Zwillingsmord. Rainer Rau
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Hifi-Anlage im Wagen an die 24.000 Euro und somit so viel wie ein Kleinwagen kostete. Er bezahlte und war sich der uneingeschränkten Dienste seines Sohnes sicher.
Volkers Mutter war vor 26 Jahren bei einer Nierenoperation gestorben. Die OP wurde von einem Freund der Familie, einem Unfallchirurgen der Uniklinik Gießen, durchgeführt. Er hatte bei ihr einen faustgroßen Tumor entfernt. Der Arzt konnte allerdings am Ableben von Frau Hohenfels nichts ändern. Innere Blutungen, die nicht gestillt werden konnten, hatten sehr schnell dazu geführt.
Zwar hatte man Frau Hohenfels noch einmal notoperiert, aber die Blutung in den Bauchbereich war nicht zu stoppen und so versagten nach und nach alle Organe.
Agnes Hohenfels hatte eine Zwillingsschwester, die schon am nächsten Tag aus den Staaten angereist kam. Man hatte sie jedoch noch gar nicht über den Tod ihrer Schwester benachrichtigen können. Sie hatte es jedoch geahnt. Eine innere Stimme hatte ihr ins Ohr gefl üstert, dass ihre Schwester mit dem Tode rang.
Seit dieser Zeit reifte der Gedanke an eine Erforschung der Psyche von Zwillingen in Prof. Hohenfels Gemüt. Er war der Meinung, wenn die Zwillingsforschung weiter fortgeschritten wäre, hätte man den Verlauf der Situation bei der Schwester seiner Frau erkennen können. Sogar über eine größere Entfernung hinweg, da selbst über die Weite des Ozeans eine Verbundenheit der Schwestern bestand.
Er begann sich über Zwillingsforschung zu informieren, stellte aber rasch fest, dass es wenig verwertbares Material aus dem weiten Feld der Parapsychologie gab. Mehr Informationen waren über Zwillingsversuche zu erhalten. Allen voran über den KZ-Arzt Josef Mengele. Mengele wurde 1943 Lagerarzt in Auschwitz. Im Zentrum seiner Forschungen standen vererbungswissenschaftliche Zwillingsuntersuchungen. Sein Fanatismus nahm solche Ausmaße an, dass die überlebenden Gefangenen später sagten, Mengele allein sei Auschwitz gewesen. Es wurden von ihm eineiige Zwillingspaare vermessen und untersucht. Man erhoffte sich, durch Abweichungen oder Übereinstimmungen in der körperlichen oder geistigen Entwicklung herauszufinden, welche Merkmale und Krankheiten genetisch bedingt und welche durch äußere Lebensumstände hervorgerufen wurden. Fehler in der Genetik sollten nicht weitervererbt werden. Man wollte eine perfekte arische Rasse züchten. Das Ganze wurde vom NS-Staat finanziell unterstützt. Es gab keine Grenzen in der Forschung. Es war alles erlaubt.
So konnte Mengele in seinem Versuchslabor seine unmenschlichen und grausamen Experimente an Zwillingen durchführen, die bedingungslos gequält und verstümmelt wurden. Ihnen wurden bei vollem Bewusstsein Knochenmark entnommen, die Schädeldecke geöffnet oder Krankheitserreger injiziert.
Waren sie als Versuchsobjekte unbrauchbar geworden, wurden sie mit einer Phenolspritze ins Herz getötet und obduziert. Die Organe der Zwillingspärchen wurden dann verglichen.
Heute erklärt wohl jeder Arzt, dass diese Verbrechen natürlich mit nichts zu entschuldigen sind. Es wurde jedoch gesetzlich festgelegt, dass die Erkenntnisse dieser menschenverachtenden Versuche auch heute noch als Grundlage in der modernen Forschung eingesetzt werden dürfen. Das Wissen, welches durch so viel Grausamkeit entstanden ist, sollte nicht völlig umsonst gewesen sein. Es sollte ja heute anderen Menschen zugutekommen.
Hohenfels war kein Nazi. Die Versuche mit Zwillingen, die Mengele machte, lehnte er ab.
Allerdings war auch seine Mission nicht frei vom Weg des Schmerzes für die Probanden. Hohenfels war der Meinung, dass extreme Gefühlsregungen eines Zwillings bei dem anderen signalisiert werden würden und man sie dann auch messen könnte.
Da er aber auf keine fundierten Daten zur Bestimmung von Messpunkten der Parapsychologie am Gehirn von Zwillingen zurückgreifen konnte, entwickelte er einen Messkranz, der in Stirnhöhe um den gesamten Kopf herumging. Über zwanzig Dioden konnten so feinste Hirnströme als Diagramm aufzeichnen.
