der musste ja Abhilfe schaffen, oder das ganze Land stand gegen ihn auf, und weder er noch einer seiner Truppen hätte je wieder den Boden der nordischen Heimat lebendig erreicht.
An dem Hotel angelangt, wollten sie natürlich in das Gastzimmer treten, fanden aber den Vorraum so mit Soldaten angefüllt, dass es kaum möglich gewesen wäre, hindurch zu dringen, hätten sie überhaupt Lust verspürt, sich zwischen diese Menschenmasse zu mischen. Taylgrove rief deshalb den Wirt heraus und frug ihn, wie sie in das Zimmer des Generals kämen, worauf Selkirk, der Wirt, jedoch achselzuckend sagte: General Sherman hätte ihm streng verboten, irgendwen – wenn es nicht einer seiner eigenen Offiziere sei – zu ihm hinaufzulassen. Verlange jemand nach ihm, so solle er es ihm melden, und er werde dann weiter darüber bestimmen.
Taylgrove nahm wieder die Unterlippe zwischen die Zähne, aber wie sich sein Stolz auch dagegen empörte, es ließ sich nicht gegen die augenblickliche Gewalt der Feinde ankämpfen, und nur ihre Zeit mussten sie abwarten, um dann wieder reichliche und volle Vergeltung zu üben.
„Gut, Selkirk“, sagte er deshalb nach kurzer Überlegung und mit zusammengezogenen Brauen, „so sagt dem Herrn General, dass die sämtliche weiße Einwohnerschaft von Belleville, aber nur die ‚besitzende’ Klasse, auf seinen Wunsch hierher gekommen wäre, um ihn zu sprechen – ihre Zeit sei aber sehr in Anspruch genommen und die Herren wünschten, dass die Sache bald erledigt würde.“
Selkirk schaute ihn, während Taylgrove sprach, ein wenig zweifelhaft von der Seite an, denn wie der General eine solche Botschaft aufnehmen würde, konnte er sich nach dem, was er hier von ihm gesehen, etwa denken. Es fiel ihm aber nicht ein, irgendwelche Einwendung dagegen zu machen. Wie er die Worte setzen wollte, war ihm ja anheim gegeben, und kaum zehn Minuten später kehrte er auch schon mit der Antwort zurück: die Herren müssten sich einen Augenblick da draußen gedulden, der General würde gleich zu ihnen herunterkommen.
„Das ist doch eine Unverschämtheit ohnegleichen“, rief Simms empört aus, „uns hier unten auf der Straße warten zu lassen, wo er da oben seine eigenen Gemächer hat. Was sagen Sie dazu, Rodgers?“
„Was ich dazu sage?“, erwiderte achselzuckend der Richter. „Dass ich mich einer derartigen Frechheit nicht füge, sondern einfach meiner Wege gehe. Hole den Yankee der Teufel!“
„Das Schlimmste ist“, brummte Lesley, der eine Advokat, „dass es gar kein Yankee ist; die besten Männer haben die Schufte doch nur aus unseren Staaten.29 Aber bleiben Sie doch lieber da, Rodgers. Er hat eben für den Augenblick die Macht, und unsere Zeit kommt auch wieder, wo wir es der verwünschten Bande heimzahlen können. Denken Sie nur an die Kostenrechnung, die wir ihnen machen werden.“
„Ja“, sagte Taylgrove düster, „wenn wir die nur nicht aus unserer eigenen Tasche bezahlen müssen.“
„Torheit“, rief Rodgers, „wenn ich mir denken sollte, dass die Buben wirklich siegreich blieben, so schösse ich mir heute noch eine Kugel durch den Kopf. Wie haben wir sie in den ersten Jahren gehauen, wo sie uns außerdem stets in der Übermacht gegenüberstanden; wie sind sie gelaufen und wie viel Tausende von Gefangenen haben wir noch jetzt in unseren Feldkerkern. General Sherman, ja, ist bis hier herunter vorgedrungen und hat uns gerade an der schwachen Seite gefasst; aber ob er oder einer seiner Trupps je den Norden wiedersieht, ist eine andere Frage, und ich meinesteils glaube es nicht.“
„Der General bleibt lange“, warf Harper ein, der indessen unablässig nach der Tür gesehen hatte.
„Und verdammt will ich sein, wenn ich länger auf ihn warte“, rief Rodgers; „sollte er nach mir fragen, so sagt ihm nur, wenn er etwas von mir wollte, solle er zu mir kommen“, und trotzig wandte er sich zum Gehen.
„Rodgers, bleibt hier“, rief ihm Taylgrove noch einmal nach, aber der alte Herr schüttelte unwillig den Kopf und verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Hof.
Die Geduld der übrigen Herren wurde allerdings noch auf die Probe gestellt, denn fast eine halbe Stunde ließ sie der General warten, bis er es für gut hielt, zu ihnen hinauszutreten. Er war gerade bei seinem Mittagessen gewesen und hatte es nicht für nötig gefunden, das zu unterbrechen – selbst ihretwegen. Jetzt trat er in die Tür, im bloßen Kopf, die Serviette noch in der Hand.
William Tecumseh Sherman (im Jahre 1820 in Ohio geboren, in der Militär-Akademie in West-Point ausgebildet) war ein durchaus militärischer, gerader und derber, aber auch offener und ehrlicher Charakter, der, was wahrlich nicht viel sagen will, keinen Feind in den Vereinigten Staaten hatte, als jetzt die Männer, die ihm mit den Waffen in der Hand gegenüber standen.30
Sherman war etwas über Mittelgröße, eine kräftige Natur, aber mehr in Knochen und Sehnen als in Fleisch – ein Körper, wie gemacht, um Strapazen und Mühseligkeiten zu ertragen, und dabei von oft und oft geprüftem Mut, der zuweilen sogar an Keckheit grenzte und Gefahren eher suchte, als dass er sie vermied.
„Die ruhelosen Arme und Beine sind lang, knöchern, greifend“, sagte Dr. Ernst Reinhold Schmidt von ihm in der Geschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges.31 „Der Gang ist schnell, unruhig, sprungfederartig. Die nachlässige Haltung und Kleidung, die sorglose Ausdrucksweise bezeichneten den Mann, der dem Schein abhold, das Urteil der Menge nicht für sich gewinnen mochte. Man hat Sherman ein Original genannt; es wäre richtiger, wollte man in ihm einen genialen Menschen erkennen. Dieser auffallend große Kopf, mit dem unverhältnismäßig