In Amerika. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу In Amerika - Gerstäcker Friedrich страница 18
Zeitgenössische Darstellung der Vertragsunterzeichnung, rechts General Ulysses S. Grant
Die Farm gehörte einem Predigersohn aus Deutschland, der sie vor einer Reihe von Jahren mit seinem Schwiegervater, dem alten Professor Lobenstein, gemeinschaftlich übernommen. Damals war es freilich noch ein etwas sehr vernachlässigter Platz, mit urbar gemachtem Boden allerdings, aber mit teilweise niedergebrochenen Fenzen und zerrütteten Verhältnissen. Georg Donner aber brachte den Ort durch Fleiß und Ausdauer bald wieder herauf, und da er das Glück hatte, auf seinem Lande Kohlen zu finden, und dann gleich, ehe die Sache bekannt wurde, noch größere, daran stoßende und damals ziemlich wertlose Strecken Landes dazu kaufte, so sicherte er sich ein wertvolles und fast unerschöpfliches Besitztum. Die Kohlenmine erwies sich so reich, dass sich eine Masse Leute in die Nachbarschaft zogen, und als er an einer günstigen Stelle und unweit seiner Farm eine kleine Stadt anlegte, verkaufte er bald die einzelnen Baustellen fast zu demselben Preise, den er damals für den ganzen Distrikt gegeben.
Die Farm selber war, wie man recht gut sagen konnte, eine Musterfarm geworden. Ein großes, behagliches Backsteingebäude mit einer eisernen Veranda nach dem vortrefflich angelegten Garten hin bildete den Mittelpunkt – ein geräumiger Hof schloss sich auf der Rückseite an, der von großen steinernen Scheunen, den Ställen, der Branntweinbrennerei, einer Dampfmühle und einer Ziegelbrennerei eingeschlossen wurde. In einem mächtigen Hause mit Glasfenstern standen die verschiedenen Maschinen, die zum Ackerbau verwandt wurden, und der Hof selber lebte förmlich von Truthühnern, Gänsen, Enten, Hühnern und Tauben. Der Reichtum des Eigentümers zeigte sich auch in der Tat mehr in all’ diesen nützlichen Dingen, als in der prächtigen Einrichtung der Gebäude selber.
Es war allerdings alles hübsch und besonders außerordentlich sauber ausgestattet, aber nirgends fand sich der geringste Luxus, der nicht auch zugleich zur Bequemlichkeit der Hausgenossen diente. Keine kostbaren und prunkenden Gemälde zierten die Zimmer, keine wändegroßen Spiegel mit vergoldeten Rahmen, wie man sie wohl in großen Städten findet, keine prachtvoll gepolsterten Möbel. Aber alles war trotzdem solid und wohnlich eingerichtet; die schneeweißen Gardinen, der gebohnerte Fußboden, die guten Mahagoni-Möbel, die Wände mit den Fotografien sämtlicher Familienmitglieder gaben dem Ganzen etwas Freundliches, Heimisches, und eine Schar von Kindern in fast jedem Alter, die dazwischen herumsprang, machte die Scholle zu einem kleinen Paradies.
Heute war aber ein doppelter Festtag für die Farm: erstlich die Friedensfeier, die in jedem Herzen wiederklang, und dann der Bewillkommungsschmaus, den Georg Donner seinen Eltern gab, die auf seine wiederholten und drängenden Bitten endlich zu ihm „nach Amerika“ übergesiedelt waren und heute den Nachbarn und Freunden vorgestellt werden sollten – hatten sie doch schon Glück und Jubel in die Herzen ihrer Kinder getragen.
Von Donnersville, der kleinen Stadt selber, waren dazu eine Menge Gäste erschienen, und unter ihnen auch Ezra Ludkins, der Wirt der Mermaid und eigentlich, wenn auch unbewusst, der Gründer von Georg Donners Glück.
