In Amerika. Gerstäcker Friedrich

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In Amerika - Gerstäcker Friedrich

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und machte, da er mäßige Preise nahm, auch ganz gute Geschäfte. Grob nur wurde er, wenn jemand Patent-Medizinen, mit denen die Vereinigten Staaten ja überschwemmt sind, bei ihm suchte oder ihm gar sein Erstaunen aussprach, dass e r sie, „als Doktor“ nicht führe.35

       „Wenn Sie angeschmiert sein wollen“, rief er dann häufig, „so gehen Sie hinüber in die Grocery zu dem Gewürzkrämer, d e r hat den Schund in Masse und verkauft Ihnen, was Sie in einer anständigen Apotheke für fünf Cents bekommen können, hübsch eingepackt, für ein oder zwei Dollars – aber m i c h lassen Sie ungeschoren.“

       Übrigens war er aller Orten als ein braver, rechtschaffener Mann bekannt und hatte in Donnersville auch wirklich nur einen, und selbst den auf wunderbare Art erworbenen Feind, und zwar den einzigen „Adligen“ im ganzen Ort.

       Freiherr von Passedow – wie er sich stets selber nannte – der, Gott weiß aus welchem Grunde, in dieses Städtchen gekommen war und auch gar keinen ersichtlichen Broterwerb hatte, lebte dort mit einer erwachsenen Tochter und einer halbblinden Wirtschafterin, und ließ sich von Jacob Roßwein jeden Tag rasieren, und das hatte ihn schon nicht wenig geärgert, dass der Barbier nicht zu ihm ins Haus kam, sondern er zu ihm hinübergehen musste. Allerdings wohnten sie einander gegenüber und es konnte für keinen eine Unbequemlichkeit genannt werden; Roßwein erklärte aber, wenn er einen seiner Kunden im Hause rasiere, so könne er es auch keinem anderen abschlagen und dann verliefe er sich mit der „lumpigen Kundschaft“ den halben Tag.

       Das war der a n g e b l i c h e Grund des Barbiers, in der Tat aber ging er nur nicht zu ihm hinüber, weil er ihn als einen adelsstolzen Narren kannte. Irgendeinen anderen armen Teufel würde er mit Vergnügen aufgesucht haben, und tat es auch dann und wann unter der Hand, aber der „Freiherr“ durfte nichts vor Anderen voraus haben und musste deshalb, wenn er sich nicht selber rasieren wollte, zu ihm herüberkommen.

       Roßwein hatte nun beim Rasieren eine außerordentlich leichte und sichere Hand, aber eines Tages – wie es gekommen, wusste er selber nicht – schnitt er den Freiherrn, worüber dieser so wütend wurde, dass er ihn einen E s e l nannte. Was war auch dabei; seinen Barbier in Deutschland hatte er fast jeden Morgen so genannt. Roßwein aber verstand die Sache falsch.

       Er war gerade in diesem Moment mit der einen Gesichtshälfte des Barons fertig geworden, hörte aber kaum das Wort, als er sein Messer ruhig abwischte, dem Freiherrn, dann, der ihn erstaunt betrachtete, den Stuhl mit so plötzlicher Gewalt fortzog, dass sich dieser mitten in der Stube auf die Erde setzte, und dem empört Aufspringenden erklärte, er möge sich rasieren lassen, von wem er wolle, wenn er i h m aber noch einmal ins Haus käme, stecke er ihn zum Fenster wieder hinaus.

       Das war für den Freiherrn von Passedow ein wenig zu viel. Fordern konnte er, seiner Meinung nach, seinen Barbier nicht, denn er hielt ihn nicht für satisfactionsfähig, aber mit halb rasiertem und halb eingeseiftem, außerdem blutendem Gesicht eilte er über die Straße seiner eigenen Wohnung zu, und von dem Augenblick an hatte er einen grimmigen Hass auf den „Bader“ geworfen, dem dieser aber mit der größten Gemütsruhe begegnete. Was lag i h m an dem Freiherrn von Passedow oder irgend einem anderen Freiherrn der ganzen Welt?

       Desto lieber besuchte er aber das Donner’sche Haus, und niemand war lieber dort gesehen als er, denn die Kinder besonders jubelten jedes Mal, wenn er ihre Schwelle überschritt. Wenn es aber auch irgendjemand verstand, ihnen neue und überraschende Spielsachen zu bereiten, so war er es. Bald schnitt er ihnen aus Knotenpappe alle möglichen Gerätschaften: Schlitten, Wagen, Stühle, Tische und Figuren, aus, bald machte er den Mädchen Puppen aus Corncobs36 und Hülsen, mit aus Rüben geschnitzten Gesichtern, bald den Jungen Steckenpferde, Pfeile und Bogen und tausend andere derartige Dinge, und „Onkel Roßwein“ war die beliebteste Persönlichkeit auf Donners Farm.

