Zwillingsmord. Rainer Rau
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Zu dieser Zeit gab ihr eine Kommilitonin die Adresse einer Klinik in Hessen, die sich auf Schönheitsoperationen im Gesichtsbereich, Fettabsaugung und Brustoperationen spezialisiert hatte.
Dort hatte Ilka auch mal angerufen und die Kosten für eine Nasen-OP erfragt, hatte den Fall aber schnell ad acta gelegt, da mit über 4000 Euro und ohne Kassenleistung zu rechnen war.
Dann wurden die Schmerzen größer und der Arzt in der HNO in Gießen sagte ihr, dass dies nun keine kosmetische Sache mehr sei, sondern medizinisch notwendig wäre, folglich auch in die Gewährleistung der Krankenkasse fallen würde.
Diese jedoch berief sich auf irgendeinen Artikel der Satzung und wollte zunächst keine Kosten übernehmen. Aufgrund einer schriftlichen Stellungnahme des Arztes ließen sie doch mit sich reden und wollten einen gewissen Satz von 72,6 Prozent der Kosten übernehmen.
Ilka konnte sich nicht erklären, warum gerade 72,6 Prozent. Sie beließ es aber dabei mit einem Achselzucken und war bereit, die verbleibenden 1100 Euro zu bezahlen.
Sie vereinbarte einen Termin mit der privaten Klinik, die ihr empfohlen worden war, und konnte sich eine Woche später zur ersten Untersuchung dort einfinden.
In einem Fragebogen beantwortete sie alle Fragen wahrheitsgemäß, obwohl einige ziemlich indiskret waren. Sie konnte sich nicht erklären, was der Zyklus ihrer Menstruation mit ihrer Nase zu tun haben sollte. Ebenso war ihr die Frage nach Geschwistern, insbesondere nach Zwillingsschwestern oder Brüdern nicht plausibel.
Sie sollte sich mit dem Ausfüllen der Fragebögen Zeit lassen, wurde ihr von der netten Empfangsdame gesagt. Es sah hier nicht aus wie in einer Klinik, eher wie in einem Hotel.
So saß sie auch nicht in einem üblichen Wartezimmer, sondern auf einem Barhocker an einer Kaffeebar bei einem Latte Machiato, der auf Kosten des Hauses ging. So erklärte es ihr die junge Assistentin. Lediglich eine etwas älter aussehende Frau mit hochgesteckten Haaren, an deren Ansatz ein leichtes Grau zu erkennen war, passte irgendwie nicht in diese Praxis.
Ilka Goldstein las gedankenverloren den Namen der Frau auf dem Anstecker ihres weißen Kittels und fand, dass Margaretha Laumann gut zu ihr passen würde.
Oje, dachte Ilka, welch ein Kontrast. Zu einer solch modernen Praxis ein solcher schrulliger Vogel! Diese Meinung teilte sie mit den meisten jüngeren Patientinnen der Praxis.
Dann füllte sie den Fragebogen fertig aus und gab ihn dem »schrulligen Vogel.« Als Ilka der Frau ganz nahe stand, bemerkte sie, dass sie doch jünger war, als man annehmen konnte. Ilka machte sich keine weiteren Gedanken um sie und fuhr nach Hause.
Schon zwei Tage später erhielt sie einen Anruf aus der Klinik. Die Sekretärin des Oberarztes Professor Doktor Werner Justus Hohenfels war am Apparat und wollte wissen, ob Ilka am darauffolgenden Freitag zur ersten Untersuchung kommen könnte. Als der Termin stand, war Ilka erleichtert und auch etwas euphorisch. Kam nun endlich »Bewegung in ihre Nase«.
Prof. Hohenfels hatte sie lange beobachtet und kam zu der Erkenntnis, dass Ilka eine äußerst attraktive und gutaussehende junge Frau war, die den überaus großen Vorteil hatte, ein Zwilling zu sein. Er saß ihr gegenüber und las in ihrem Fragebogen, zu dem er einige Fragen hatte.
