Djihad. Christoph Hoenings
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Hätte Scheich Mahmut den Namen von Mirins Vater angehängt, also bin Abdul, bin Faisal, bin was immer, so hätte Graf den nächtlichen Gast in Mahmuts Haus einwandfrei identifizieren können.
Dem Alter nach hätte Graf den Prinzen Mirin für einen Urenkel des Staatsgründers Abdul Aziz gehalten. Abdul Aziz hatte mehrere Frauen, die ihm geschenkten Söhne waren, allein in der Reihenfolge ihrer Geburt und unabhängig von welcher Mutter sie stammten, die Thronfolger.
Also: Ältester Sohn, nach dessen Tod zweitältester – lebender - Sohn, und so weiter. Sämtliche direkten Söhne bekleideten ein Ministeramt.
Aber sämtliche acht Söhne, die Graf ausfindig machen konnte und welche die jetzige Machtriege stellten, hatten ihrerseits mit mehreren Frauen zahlreiche Kinder in die Welt gesetzt. Gleichzeitig haben durften sie vier Frauen. Da aber eine Scheidung leicht möglich war, war die Gesamtanzahl der aktuellen und geschiedenen legitimen Ehefrauen erheblich größer. Und da die Herren selbst im hohen Alter mit immer jüngeren Damen Nachwuchs produzierten, war manch eigener Sohn jünger als mancher Enkel! Die weiblichen Nachkommen, die es ja auch gegeben haben musste, wurden in den Graf zugänglichen Archiven nicht aufgeführt.
Da die Enkel wiederum die gleiche Produktivität an den Tag legten wie die vorige Generation, ebenfalls mit vier gleichzeitigen, aber wegen der unkomplizierten Möglichkeit der Scheidung ebenfalls wechselnden Ehefrauen, war eine riesige und ohne Organigramm nicht mehr überschaubare Dynastie entstanden.
Und irgendwo, inmitten dieser Dynastie, befand sich Prinz Mirin.
Der Zahlmeister der U-Boote. Der sich das Programm annähernd zwei Milliarden Dollar kosten ließ, aber darauf bestand, das erste Boot innerhalb von zwei Jahren einsatzbereit zu haben!
Rupert Graf war keineswegs ein Mann, der, von seinen Skrupeln geplagt, nicht in den Schlaf finden würde. Was ihn wurmte war, nicht zu wissen, was hier ablief. Er spürte, dass er und sein Unternehmen zu einem Zweck missbraucht werden sollten, ohne erkennen zu können, um was es ging.
Eine der besonderen Eigenschaften Rupert Grafs war seine Beharrlichkeit. Egal, ob er einem Auftrag hinterher jagte oder ein Schachrätsel zu lösen versuchte: Er gab nicht auf, selbst wenn Dritte seine Bemühungen für ziemlich hoffnungslos hielten.
Und auch, was die Rolle des Prinzen Mirin und dessen Beweggründe anging, so würde Graf weiterbohren, bis er die Lösung kannte.
Auch Sabine Sadler besaß einen Hang zur Hartnäckigkeit. Groß geworden neben einem älteren Bruder als einzige Tochter in einem von Wohlstand geprägten Haushalt, in die Welt gesetzt von Eltern, die beide bei Sabines Geburt schon die dreißig überschritten hatten, war Sabine gewohnt, das zu bekommen, was sie wollte. Es war nicht so, dass sie besonders verwöhnt worden wäre, und ihre Wünsche waren auch keineswegs unbescheiden, aber die Erfüllung dieser bescheidenen Wünsche hatte Sabine stets mittels beharrlichen Bittens, mittels die Nerven ihrer Eltern und ihres älteren Bruders aufreibenden Gequengels oder durch das Aushandeln von ihr entgegenkommenden Kompromissen durchgesetzt.
Insofern war sie nicht bereit, auf Rupert Graf zu verzichten.
Ariel hatte ihr gesagt, sie solle das ihr ausgehändigte Mobiltelefon noch behalten, man wüsste ja nie, zu was es noch dienlich sein könne.
Sie schleppte das Gerät nicht mehr wie früher ständig mit sich herum. Aber sie hatte es noch.
Und damit konnte sie jederzeit in Kontakt zu Ariel treten.
Rupert Graf, auf dessen Mailbox sie vor einigen Tagen gesprochen hatte, hatte sich noch nicht gemeldet.