       Georg Donner hatte sich eine allerdings sehr bunt gemischte, aber doch nur passende Gesellschaft eingeladen, damit aber auch eine Harmonie in den verschiedenen Persönlichkeiten hergestellt, die die Gesellschaft zu einer allen Seiten genügenden machte.

       Es ist recht schön und gut, wenn wir sagen: Jeder Mensch hat die nämlichen Anrechte – wir sind alle gleich vor Gott und dem Gesetz, und niemand darf sich besser dünken als sein Nebenmann. Im Prinzip wird jeder billig denkende und vernünftige Mann das anerkennen; damit ist aber nicht gesagt, dass wir mit jedem solchen auch einen innigeren und freundschaftlichen Verkehr halten sollen. Es ist im Leben so wenig eine Güter- wie Geistesgemeinschaft möglich; wir alle, vom Tagelöhner hinauf bis zum regierenden Fürsten, suchen uns die Gesellschaft, in der wir uns wohl fühlen. Wir brauchen die andere deshalb nicht zu verachten, aber wir befinden uns in derselben nicht behaglich, nicht in unserer Sphäre, und vermeiden sie deshalb oder suchen sie wenigstens nicht auf.

       Der Bauer verkehrt am liebsten mit dem Bauer, schon weil sie gemeinschaftliche Interessen haben, über die sie sich miteinander aussprechen können; der mehr gebildete Mann will sich nicht den ganzen Abend über Düngmittel, Aussaat und Vieh unterhalten. Der Handwerker weiß nichts von den neuesten Erscheinungen der Literatur oder Kunst und interessiert sich nicht dafür; der Schauspieler lebt ausschließlich in seinem Beruf und teilt das Menschengeschlecht nur in Kollegen, Publikum und Rezensenten, – der Adel spricht am liebsten vom Theater und Ballet, von Pferden, Ordensverleihungen und Soiréen, wer da also nicht auf seine Ideen eingehen kann, ist ihm kein willkommener Gesellschafter, ohne dass er deshalb geringschätzig über ihn zu denken braucht. Ich mag einen Mann aus voller Seele achten, aber unsere Interessen laufen nebeneinander hin ohne sich zu berühren, und wir empfinden gegenseitig – wenigstens hier in unseren geregelten Verhältnissen; keinen ausreichenden Stoff zu längerer Mitteilung.

       Scheinbar anders ist das in Amerika, aber auch nur scheinbar, denn in Wirklichkeit verhält es sich dort genauso wie hier bei uns. Dort kommen wohl alle Stände ohne Unterschied zu geselligem Verkehr zusammen; sehen wir uns aber die Leute an, durch welche sie vertreten werden, so finden wir doch immer wieder genau das Nämliche wie bei uns. Handwerker und Tagelöhner, Doktoren, Advokaten, Theologen finden sich allerdings oft an ein und demselben Tisch und plaudern gesellig durcheinander; aber die Leute, die hier oft die gröbsten Arbeiten verrichten, waren daheim nicht dafür erzogen. Mit der nötigen Bildung wohl versehen, aber sonst unpraktisch oder mittellos, konnten sie in Deutschland sich nicht so am Leben erhalten, wie sie es gewöhnt waren. Sie wanderten also aus und mussten sich eine neue Bahn suchen – aber ihren alten Gesellschaftskreis behielten sie trotzdem bei. „Arbeit schändet nicht“ – das ist das Zauberwort, was dort alle Kreise vereinigt, und wo sich ein Mann anständig und makellos betrug, da konnte er, und ob er am Tage die Straße fegte und nur mit seiner Erziehung in eine bessere Gesellschaft passte – Zutritt zu allen finden und war willkommen, wo er sich nur zeigte.

       Und wie das bei dem herrlichen und warmen Wetter in dem Garten lebte und webte, und Marie Donner, die immer noch sehr jugendliche Frau, dazwischen herumwirtschaftete, und eine ganze Kinderschar, zahlreich fast wie eine losgelassene Schule, da viele der Gäste ihre Kleinen ebenfalls mitgebracht hatten, auf dem besonders für ihre Spiele bestimmten Rasenplatz umherhetzten und vor lauter Lust und Übermut jauchzten und jubelten!

       Das Essen war vorüber; im Garten tummelten sich die Gäste herum, aber auf der Veranda des Hauses stand eine Gruppe in Glück und Seligkeit und schaute auf das Treiben da unten mit lächelnden Blicken, aber doch tränenfeuchten Augen nieder.

       Es war Georg Donner, den Vater an der Seite, der den Arm über seine Schulter legte, während er selbst die dicht an ihn geschmiegte Mutter fest und innig umschlungen hielt; und indes die Kinder da unten tollten und jubelten, hatte er die Mutter an sich gepresst und ihre Stirn küssend, flüsterte er ihr zu:

       „Oh, wenn Du wüsstest, Mutter, wie glücklich ich jetzt bin!“

       „Mein Georg – mein guter Georg“, sagte da der Vater, während sich die Mutter mit tränenüberströmten

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