»Und Ihre Zwillingsschwester ist nasentechnisch gesehen ok?«
»Ja. Sie hat keine Probleme.«
»Gut. Dann lassen Sie uns mal das Näschen betrachten.«
Er schaute ausgiebig in Ilkas Nase und beleuchtete sie von allen Seiten. Dann machte er Fotos.
Zwischenzeitlich klopfte es an der Tür und als Hohenfels »Herein« rief, erschien Margaretha Laumann und stellte eine Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch ab. Dabei ließ sie sich Zeit und Ilka fiel auf, dass sie den Professor geradezu mit den Augen verschlang. Der wiederum beachtete sie gar nicht.
Als sie immer noch neben dem Schreibtisch stand, sagte er zu ihr: »Ja, Frau Laumann. Ist noch was?«
Sie schüttelte nur kurz den Kopf.
»Dann gehen Sie bitte wieder an Ihre Arbeit.«
Enttäuscht zog sie ab. Ilka vermutete, dass die Dame in ihren Professor hoffnungslos verliebt war. Der schien dies aber nicht zu bemerken oder wollte es nicht sehen, was Ilka verstehen konnte.
In der Tat war es so, dass Hohenfels Frau Laumann von seiner Vorgängerin übernommen hatte. Sie passte nicht in das Konzept der Klinik, welches den gut zahlenden Privatpatienten eine junge, dynamische Mitarbeitergruppe präsentierte.
Hohenfels wollte eine solch »hausbackene« Person nicht in seiner Klinik beschäftigen, sah aber bis jetzt keine Möglichkeit, sie loszuwerden. Obwohl er schon der Meinung war, dass ihre mürrische Art geschäftsschädigend sei. Außerdem spionierte sie ihm hinterher, was er sich damit erklärte, dass sie in ihn verliebt war. Dies wiederum störte ihn nicht, es war eher so, dass es seinem männlichen Ego gut tat. Somit war er sich selbst nicht im Klaren, ob er sie entlassen sollte oder nicht. Sie war auch schon zu lange in der Klinik beschäftigt und ihr war so ohne weiteres gar nicht zu kündigen.
Nach einer Weile gab er eine abschließende Bewertung zu Ilkas Nase ab.
»Also, Frau Goldstein. Die Sache ist nicht so einfach wie es scheint. Wir können nicht einfach etwas am Knochen abhobeln. Es muss ein Stück entfernt werden und dann müssen wir einen Aufbau mit Rippenknorpeln machen. Sie werden zwei oder drei Tage stationär bleiben müssen. Ihr Gesicht wird nach der OP zunächst einmal entstellt aussehen, wenn die Schwellung aber nachlässt, wird sich eine schön geformte Nase wie bei Ihrer Schwester zeigen. Bringen Sie doch mal ein Foto von ihr mit.«
»Und was kostet das alles?«
»Nun, wir behandeln hier normalerweise nur Privatpatienten. Für die ist der Betrag von 8000 Euro keine Frage.«
Ilka wollte schon aufstehen, sich bedanken und gehen, da sagte Prof. Hohenfels: »Wir haben selbstverständlich eine Kassenzulassung. Über den Betrag darüber hinaus brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, vorausgesetzt, wir können ein paar Fotos von der OP Ihrer Nase machen, für die Ärztezeitung.«
»Ja? Das ginge so? Na ist ja prima. Wann kann es losgehen?«
»Von uns aus nächste Woche. Lassen Sie sich einen Termin geben und dann sehen wir mal weiter.«
Ilka fuhr am Abend zu Anna Lena, Ingo und der kleinen Jessica. Sie erzählte stolz die Neuigkeit mit der OP und fotografierte Anna Lena von allen Seiten.
»Eine solche Nase, wie du sie hast, soll es sein.«
3. Erster Zwillingsversuch
»Komm in die Klinik! Es gibt Arbeit für dich.«
Prof. Werner Justus Hohenfels sprach am Telefon mit seinem Sohn nie lange. Kurze Anweisungen, die der Herr Sohn auszuführen hatte, waren schnell gesagt und wenn er dann gleich den Hörer auflegte, konnte Volker Hohenfels nicht widersprechen.
Er war nun 30 Jahre alt und stand immer noch sehr stark unter dem Einfluss seines Vaters.