Ezra Ludkins hatte in früheren Jahren dem Professor Lobenstein die Farm verkauft, ohne natürlich von dem reichen Kohlenlager etwas zu wissen, das allerdings auch erst längere Zeit nachher gefunden wurde. Ludkins hielt damals eine Wirtschaft unter demselben Schild dicht am Ohio; da aber gerade jenes Ufer von Jahr zu Jahr mehr versandete, verfiel die neuangelegte Stadt wie hundert ähnliche in den Staaten, die nur auf Spekulation gegründet wurden und sich dann als verfehlt herausstellten. Aus Dankbarkeit aber – die freilich unbegründet war, denn Ezra Ludkins hatte bei dem Verkauf der damals abgelegenen und nicht besonders wertvollen Farm nur auf seinen eigenen Nutzen gesehen und auch einen damals verhältnismäßig guten Preis für das Ganze bekommen – schenkte ihm Georg Donner einen wertvollen Bauplatz in der Stadt, um dort wieder ein Hotel anzulegen – mit der Bedingung jedoch, dass er sein altes Bild34 oder Aushängeschild beibehalte und nicht etwa abändere. Die Seejungfer, die mit ihrem zur Kurve gebogenen Schweif über das Meerwasser hinlief und sich zugleich die Haare mit einem riesigen Kamme durchzog und von der Ezra Ludkins erzählt hatte, dass sie sein Sohn mit einer Z a h n b ü r s t e gemalt, wurde solcher Art der Kunst erhalten und fand aufrichtige Bewunderung. Fremde gingen wenigstens nie vorbei, ohne das merkwürdige Bild zu betrachten und wurden oft dadurch veranlasst, da einzukehren, um Näheres über dessen Ursprung zu erfahren.
Das war ein Jubel, als die kleine Gesellschaft in die mit amerikanischen und schwarz-rot-gelben Flaggen bewimpelte Farm eintrat. „Frieden – Frieden!“ läuteten die Glocken noch aus Donnersville heraus, und Glück und Freude kündeten sie ganz besonders dieser Familie, die, nach schwerer Trübsal und Schmerz der Trennung hier wieder vereinigt, einer sorgenlosen Zukunft entgegensehen durfte.
Das Bild mit der Meerjungfrau, Ausschnitt aus der Illustration von Carl Reinhardt, „Nach Amerika!“ Dritter Band.H. Costenoble, Leipzig und Rudolph Gaertner, Berlin, 1855
Und das wimmelte von Gästen heute in dem wohnlichen Gebäude, auf der Veranda des Hauses und in dem kleinen, reizenden Blumengarten, der sich davor ausbreitete und jetzt, Ende Mai, in seinem vollen Blütenschmuck prangte. Und Gäste, alte liebe Freunde des Hauses, befanden sich dabei, die zehn und zwanzig Miles aus der Nachbarschaft herübergeritten waren, nur um dem heutigen Festtage beizuwohnen und das Friedensfest gemeinschaftlich zu feiern.
Wie das gewöhnlich in Amerika geht, dass Einwanderer, die sich an einer bestimmten Stelle wohlbefinden, Verwandte und Freunde dorthin nachziehen und dadurch zuletzt förmliche kleine Kolonien bilden, so war es auch hier der Fall gewesen. Jacob Kellmann, der früher ein Kürschnergeschäft in Deutschland gehabt, hatte um Professor Lobensteins älteste Tochter, da er mit der Familie lange Jahre befreundet war, angehalten und jetzt hier mit Georg Donner, seinem Schwager, die ganze Bewirtschaftung gemeinschaftlich übernommen.
Aber auch aus Donnersville waren, wie gesagt, eine Menge Freunde eingeladen worden und gekommen, und unter diesen auch ein etwas wunderlicher Kauz, der sich als „Chirurg und Barbier“ in der kleinen Stadt niedergelassen und bald mit Georg Donner, der in ihm einen ganz tüchtigen Kern erkannte, eng befreundet wurde. Donner fühlte sich auch bald fest überzeugt, dass der Mann mehr von Medizin verstand, als er selber zugeben mochte, und suchte ihn zu überreden, hier wirklich zu praktizieren, da es in der Tat an einem deutschen Arzt in Donnersville fehlte. Er war allerdings selber Arzt und half aus, wo es nicht vermieden werden konnte, hatte aber mit seinen eigenen Geschäften zu viel zu tun und konnte sich seinem früheren Beruf nicht mehr so widmen.
Jacob Roßwein, wie der wunderliche Mensch hieß, lehnte auf das Entschiedenste jede solche Aufforderung ab, ja konnte sogar wütend werden, wenn ihn einmal jemand „Doktor“ nannte, und verschiedene, höchst komische Szenen waren da schon vorgefallen.
Alles, was in das chirurgische Fach einschlug, behandelte er nicht allein mit der größten Geschicklichkeit, sondern war auch darin den neuesten Forschungen der Wissenschaft gefolgt und studierte noch immer die halbe Nacht hindurch, konnte aber nie bewogen werden, irgendwelche innere Mittel zu verschreiben oder anzuwenden.
Er lebte schon verschiedene Jahre in den Vereinigten Staaten, hatte sich aber in keiner Weise, wie man das so nennt, amerikanisiert, sondern seine ganze Einfachheit beibehalten. Selbst sein Schild in Donnersville trug – der sonst üblichen Form in den Vereinigten Staaten ganz entgegen – nicht das geringste Marktschreierische und nur die kurze Anzeige:
J. Roßwein
Bader und Barbier
Mit