Sabine hatte allerdings von Simone erfahren, Graf war unterwegs, und auch wenn sie etwas beleidigt war, dass er noch nicht zurückgerufen hatte, so musste sie sich eingestehen, dass sie ja auch nur gesagt hatte:
„Nichts Wichtiges. Ich wollte nur mal hören, wie es so geht.“
Wie ihr im Nachhinein eingefallen war, hatte sie nicht mal ihren Namen genannt. Womöglich hatte Rupert, mit seiner Mailbox aus irgendeinem fernen Land verbunden, ihre Stimme nicht mal erkannt!
Auch als sie jetzt den einzigen in das Verzeichnis des Telefons angegebenen Anschluss drückte, hörte sie lediglich Ariels Stimme sagen: „Hinterlassen Sie nach dem Signal eine Nachricht!“
Diesmal bat sie ausdrücklich um einen Rückruf.
Hakeem bin Zaif hatte Heimweh.
Die Stadt Hamburg war groß und unüberschaubar, das Wetter schlecht, wie man ihm sagte, zu kühl für die Jahreszeit, windig, regnerisch. Er war zwar schon häufig außerhalb Saudi Arabiens gewesen, und somit war Regen für ihn nichts Neues. Aber noch nie war er in einer Stadt gewesen, in der dermaßen viel eiskaltes Wasser vom Himmel fiel wie in Hamburg!
Seine Deutschkenntnisse machten keine erkennbaren Fortschritte. Wenn er geahnt hätte, wie schwierig diese Sprache war, er hätte sich kaum auf Deutschland eingelassen als Platz für sein Studium.
Die Mitarbeiter der Gesandtschaft in Berlin hatten eine ungemütlich möblierte Dreizimmerwohnung für ihn in einem modernen Wohnblock in der Nähe der Universität gefunden. Der junge Feldwebel aus dem Stab des Verteidigungsattachés, Abd el Abd, der in Frankfurt am Ankunftsgate auf ihn gewartet hatte, war einige Tage in Hamburg geblieben, um Hakeem behilflich zu sein. Abd el Abd hatte Hakeem nicht nur zu den verschiedenen Behörden begleitet, er hatte sich auch um den Abschluss diverser Versicherungen gekümmert – offenbar konnte man sich in diesem Land gegen alle erdenklichen Risiken versichern. Abd el Abd hatte Hakeem weiterhin in die Geheimnisse des Hamburger öffentlichen Nahverkehrs eingeweiht und ihn damit vertraut gemacht, wie er mittels Hochbahn, U-Bahn, S-Bahn, Bussen sich in der Stadt bewegen konnte.
Abd el Abd hatte Hakeem auf dessen Bitte in einem in der Nähe befindlichen Supermarkt die Lebensmittel gezeigt, die Hakeem würde essen können, ohne die Vorschriften des heiligen Korans zu verletzen. Hakeem hatte sich die Namen und Marken der Produkte notiert.
Gegessen hatten sie stets in Restaurants, sogar in einigen recht schönen oder zumindest schön gelegenen, aber Hakeem war angeekelt gewesen von den Mengen alkoholischer Getränke, die die Deutschen zu sich nahmen. Abd el Abd und er hatten nur Wasser oder Limonaden getrunken.
Dass Feldwebel Abd el Abd kein so gläubiger Muslim war wie er, hatte Hakeem daran erkannt, dass Abd el Abd sich um die täglichen Gebetszeiten nicht scherte. Er hatte Hakeem, der wegen der ständigen Regenwolken die Himmelsrichtungen nur ungefähr erkennen konnte, auf die Frage, in welcher Richtung Mekka läge, nur mit einer vagen Handbewegung, die viel Platz für Interpretationen ließ, gesagt:
„Da.“
Hakeem war deshalb nicht sicher, ob seine nach Mekka gerichteten Gebete an dieser heiligen Stätte tatsächlich Gehör finden würden.
Abd el Abd hatte, um Hakeem davor zu schützen, sich versehentlich dorthin zu verirren, auch gezeigt, wo sich die Stadtteile befanden, in denen Sünde und Unzucht herrschten.
Für Hakeem war es ein Beweis der Scheinheiligkeit der Ungläubigen, diese Viertel nach angeblich von ihnen so verehrten Heiligen zu benennen, und das Wort „heilig“ dabei auch noch im Namen zu führen! Er war zutiefst abgestoßen und doch aufs höchste fasziniert von einer verabscheuungswürdigen Gasse, in der üppige Frauen halbnackt in obszönen Posen ihre Körper hinter Schaufensterscheiben feilboten.
Sankt Pauli war eine