Eine parallele Datenspeicherung zu den Diagrammen erfolgte durch Messung der Herzfrequenz, des Pulses und der Drüsentätigkeit.
Hohenfels war weiterhin davon überzeugt, dass sich negative Empfindungen besser transportieren ließen, als positive. Er begründete dies damit, dass ja auch eine negative Meldung in der Zeitung, etwa ein Flugzeugabsturz, länger in den Köpfen der Leser verweilen würde, als eine positive Meldung, wie etwa die Rettung eines Nichtschwimmers aus dem Wasser. Somit baute er alle Versuche auf erlebten physischen und psychischen Schmerz auf.
Hohenfels hatte in den 1970er Jahren in England und in den Staaten Medizin studiert und bekam 1982 eine Anstellung in dem Universitätsklinikum in Gießen. Zunächst als Stationsarzt in der Unfallchirurgie, später dann als Chefarzt. In seiner Doktorarbeit ging er auf Forschungsergebnisse ein, die den Heilungsverlauf durch psychische Beeinflussung der Patienten beschleunigten.
Da er jedoch keinerlei konkrete Fälle nachweisen konnte und zwar weder eigene, noch Ergebnisse von Kollegen, fasste er seine Doktorarbeit in einem Stil, der weder belegt noch dementiert werden konnte, ab. Ihm konnten somit auch keinerlei Plagiatsvorwürfe zur Last gelegt werden. Es befanden sich in seiner Dissertation viele nichtssagende Aussprüche, wie:
»Die Parapsychologie ist die Wissenschaft übernatürlicher Phänomene. Da trotz mehrjähriger intensiver Bemühungen und diverser Forschungsreihen keines der paranormalen Phänomene nachgewiesen werden konnte, gilt die Parapsychologie heute eher als Pseudo-Wissenschaft und mündet in ihrer Erkenntnisbedeutung mehr in den Bereich der Psychologie.«
Hätte er diese Arbeit in der 10. Klasse abgegeben, so hätte er sehr wahrscheinlich nur eine Vier dafür bekommen.
Nach dem Tod seiner Frau ging er nach Marburg. Eine Freundin der Familie, die dort eine gutgehende Privatklinik für Schönheitsoperationen betrieb, machte ihm das Angebot, er könne die Klinik übernehmen, da sie sich zur Ruhe setzen wollte.
Hohenfels sah das als einen Wink des Schicksals und sagte zu, zumal zwei Argumente hervorstanden: a, mit Schönheitsoperationen ließ sich sehr viel Geld verdienen und b, was das wichtigere Argument für Prof. Dr. Werner Justus Hohenfels war, ein wesentlich höherer Freizeitfaktor. Hier hatte er Zeit, seinen Forschungen intensiver nachzugehen.
Ein Jahr später zog Werner Hohenfels mit seinem Sohn Volker aufs Land in die unmittelbare Nähe Marburgs.
Er hatte einen alten Bauernhof, wenige Kilometer von der Stadt und der Klinik entfernt, aus einer Insolvenz erstanden. Sein Banker hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass eine Versteigerung demnächst angesetzt werden solle. Beiläufig erwähnte der Bankangestellte auch Zahlen, die eigentlich nicht für dritte Ohren bestimmt waren. Er ließ auch nicht unerwähnt, dass er zu dem Insolvenzverwalter einen guten Draht hatte und durch ihn wusste, dass er die Vermarktung des Hofes als lästige Notwendigkeit ansah. Wenn er die Sache schnell hinter sich bringen könnte, würde er auf einen höheren Verkaufserlös verzichten.
Hohenfels kaufte noch am nächsten Tag den alten Bauernhof, nachdem er sich seine Lage und den Zustand angesehen hatte. So kam es erst gar nicht zu der Versteigerung. Er bezahlte lediglich 120.000 Euro plus 10.000 für den Banker, der sich angesichts einer solchen inoffiziellen Provision keine Gedanken über die strafbare Relevanz seines Verhaltens machte.
Die Scheune und das Hauptgebäude ließ er aufwendig renovieren, mit Photovoltaik und Solar versehen. Das alte Fachwerk wurde herausgehoben und die neuen Fenster passten sich gut in das Bild einer modernisierten Hofreite ein.
Zuvor waren umfangreiche Bodenarbeiten nötig gewesen, da eine unterirdische Verbindung vom Hauptgebäude zur Scheune bestehen sollte. Diese wurde zunächst vollkommen abgebaut. Nachdem eine riesengroße